Achtung Privatrezept

Apotheker bleibt auf Mehrkosten für Glivec sitzen

Berlin - 20.02.2019, 07:00 Uhr

Privatrezept ist nicht gleich Privatrezept: Ein Apotheker, der weiß, dass eine Versicherung im Basistarif besteht, muss Kunden aufklären, dass die Versicherung möglicherweise nicht sämtliche Kosten für ein Arzneimittel erstattet, wenn es günstigere Generika gibt. ( r / Foto: contrastwerkstatt / stock.adobe.com)

Privatrezept ist nicht gleich Privatrezept: Ein Apotheker, der weiß, dass eine Versicherung im Basistarif besteht, muss Kunden aufklären, dass die Versicherung möglicherweise nicht sämtliche Kosten für ein Arzneimittel erstattet, wenn es günstigere Generika gibt. ( r / Foto: contrastwerkstatt / stock.adobe.com)


Retaxationen von Krankenkassen sind ärgerlich, aber ein bekanntes Phänomen in Apotheken. Doch auch bei der Vorlage eines Privatrezepts kann sich ein Apotheker nicht immer sicher sein, dass ihm die Kosten für ein abgegebenes Arzneimittel gänzlich erstattet werden. Das kann dann der Fall sein, wenn der Kunde, der das Rezept einlöst, nur im PKV-Basistarif versichert ist und dies in der Apotheke bekannt ist. Das zeigt ein Urteil des Landgerichts Bremen.

In der Apotheke ist gemeinhin nicht zu erkennen, ob ein Kunde, der ein Privatrezept einreicht, „normal“ versichert ist oder aber nur im PKV-Basistarif, in dem der Leistungsumfang etwa dem der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht. In der Regel kann ihr das auch gleichgültig sein, denn sie bekommt das Geld direkt vom Patienten. Ist in der Apotheke jedoch bekannt, dass ein Kunde im Basistarif versichert ist, treffen das Personal und den Inhaber besondere Aufklärungspflichten. Das musste jetzt ein Apotheker vor dem Landgericht Bremen erfahren.

Was war geschehen? Über Jahre bezog ein Patient in einer Apotheke das Arzneimittel Glivec. Er hatte mit der Apotheke eine Abrede getroffen, wonach diese die Kosten für das kostspielige Medikament selbst mit der Versicherung abrechnet.

Besondere Leistungsbestimmungen im Basistarif

Ende 2016 lief das Patent für Glivec aus und in der Folge kamen preisgünstige Generika auf den Markt. Das war dem Apotheker bekannt. Als besagter Patient im Februar 2017 erneut eine Glivec-Verordnung auf Privatrezept (ohne Aut-idem-Ausschluss) vorlegte, erhielt er von einer Apothekenmitarbeiterin wie gewohnt sein Glivec. Doch bei der späteren Abrechnung erstattete die private Versicherung der Apotheke fast 6000 Euro weniger als dieses Arzneimittel kostete, nämlich nur 9.606,07 Euro – so viel, wie die das preisgünstigste Generikum kostet. Die Kasse verwies dazu auf ihre Leistungsbestimmungen. Danach sind im Fall, dass für das verordnete Arzneimittel mehrere wirkstoffgleiche Präparate verfügbar sind, nur die Aufwendungen für eines der drei preisgünstigsten Arzneimittel erstattungsfähig, sofern diese zeitgerecht lieferbar sind. Der Apotheker forderte daraufhin seinen Kunden auf, den Differenzbetrag an ihn zu zahlen. Als dies nicht geschah, erhob er Klage.

Das Landgericht Bremen hat die Klage jedoch als unbegründet zurückgewiesen. Grundsätzlich habe zwar zunächst eine Kaufpreisforderung in Höhe von 15.558,99 Euro gegenüber dem beklagten Patienten bestanden – daran ändere auch die Vereinbarung über die direkte Abrechnung der Apotheke mit der Versicherung nichts. Doch diese Forderung sei zu einem Teil durch die Zahlung der Versicherung erloschen. Den anderen Teil könne der Patient mit einem ihm gegen den Apotheker zustehenden Schadensersatzanspruch aufrechnen.

Apotheke trifft Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung

Dieser Schadensersatzanspruch in Höhe der restlichen Kaufpreisforderung ergebe sich aus dem bürgerlichen Recht (§ 280 BGB) wegen der Verletzung (vor)vertraglicher Aufklärungspflichten. Der Grund: Der klagende Apotheker sei im Rahmen der mit dem Beklagten bestehenden Vereinbarung zur Kostenabrechnung wegen des regelmäßigen Kaufs des Arzneimittels Glivec verpflichtet gewesen, den Kunden über die fehlende Erstattungsfähigkeit für Glivec im Basistarif aufzuklären, nachdem günstigere Generika hierfür verfügbar waren. Diese Pflicht zur sogenannten wirtschaftlichen Aufklärung ergebe sich aus der Pflicht zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Kunden sowie aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§§ 241 Abs. 2, 242 BGB).

Zwar müsse der Apotheker nicht die Details des Versicherungsschutzes eines Patienten erfragen, räumt das Gericht ein. Doch weiß er, dass dieser lediglich im Basistarif versichert ist, so müsse er den Patienten über das Risiko aufklären, dass die Versicherung die Kosten nicht erstattet. Eine solche Pflicht sei dem Apotheker auch nicht unzumutbar. „Da der Basistarif dem Umfang der der gesetzlichen Versicherung entspricht, sind für den Kläger als Apotheker diese Abrechnungsfragen tägliches Geschäft und er weiß, welche Kosten erstattungsfähig sind und kann das Risiko beurteilen“, heißt es im Urteil.

Vorliegend hatte eine Mitarbeiterin des Apothekers das Arzneimittel abgegeben – doch auch dies muss sich der Kläger dem Urteil zufolge zurechnen lassen. Diese Wissenszurechnung erfolge aufgrund der „Wissensverantwortung“ des Klägers als Apothekeninhaber. „Er hat die Pflicht, das in der Organisation vorhandene Wissen ordnungsgemäß zu organisieren“, so das Gericht. 

Urteil des Landgerichts Bremen vom 10. Oktober 2018, Az.: 1 O 1524/17 



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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6 Kommentare

Mehrkosten Basistarif

von Dr. med. Lutz Maubach am 20.06.2019 um 10:54 Uhr

Ich habe keinerlei Bedauern für ach so 'arme' / verarmte Patienten die 'unverschuldet' in den Basistarif rutschen. Haben ebendiese doch zuvor alle scheinbaren Vorteile der Privatversicherung ('Patient erster Klasse') gerne mitgenommen. Zu diesem Zeitpunkt konnten sie offenbar noch selbstverantwortlich Versicherungstarife mit vereinbarten Leistungen handeln. Der Frittenbudenbesitzer als 'Geschäftsführer' mit 2000€ brutto Einkommen entzog sich auf Kosten der GKV-Versicherten der Solidargemeinschaft . Dass nun ein Apotheker die Mehrkosten für Glivec tragen muß ist eine Ungerechtigkeit sonder gleichen. Hoffentlich geht er in Revision, denn dem PKV-Versicherten ist zu unterstellen, dass er in betrügerischer Absicht den Apotheker eben bewusst nicht über seinen Basistarif informierte.
Und für diese Sache auch noch dem Arzt die Verantwortung übergeben zu wollen, ist doch wohl das Allerletzte. Privatversicherte haben sich selbst egoistisch und eigenverantwortlich dem SGB V entzogen. Sollen Sie die Suppe auch bis zum Ende auslöffeln!

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SGB V §129

von Michael Melms am 23.02.2019 um 10:38 Uhr

Gibt es mittlerweile eine Vereinbarung zwischen DAV und PKV zum aut-idem-Austausch? Bisher (meiner Kenntnis nach) gilt die aut-idem-Regelung nur in der GKV (SGB V §129)
https://www.aerztezeitung.de/praxis_wirtschaft/w_specials/special-versicherungen/article/978557/arzneimittel-pkv-fordert-gleiche-rechte-gkv.html?sh=1&h=617113988

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Die Apotheke ist immer der Dumme

von ratatosk am 21.02.2019 um 10:08 Uhr

Unglaublich wie hier mit Winkeladvokatie die Apotheken geprellt werden. Denn man muß dann für jede private Versicherung jeden Tarif im Prinzip kennen, sonst kann man mit sowas in Konkurs gehen.
Die gewollte Schädigung der Apotheke zeigt sich ja darin, daß hier nicht die Praxis belangt wird, die zum einen den Tariff des Patienten kennt und dann zum anderen ein Generikum einfach verordnen kann. Wir sind hier kein Rechtsstaat in diesem Bereich mehr. Es fehlen grundlegende Zuordnung der Verantwortlichkeiten, nur weil Gesetze und Verordnungen erlassen werden, ist das falsch und verletzt die übergeordneten Rechtsstaatsprinzipien die in D mal gegolten haben und im Grundgesetz verankert sind.
Es wäre auch sehr einfach, eine Verordnung zu erlassen die die Praxen verpflichtet, einen Aufdruck wie , Basistarif, nur die 3 billigsten Präparate abzugeben - und gut wäre es. Ansonsten hat die Politik ja auch keine Probleme Unmengen an Verordnung zu erlassen. Daß hier nichts geschieht zeigt den Willen zur Schädigung der Apotheken oder einfach Unfähigkeit.

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Was ist mit dem Arzt?

von Stefan Schwenzer am 21.02.2019 um 9:23 Uhr

Kenne das Urteil nicht im Detail, aber: Wenn für den PKV Basistarif die Regeln des SGB V zur Erstattung gelten, muss geprüft werden, ob auch Paragraf 73 Abs. 5 Satz 3 gilt. Danach muss der Arzt den Versicherten bei der Verordnung auf Mehrkosten hinweisen. Hat er hier seine Pflichten verletzt, trifft ihn zumindest eine Teilschuld.

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Deswegen

von Karl Friedrich Müller am 20.02.2019 um 14:16 Uhr

Rechne ich nicht mit der PKV direkt ab.
Noch eine Stelle, die einen über das Ohr haut und die Gerichte machen wie immer mit.
Lieber warte ich, bis der Versicherte sein Geld hat und er es mir dann überweisen kann.
Da gab es noch nie Probleme

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Revision

von Michael Mischer am 20.02.2019 um 8:53 Uhr

Hoffentlich hat der Kollege eine ausreichende Rechtschutzversicherung, um hier in Revision gehen zu können. Die Eigenverantwortung des PKV Versicherten für die Organisation seines Krankenversicherungsverhältnisses kann ja nicht beim Basistarif enden. Der Hinweis zu den Generika muss schon vom PKV Versicherten ausgehen und eine Haftung der Apotheke nur entstehen, wenn dieser Hinweis ignoriert wird.

Da auch ein Lamdgericht irren kann, wäre es gu, hierzu die Meinung des OLG zu wissen.

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