Kammer Niedersachsen

„Wenn ein neues EuGH-Verfahren schiefgeht, bleibt das Rx-Versandverbot“

Hannover - 20.03.2019, 12:55 Uhr

Magdalene Linz leitet am heutigen Mittwoch ihre letzte Kammerversammlung. (s / Foto: Archivbild/AK Niedersachsen)

Magdalene Linz leitet am heutigen Mittwoch ihre letzte Kammerversammlung. (s / Foto: Archivbild/AK Niedersachsen)


Niedersachsens Kammerpräsidentin Magdalene Linz leitet am heutigen Mittwoch in Hannover ihre letzte Kammerversammlung – Linz hatte angekündigt, bei den anstehenden Kammerwahlen nicht mehr zu kandidieren. In ihrem Bericht zur Lage kommentierte Linz – wie gewohnt mit spitzer Zunge – die aktuelle apothekenpolitische Lage. Sie stellte klar, dass es nicht die Apotheker gewesen seien, die vom Rx-Versandverbot abgerückt sind. Und: Sollte ein weiteres EuGH-Verfahren scheitern, müsse man sich auf das Rx-Versandverbot zurückziehen, forderte Linz.

Magdalene Linz führt als Präsidentin eine der größten Apothekerkammern Deutschlands: Die Kammer Niedersachsen hat rund 7000 Mitglieder, mit etwas mehr als 1900 Betriebsstätten hat Niedersachsen die viertmeisten Apotheken in Deutschland. Und auch von der Entscheidungsreichweite ist die Kammer Niedersachsen eine besondere: Im Gegensatz zu den meisten anderen Kammern hat die Kammer Niedersachsen gleichzeitig die Aufsicht über die Apotheken im Land inne.

Doch an der Spitze der Kammer Niedersachsen zeichnen sich einige Personalwechsel ab. Gegenüber DAZ.online hatte Linz im August 2018 bereits angekündigt, dass sie bei den Kammerwahlen in diesem Sommer nicht mehr antreten werde. Linz begründet ihre Entscheidung mit privaten Beweggründen. Nach 19 Jahren Berufspolitik reiche es einfach, so die Kammerpräsidentin. Ihre beiden Apotheken wolle sie gemeinsam mit ihrer Tochter weiterbetreiben, als Delegierte werde sie allerdings nicht mehr kandidieren.

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Linz: Abgeordnete argumentieren „heuchlerisch“

Ihr letzter Bericht zur apothekenpolitischen Lage fiel am heutigen Mittwoch in Hannover wie gewohnt angriffslustig aus. Natürlich beschäftigte sich Linz in erster Linie mit den neuen Apotheken-Eckpunkten aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG). Dass in dem Papier nun die Gleichpreisigkeit enthalten ist, bezeichnete sie als erfreulich und erinnerte daran, dass es den Apothekern immer um das Ende der Ungleichbehandlung gegangen sei. Wichtig sei nur, dass die Lösungen rechtssicher sind, so Linz.

In diesem Zusammenhang attackierte sie mehrere Politiker aus den Regierungsfraktionen. Zur Erklärung: Die ABDA-Mitgliederversammlung hatte im Januar beschlossen, als Reaktion auf die Pläne des BMG fortan in erster Linie das Rx-Boni-Verbot zu fordern und das Rx-Versandverbot zunächst zurückzustellen. Im Anschluss kommentierten unter anderem Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Karin Maag (gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion), dass die ABDA vom Verbot abgerückt sei. Linz bezeichnete dies als „heuchlerisch“. Denn: „Wir haben einen Minister, der das partout nicht will. Wie sollen wir bitte seine Meinung ändern? Das ist nicht unsere Aufgabe, sondern die Aufgabe der Abgeordneten.“

Linz: Deutschland kann das Risiko ruhig eingehen

Dass die Union das Rx-Boni-Verbot nun im SGB V und im Rahmenvertrag verankern will, hält Linz für ein „wichtiges Signal“. Allerdings sei es juristisch „nicht unumstritten“. Dass es – auch mit Blick auf das EU-Vertragsverletzungsverfahren – zu einem zweiten EuGH-Verfahren zum Thema Rx-Preisbindung kommt, hält auch Linz nicht für ausgeschlossen. Eine Wiederaufnahme könne aber auch positive Aspekte haben, so Linz. Denn: „Dann kommt endlich wieder Druck auf den Kessel.“ Dass die Apotheker richtig liegen, begründete die Kammerpräsidentin mit vorangegangenen EuGH-Urteilen.

„Der EuGH hat beispielsweise im Verfahren zum Fremdbesitzverbot klar erklärt, dass die Gesundheitsversorgung Sache der EU-Mitglieder ist.“ Deutschland solle das Risiko eines zweiten Verfahrens daher ruhig eingehen. Und einen Plan B hat Linz auch schon: „Wenn dieses Verfahren schiefgeht, bleibt das Rx-Versandverbot.“

Großes Lob zur freien Apothekenwahl

Die meisten anderen Punkte im neuen Eckpunkte-Papier des BMG begrüßte Niedersachsens Kammerpräsidentin. Beim Thema freie Apothekenwahl sei einiges passiert. Linz bezog sich unter anderem auf die Pläne des BMG, Selektivverträge zwischen Kassen und EU-Versendern zu verbieten oder die Beeinflussung von Versicherten zu verbieten. Auch dass mit der geplanten Apothekenreform vergütete pharmazeutische Dienstleistungen eingeführt werden sollen, findet Linz erfreulich. Sie mahnte aber an, dass man nicht von allen Apotheken sofort die „High-End-Variante“ erwarten könne: „Wir müssen uns da langsam rantasten“, sagte Linz. 

In diesem Zusammenhang kritisierte sie den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach heftig. Lauterbach hatte gesagt, dass die SPD darauf achten werde, dass die Apotheker nicht mehr Geld für die gleiche Leistung bekommen und dass man den Versandhandel in der Fläche brauche. „Ich weiß nicht, wo er lebt, wahrscheinlich nur noch in Berlin. Aber wir sind sehr wohl in der Lage, die Patienten im ländlichen Raum qualifiziert pharmazeutisch zu beraten und zu versorgen.“

AOK: Warum fehlen die Apotheker in der Studie?

Dass die Anpassungen am Apothekenhonorar im zweiten BMG-Papier nun deutlich geringer ausfallen, kritisierte Linz ebenfalls vehement. Während es bei Kliniken und Ärzten in den vergangenen Jahren große Honorarzuwächse gegeben habe, herrsche bei Apothekern und Großhändlern Stagnation. Sie griff daher Minister Spahn an: „Der Minister hat uns gegenüber erklärt, dass er uns das Rx-Versandverbot nicht ‚abkaufen‘ wolle.“ Das sehe durch die Absenkung im zweiten Entwurf nun aber anders aus.

Linz forderte, dass man den Betrag wieder höher ansetzen solle, schließlich gehe es auch darum, dass sich junge Nachwuchsapotheker für eine Apotheke vor Ort entscheiden. Wenn allerdings gekürzt werden müsse, dann aus ihrer Sicht nicht bei den pharmazeutischen Dienstleistungen. Linz dazu: „Dass der Nacht- und Notdienstfonds nicht um weitere 16 Cent gesteigert wird, ist angemessen. Die 100 Millionen Euro für die pharmazeutischen Dienstleistungen sind aber zu wenig. Man sollte wenigstens ein gewisses Wachstum planen.“

Schließlich teilte Linz auch noch gegen den AOK-Bundesverband aus. Der Kassenverband hatte vor einigen Wochen eine Studie zur ambulanten Versorgung präsentiert, in der es auch um die Zufriedenheit der Menschen mit den ambulanten Versorgungseinrichtungen ging – die Apotheken fehlten als einzige Instanz. Zeitgleich veröffentlichte allerdings die AOK Baden-Württemberg die gleiche Studie auf regionaler Basis – mit Apothekenwerten. Und dort zeigte sich, dass die Apotheker bei den Zufriedenheitswerten deutlich vor allen anderen Versorgern liegen. Linz dazu: „Da kann man natürlich auf den Gedanken kommen, dass da etwas mit Absicht verschwiegen wurde.“ Martin Litsch, der Chef des AOK-Bundesverbandes, habe ihr persönlich aber zugesagt, dass zu diesem Thema eine weitere Veröffentlichung folgen solle.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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