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Schließungen, hohes Durchschnittsalter
Die Ausdünnung des Apothekenmarktes – am Beispiel des Landkreises Kassel
Die Apothekenzahlen sind seit Jahren rückläufig. Zuletzt meldete die ABDA Anfang Februar 19.423 Apotheken. Wie bedrohlich die Lage in manchen Regionen werden könnte, zeigt sich am Beispiel des Landkreises Kassel: Denn dort könnte die Apothekenversorgung in den kommenden Jahren ausdünnen. Nach Angaben des Hessischen Apothekenverbandes gibt es dort neben dem Faktor Schließungen überdurchschnittlich viele Apothekeninhaber, die sich dem Rentenalter nähern und einen Nachfolger suchen.
Bundesweit geht die Zahl der Apotheken seit Jahren zurück. Im Kreis Kassel, einer ländlich geprägten Region, könnte dieser Trend in den kommenden Jahren aber besonders deutlich ausfallen. Wie die Hessisch Niedersächsische Allgemeine Zeitung (HNA) mit Berufung auf den Hessischen Apothekerverband (HAV) berichtet, liegt die Apothekendichte im Kreis Kassel schon jetzt leicht unter dem Durchschnitt der anderen hessischen Landkreise. Gleichzeitig liege das Alter der Apothekeninhaber leicht über dem hessischen Durchschnitt von fast 63 Jahren.
Ein gutes Drittel der 53 Inhaber im
Landkreis Kassel (knapp 237.000 Einwohner) werde in den nächsten zehn Jahren
das Rentenalter erreichen. Diese Angaben bestätigte die Pressesprecherin des
Verbandes, Katja Förster, gegenüber DAZ.online. In diesem Zusammenhang verwies sie
auf eine hessenweite Versorgungsstudie mit Zahlen aus
dem Jahr 2014, nach der die medizinische
Versorgungsdichte im Landkreis Kassel schon damals vergleichsweise niedrig war.
So lag die Apothekendichte mit 3.970 Einwohnern pro Apotheke leicht unter dem
hessischen Durchschnitt der Landkreise (3.947 Einwohner pro Apotheke). Auch die
Haus- und Facharztdichte lagen im Landkreis Kassel unter dem hessischen
Durchschnitt.
Sieben Schließungen, eine Eröffnung
Dass der Trend nach unten geht, zeigen auch die Daten der Neueröffnungen und Schließungen aus den vergangenen Jahren: Denn in absoluten Zahlen der hessischen Landesapothekerkammer zeigt sich, dass es von 2015 bis 2018 im Kreis Kassel sieben Schließungen von Apotheken, aber nur eine Neugründung gab. Bei der Apothekendichte hat sich die Lage im Landkreis seit 2014 somit weiter verschärft: Denn rein rechnerisch muss jetzt eine Apotheke rund 4470 Menschen versorgen. Zum Vergleich: Die bundesweite Apothekendichte liegt derzeit bei etwa 4200 Einwohner pro Apotheke.
Und auch in der kreisfreien Stadt Kassel geht der Trend in absoluten Zahlen nach unten: Laut hessischer Apothekerkammer
kam es von 2015 bis 2018 zu sechs Apothekenschließungen, aber nur zu einer
Neugründung. Aktuell gibt es dort, wie im Landkreis, 53 Apotheken. Die Versorgungsdichte ist in der Stadt Kassel aber besser. Die oben genannte Studie belegt, dass die Apothekendichte
von 3.312 Einwohnern je Apotheke schon 2014 die höchste der kreisfreien Städte
in Hessen war. Auch die Haus- und Facharztdichte der Stadt Kassel lagen damals noch weit über
dem Durchschnitt der kreisfreien Städte in Hessen. Durch die hinzu gekommenen Schließungen ist die Apothekendichte jedoch auch in der Stadt Kassel gesunken und liegt nun bei etwa 3700 Einwohner pro Offizin.
Kammer: Apotheken hängen von Ärzten ab
Eine wesentliche Ursache für die Ausdünnung mit Apotheken im ländlichen Raum sieht HAV-Sprecherin Förster darin, dass auf dem Land auch die Zahl der Ärzte seit Jahren abnimmt. Für Apotheker gebe es aber eine massive Abhängigkeit von vor Ort niedergelassenen Ärzten. „80 Prozent der Umsätze machen die Apotheken mit verordneten Arzneimitteln“, so Förster. Viele Jung-Apotheker, so Förster, würden außerdem das Angestelltenverhältnis der Selbstständigkeit vorziehen und weder eine Apotheke gründen, noch übernehmen wollen. Stattdessen würden sich viele für eine Tätigkeit in der Pharmaindustrie entscheiden - „das ist ein Problem.“
Der Verband selbst sieht nur begrenzte Möglichkeiten, die Lage in der Fläche zu verbessern. „Wir können ja keine Apotheken auf das Land bringen“, sagt Förster gegenüber DAZ.online. Die Sprecherin verweist allerdings auf bundesweit laufende Projekte, die zu einer Verbesserung der Situation beitragen sollen. Dazu zähle die Kampagne „Unverzichtbar, sichere Perspektive für junge Apotheker“, die die Bedeutung der Vor-Ort-Apotheken betont und von Landräten und Bürgermeistern aus ganz Deutschland unterstützt wird. So auch von Uwe Schmidt, dem Landrat im Kreis Kassel. „Für uns sind Apotheken ein ganz wichtiger infrastruktureller Faktor“, stellte Harald Kühlborn, Sprecher des Landkreises Kassel, gegenüber der HNA fest. „Sie erfüllen eine Beratungsfunktion für den Bürger. Das Internet leistet dies nicht.“ Mit der Teilnahme an der Plakatkampagne wolle man die Menschen in den Orten für das Thema sensibilisieren.
Für einen wichtigen Baustein hält Verbandssprecherin Förster auch die im vergangenen Jahr durch die Apothekerverbände Saarland, Rheinland-Pfalz, Hessen und Thüringen zusammen mit dem Apothekenrechenzentrum Darmstadt entwickelte digitale Rezeptsammelstelle. Im Gegensatz zu den vielfach auf dem Lande vorhandenen traditionellen Rezeptsammelbriefkästen biete die digitale Version den Vorteil, dass Rezepte deutlich schneller bearbeitet und die Arzneimittel an die Patienten ausgeliefert würden.
Verordnungen fotografieren
Ein weiteres Hilfsmittel zur Sicherung der ländlichen Versorgung mit Arzneimitteln stellt laut Förster die App Apojet dar, die ebenfalls in Kooperation des HAV und des Apothekenrechenzentrums Darmstadt entwickelt worden sei. Dabei könnten Patienten durch das Scannen eines Barcodes mit ihrem Smartphone ihre Stammapotheke festlegen, an die Vorbestellungen übermittelt werden sollen. Erhalten sie eine Verordnung, könnten sie diese mit ihrem Smart Phone fotografieren und an ihre Stammapotheke übermitteln. Auch Text- und Sprachnachrichten könnten gesendet werden. Die Apotheke antworte umgehend, wann das Arzneimittel abgeholt oder, im Bedarfsfall, nach Hause gebracht werden könne. Die Patienten profitierten so von einer schnelleren Versorgung mit ihren benötigten Arzneimitteln.
Eine Ursache für die Tatsache, dass sich viele Jung-Apotheker nicht mehr selbstständig machen wollen, kann aber auch der Verband nicht beheben – die ordnungspolitischen Rahmenbedingungen. „Es fehlt an Planungssicherheit“, so Förster in der HNA. Durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes aus dem Jahr 2016 zu Rx-Boni seien unfaire Wettbewerbsbedingungen zu Lasten der öffentlichen Präsenzapotheken entstanden. Auch die Unklarheit, wie sich die Vergütung in der Zukunft entwickeln wird, spiele eine Rolle, so die Sprecherin.
1 Kommentar
Einwohnerzahl Stadt Kassel
von Joachim Schulz am 26.02.2019 um 13:26 Uhr
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