Intensivere Kontrollen

FDA will Nahrungsergänzungsmittel-Markt umkrempeln

Remagen - 26.02.2019, 11:30 Uhr

Die FDA will den Markt der Nahrungsergänzungsmittel in den USA stärker regulieren. ( r / Foto: FDA)

Die FDA will den Markt der Nahrungsergänzungsmittel in den USA stärker regulieren. ( r / Foto: FDA)


Der US-amerikanische Markt für Nahrungsergänzungsmittel gilt aus der europäischen Perspektive als regel- und uferlos. Zu dieser Einschätzung ist offenbar auch die vor Ort zuständige US-Arzneimittelbehörde (FDA) gekommen. Sie plant nach eigenem Bekunden eine der bedeutendsten Modernisierungen der Regulierung des Sektors seit mehr als 25 Jahren.

Vor einem Vierteljahrhundert wurde in den USA das Gesetz mit Namen „Dietary Supplement Health and Education Act“ (DSHEA) verabschiedet. Hiernach müssen Nahrungsergänzungsmittel, bevor sie vermarket werden dürfen, als „New dietary ingredients (NDI)“ bei der FDA angezeigt werden, zusammen mit Unterlagen zu ihrer Sicherheit. Eine Zulassung wie bei Arzneimitteln, ist damit aber nicht verbunden. Nahrungsergänzungen, die schon vorher auf den Markt waren, genießen Bestandsschutz.

Jeder vierte US-Amerikaner nimmt Nahrungsergänzungsmittel

Nun macht FDA-Commissioner Scott Gottlieb sich Sorgen, dass seine Behörde mit den rasanten Entwicklungen auf dem Markt nicht mehr Schritt halten kann. Was einst eine 4 Milliarden-Dollar-Industrie mit rund 4.000 Produkten gewesen sei, sei heute eine Industrie im Wert von mehr als 40 Milliarden Dollar mit mehr als 50.000, möglicherweise bis zu 80.000 oder sogar mehr verschiedenen Produkten, legt Gottlieb in einer Erklärung dar

Die Verwendung von Nahrungsergänzungsmitteln mit Vitaminen, Mineralien oder pflanzlichen Bestandteilen sei zu einem festen Bestandteil des amerikanischen Lebensstils geworden. Drei von vier Verbrauchern nähmen regelmäßig solche Produkte ein, bei deren älteren seien es vier von fünf und bei Kindern jedes dritte.

Immer mehr schwarze Schafe

„Wir wissen, dass die meisten Akteure in dieser Branche verantwortungsvoll handeln“, schreibt Gottlieb. „Mit der Popularität von Nahrungsergänzungsmitteln hat aber auch die Zahl der Unternehmen zugenommen, die potenziell gefährliche Produkte vermarkten oder unbewiesene oder irreführende Angaben zu den gesundheitlichen Vorteilen machen.“

Diesem Treiben schaut die FDA nicht tatenlos zu. So hat die Agentur beispielsweise im vergangenen April Maßnahmen ergriffen, um die Verbraucher vor den Gefahren  Nahrungsergänzungsmitteln zu schützen, die reines und hochkonzentriertes Koffein enthielten. Im November erging eine Warnung, keine Stärkungsmittel für Männer aus einer Produktserie mit Namen „Rhino“ zu erwerben, da diese nicht deklarierte, zulassungspflichtige Wirkstoffe vom Sildenafil/Tadalafil-Typ enthielten.

Aktuell seien außerdem zwölf Warnschreiben und fünf Benachrichtigungen an Unternehmen rausgeschickt worden, die über Webseiten oder Social Media-Plattformen mehr als 58 illegale Nahrungsergänzungsmittel vertrieben, mit unbewiesenen Behauptungen zur Verhinderung oder Behandlung der Alzheimer-Krankheit und einer Reihe anderer schwerer Krankheiten einschließlich Diabetes und Krebs.

Neues Schnellwarnsystem

Akteure, die die Anforderungen des Gesetzes nicht einhalten können oder wollen, sollen nun konsequenter zur Verantwortung gezogen werden. Außerdem soll sichergestellt werden, dass Nahrungsergänzungsmittel die Inhaltsstoffe enthalten, die deklariert sind und nichts anderes, und dass sie regelmäßig nach Qualitätsstandards hergestellt werden. Als ersten wichtigen Schritt will die FDA ein Instrument für die schnelle Information der Öffentlichkeit und der Verantwortlichen der Branche einführen, damit illegale Produkte möglichst umgehend nicht weiter hergestellt oder verkauft werden.

Innovationen sollen gefördert werden

Gleichzeitig liegt der Aufsichtsbehörde aber auch die Entwicklung von Innovationen in dieser Produktgruppe am Herzen. Hierzu will die FDA weiterhin eng mit ihren Partnern in der Industrie zusammenarbeiten. Gottlieb berichtet an dieser Stelle von der kürzlichen Gründung des „Botanical Safety Consortiums“, einer öffentlich-privaten Partnerschaft, die „führende wissenschaftliche Köpfe“ aus Industrie, Wissenschaft und Regierung zusammenbringen soll, um wissenschaftliche Fortschritte bei der Bewertung der Sicherheit von pflanzlichen Inhaltsstoffen und Mischungen in Nahrungsergänzungsmitteln zu fördern. 

Umfeld für fundierte Entscheidungen

Auch intern müsse die FDA ihren Gesamtansatz für die Produktgruppe modernisieren und verstärken, so die Überzeugung des FDA-Commissioners. Deshalb hat er kürzlich eine Arbeitsgruppe für Nahrungsergänzungsmittel bei der Agentur eingerichtet, die die internen organisatorischen Strukturen, Prozesse, Verfahren und Praktiken genau analysieren soll. Bereits vor einigen Jahren wurde darüber hinaus das Office of Dietary Supplement Programs (ODSP) gegründet, das zuletzt einen Strategie-Plan für die Jahre 2017 bis 2021 aufgelegt hat. „Wir möchten ein Umfeld schaffen, in dem Verbraucher und Angehörige der Gesundheitsberufe fundierte Entscheidungen treffen können, bevor sie Nahrungsergänzungsmittel empfehlen, kaufen oder verwenden“, fasst Gottlieb die Zielrichtung der Initiativen zusammen. 

Noch keine Gesetzesänderung

Konkrete Änderungen des Gesetzes über Nahrungsergänzungsmittel sind derzeit noch nicht geplant. Es soll jedoch ein öffentlicher Dialog darüber geführt werden, ob weitere Schritte zur Modernisierung des DSHEA erforderlich sind. Einige Interessenvertreter sollen beispielsweise vorgeschlagen haben, über Exklusivitätsregeln für Nahrungsergänzungsmittel nachzudenken und eine Produktlistenpflicht einzuführen. Letztere könnte auch dazu beitragen, die wirksame Durchsetzung des Gesetzes zu erleichtern und neue Mechanismen zur Ermittlung von Akteuren zu schaffen, die die Öffentlichkeit gefährden und das Vertrauen der Verbraucher in die gesamte Branche untergraben, meint Gottlieb.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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