Health Technology Assessment

EU-Parlament: Arzneimittelpreise bleiben Sache der Mitgliedstaaten

Berlin - 15.02.2019, 17:00 Uhr

Nach Auffassung des EU-Parlaments soll die Bewertung des Zusatznutzens auf EU-Ebene vorgenommen werden, die Preisbildung weiterhin Sache der Mitgliedstaaten bleiben. Das BMG fordert, dass auf EU-Ebene kein Zusatznutzen bestimmt werden soll, sondern nur eine rein deskriptive Bewertung. (c / Foto: imago)

Nach Auffassung des EU-Parlaments soll die Bewertung des Zusatznutzens auf EU-Ebene vorgenommen werden, die Preisbildung weiterhin Sache der Mitgliedstaaten bleiben. Das BMG fordert, dass auf EU-Ebene kein Zusatznutzen bestimmt werden soll, sondern nur eine rein deskriptive Bewertung. (c / Foto: imago)


Wissenschaftliche Bewertung, ja – Arzneimittelpreisbildung, nein: Am gestrigen Donnerstag hat das EU-Parlament die erste Lesung zum europäischen Nutzenbewertungsverfahren von Arzneimitteln und Medizinprodukten abgeschlossen. Dabei nehmen die EU-Abgeordneten im Wesentlichen den Vorschlag der EU-Kommission an, stellen jedoch klar, dass die Mitgliedstaaten bei der Arzneimittelpreisbildung ihre Autonomie behalten. Das Bundesgesundheitsministerium ist der Ansicht, dass die EU-Bewertung rein deskriptiv und ohne Ermittlung eines Zusatznutzens erfolgen soll.

Das Gesetzgebungsverfahren zur viel diskutierten EU-Nutzenbewertung ist einen Schritt weiter: Am gestrigen Donnerstag hat das EU-Parlament die erste Lesung zum Vorschlag der Europäischen Kommission für eine gemeinsame Nutzenbewertung von Arzneimitteln und Medizinprodukten (Health Technology Assessment - HTA) abgeschlossen.

Und zwar hatte die EU-Kommission vor etwa einem Jahr einen Vorschlag vorgelegt, demzufolge Experten aus den Mitgliedstaaten gemeinsam bewerten sollen, ob und welchen Zusatznutzen ein Medikament im Vergleich zur Standardtherapie hat. Diese Bewertung soll dann als Grundlage für die Kostenerstattung dienen.

Abgrenzung nationaler Kompetenzen

Diesen Vorschlag haben die EU-Abgeordneten im Wesentlichen angenommen. Die am gestrigen Donnerstag vorgetragene Fassung, die im Herbst des vergangenen Jahres erstellt wurde, enthält jedoch wichtige Klarstellungen zu den Rechten der Mitgliedstaaten. Und zwar soll die Nutzenbewertung auf die medizinisch-wissenschaftliche Ebene begrenzt sein. Bei der Entscheidung über Kostenerstattung sowie die Preisgestaltung sollen die Mitgliedstaaten weiterhin autonom bleiben.

Mit diesen Klarstellungen trägt das EU-Parlament der Kritik einiger Mitgliedstaaten, die die Autonomie ihrer Gesundheitssysteme gefährdet sahen, Rechnung. Im vergangenen Jahr hatte Deutschland dem Kommissionsvorschlag eine sogenannte Subsidiaritätsrüge erteilt. Auch von Frankreich, Polen und Tschechien kam Widerstand.

Doppelarbeit vermeiden

Peter Liese, der gesundheitspolitische Sprecher der größten Fraktion im Europäischen Parlament (EVP-Christdemokraten), stellte am gestrigen Donnerstag klar: „Für die Frage, ob ein Medikament erstattet wird, ist nicht Europa, sondern das nationale Gesundheitswesen zuständig.“ Den Grundgedanken, medizinische Innovationen gemeinsam zu bewerten, unterstützt Liese voll und ganz: „Es kann aus wissenschaftlicher Sicht nicht sein, dass ein Medikament in Deutschland das Leben im Schnitt um acht Monate verlängert, aber in Frankreich nur um einen Monat.“

Schon heute werden immer mehr Medikamente zentral bei der europäischen Arzneimittelagentur EMA zugelassen. Mit dem regulatorischen Prozess ist auch immer eine Bewertung von Wirksamkeit und Sicherheit verbunden. Den Nachweis des Zusatznutzens im Vergleich zu einer Standardtherapie müssen die Hersteller dagegen für jedes Land separat erringen. Warum nicht auch die Nutzenbewertung für alle EU-Länder in einem „Aufwasch“ erledigen? 

BMG: nur deskriptive Bewertung

Ganz so trivial ist die Nutzenbewertung aus Sicht der Bundesregierung offenbar nicht, wie Dr. Anna-Maria Mattenklotz vom Bundesgesundheitsministerium (BMG) am vergangenen Mittwoch auf der Handelsblatt-Tagung „Pharma 2019“ erläuterte. Denn ein Zusatznutzen hänge unter anderem von nationalen Gegebenheiten ab. Dieser werde ja in Relation einer Vergleichstherapie gemessen. Nun gebe es auch Medikamente, die nicht in allen Mitgliedstaaten zugelassen seien oder sich auf nationaler Ebene in ihren Anwendungsgebieten unterschieden. Weitere nationale Unterschiede bestünden bei bestimmten Endpunkten wie etwa der Liegedauer im Krankenhaus, die ebenfalls vom lokalen Gesundheitssystem abhänge. Auch Subgruppen würden zum Teil unterschiedlich definiert.

Deshalb solle auf EU-Ebene lediglich eine deskriptive, klinische Bewertung vorgenommen werden, ohne einen Zusatznutzen zu bestimmen. Und für diese rein wissenschaftliche Bewertung bedürfe es auch keiner Mehrheitsentscheidung. Mattenklotz stellte klar heraus, dass man die EU-Nutzenbewertung nicht grundsätzlich ablehnen wolle. „Deutschland will konstruktiv mitarbeiten“, versicherte die BMG-Referatsleiterin.

Wie geht es weiter?

Bis das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen ist, kann es noch etwas dauern. Mit der am gestrigen Donnerstag gefassten Entschließung hat das EU-Parlament zwar ein Mandat für Verhandlungen im Rat der EU. Doch bislang konnten die Mitgliedstaaten im Rat noch keine gemeinsame Position mit dem EU-Parlament finden.

Im Rat kommen Minister aus allen EU-Ländern zusammen, um Rechtsvorschriften zu diskutieren, zu ändern und anzunehmen. Zusammen mit dem EU-Parlament ist der Rat das Hauptbeschlussorgan der EU. Der Vorsitz des Rates wechselt halbjährlich, und zum nächsten Mal zum 1. Juli.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Die Arzneimittelpreise bleiben Sache der Mitgliedstaaten

von Dunin von Przychowski am 19.03.2019 um 9:42 Uhr

??? Also die Arzneimittelpreise bleiben Sache der Mitgliedstaaten aber Deutschland soll wegen der EU seine Arzneimittelpreisverordnung ändern?

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