Produktion in Europa

Lieferengpässe in der Schweiz – Druck auf Hersteller wächst

Remagen - 14.02.2019, 17:50 Uhr

Immer häufiger kommt es in Schweizer Apotheken dazu, dass Arzneimittel nicht lieferbar sind. Nun wächst der Druck auf die Pharmaindustrie. ( r / Foto: Imago)

Immer häufiger kommt es in Schweizer Apotheken dazu, dass Arzneimittel nicht lieferbar sind. Nun wächst der Druck auf die Pharmaindustrie. ( r / Foto: Imago)


Auch im Pharma-Land Schweiz sind Arzneimittel lange nicht immer verfügbar. Nun geraten die Hersteller verstärkt in den Fokus der Kritik. Sie sollen unabhängiger von Importen aus Billiglohnländern werden und mehr im Inland produzieren. 

In unserem Nachbarland Schweiz sind Lieferengpässe bei Arzneimitteln ebenfalls ein großes Thema. Meldungen über Verknappungen oder Ausfälle werden dort über eine Meldestelle beim Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) bekannt gemacht. Diese wurde allerdings erst im Sommer 2015 eingerichtet und die Erfassung ist lückenhaft. Sie betrifft nur Versorgungsstörungen bei einer begrenzten Anzahl explizit aufgeführter lebenswichtiger Wirkstoffe, darunter bestimmte Antibiotika, Impfstoffe, Chemotherapien und starke Schmerzmittel wie Morphin.  

600 Lieferengpässe, ein neuer Rekord

Eine weitere, umfangreichere Liste mit Lieferengpässen führt der Krankenhausapotheker Enea Martinelli. Sie ist unter drugshortage.ch öffentlich zugänglich. Martinelli wollte mit seiner Initiative auch die Pharmafirmen bei ihrer Verantwortung packen. Einige haben den Wink mit dem Zaunpfahl verstanden und stellen ihre Daten zu Lieferproblemen mittlerweile selber in die Datenbank ein. Martinelli pflegt die Liste seit vier Jahren. In dieser Zeit haben die Engpässe laut dem Chefapotheker der Spitäler Meiringen, Frutigen und Interlaken stetig zugenommen. „Als ich angefangen habe, dachte ich, 150 seien wahnsinnig viele“, erzählt Martinelli dem Schweizer Radio und Fernsehen (srf). „Vor kurzem waren es 600, so viele wie noch nie.“

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Zu den an den häufigsten fehlenden Medikamenten gehören aktuell (Stand: 11.02.2019): Mittel mit Wirkung auf das Renin-Angiotensin-System (105), Analgetika (34), Psycholeptika (27), Antibiotika zur systemischen Anwendung (22), Antiphlogistika und Antirheumatika (18), Psychoanaleptika (16) sowie Sexualhormone und Modulatoren des Genitalsystems und Antiparkinsonmittel (jeweils 15).

„Es braucht einen Wandel bei den Herstellern“

Ueli Haudenschild, der beim Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung die Abteilung Heilmittel leitet und seit Jahren mit dem Problem konfrontiert ist, hat eine Erklärung dafür parat. Wirkstoffe würden meist in Billiglohnländern wie China und Indien produziert und an fast alle Hersteller weltweit geliefert. Gebe es ein Problem, so führe dieses eben zu globalen Lieferengpässen. Als Beispiel führt er das Desaster um den Blutdrucksenker Valsartan an.

„Es braucht einen Wandel bei den Herstellern“, appelliert Haudenschild nun an die Industrie: Man muss weniger von einzelnen Wirkstofflieferanten in Fernost abhängig sein. Und weniger von einzelnen großen Standorten.“ Stattdessen will er eine Diversifizierung, das heißt eine Rückkehr nach Europa für gewisse Wirkstoffe, „die wirklich wichtig sind.“ 

Pharmaland Schweiz mit Lücken

Und was sagt die Industrie dazu, die sich laut srf auf neue, lukrative Produkte konzentriert und Massenware wie Generika und bestimmte Impfstoffe zu fast 100 Prozent importiert? René P. Buholzer, Geschäftsführer des Verbandes der forschenden Pharmaunternehmen Interpharm hält dagegen. Er verweist auf die nachhaltige Finanzierung des Schweizer Gesundheitssystems: „Dies führt halt häufig dazu, dass es eine Konzentration beim Produktionsprozess gibt“, erklärt Buholzer lapidar.

So sei die Schweiz längst nicht mehr in jedem Segment ein Pharmaland, resümiert der srf. Auch in den nächsten Jahren würden dort wohl immer wieder Medikamente fehlen.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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