Pilotversuch

Frankreich: Antibiotika nur noch in Einzeldosen?

Remagen - 01.04.2019, 11:45 Uhr

Laut Koalitionsvertrag sollen in Frankreich Arzneimittel häufiger nur in Einzeldosen abgegeben werden. Pilotversuche mit Antibiotika sind vielversprechend, aber es gibt juristische Probleme. ( r / Foto: Imago)

Laut Koalitionsvertrag sollen in Frankreich Arzneimittel häufiger nur in Einzeldosen abgegeben werden. Pilotversuche mit Antibiotika sind vielversprechend, aber es gibt juristische Probleme. ( r / Foto: Imago)


In Frankreich wird seit geraumer Zeit über die Abgabe von Arzneimitteln als Einzeldosen diskutiert. Aufhänger ist der Fehlgebrauch von Antibiotika. Ein Pilotversuch hat recht vielversprechende Ergebnisse gebracht, aber es gibt auch ernst zu nehmende Bedenken.

Die französische Gesundheitsministerin Agnes Buzyn ist im Moment ein wenig in der Bredouille. Ihr Präsident Emmanuel Macron hatte in seinem Wahlprogramm vollmundig angekündigt, die Abgabe von Arzneimitteln als Einzeldosen auf den Weg bringen zu wollen, anstelle der mengenmäßig nicht immer so optimalen Fertigpackungen. Dabei dachte man vor allem an Antibiotika und wollte damit deren Fehlgebrauch und die Resistenzentwicklung ebenso wie den Arzneimittelmüll eindämmen.

Und nun? „Es ist technisch kompliziert. Das ist das einzige Problem“, antwortet  Buzyn in einem Interview mit „Le Figaro“ auf den Vorwurf, das Wahlversprechen nicht einzuhalten. Dabei verweist sie vor allem auf die Probleme im Zusammenhang mit der Rückverfolgbarkeit der Medikamente und meint wohl die neuen Anforderungen der Fälschungsschutzrichtlinie.

Modellversuch mit 14 Antibiotika

Schon vor einigen Jahren haben die Franzosen die personalisierte Abgabe von Einzeldosen von Antibiotika getestet. Mit einem Dekret hatte das Gesundheitsministerium Mitte September 2014 einen Modellversuch genehmigt. Damit wurde bestimmten Apotheken erlaubt, 14 Antibiotika als Einzeldosen abzugeben, und zwar zunächst in den Departements Ile-de-France, Lothringen, Limousin und Provence-Alpes-Côte d’Azur. Als Vergleich diente die Abgabe von Fertigpackungen. Das Experiment sollte insgesamt drei Jahre dauern. Nach einem Jahr gab´s dann die erste Bilanz bis November 2015.

Viel weggeworfen

Der Versuch wurde in insgesamt 100 Apotheken durchgeführt. 75 gaben Einzeldosen ab (Studiengruppe), 25 Fertigpackungen (Kontrollgruppe). Von den knapp 1200 Patienten, erhielten während der drei Sessionen von vier aufeinanderfolgenden Wochen  907 eine personalisierte Ration und 278 die handelsübliche Packungsgröße. In 60 Prozent der Fälle passte die Packungsgröße nicht zu der beabsichtigten Therapiedauer. Unter dem Strich wurden zehn Prozent weniger Einzelsoden abgegeben. Rund 13 Prozent der Patienten erklärten, nicht genommene Dosen weggeworfen zu haben.

Deutlich bessere Adhärenz

Die individualisierte Abgabe erwies sich aber nicht nur als vorteilhaft, wenn es um die Kosten für die Krankenversicherung oder die Vermeidung von Arzneimittelmüll geht. Sie wirkte sich auch positiv auf die Adhärenz aus, was so nicht erwartet worden war.

Die Patienten wurden als adhärent eingestuft, wenn sie am Ende der Behandlung keine Dosis mehr übrig hatten. Dies traf in der Kontrollgruppe mit den handelsüblichen Packungen auf rund zwei Drittel der Patienten zu und in der Gruppe mit den angepassten Einzeldosen auf etwa 91 Prozent. 

Die Pharmaindustrie hält von dieser Praxis  nicht sehr viel. Man stehe zwar voll hinter der rationalen Arzneimittelanwendung und der Vermeidung von Arzneimittelmüll, schreibt der Branchenverband Leem, gibt aber gleichwohl zu bedenken, dass damit die Qualität der Arzneimittel, ihre Sicherheit und ihre Rückverfolgbarkeit in Frage gestellt würden, ohne nennenswert zur Vermeidung von Verschwendung beizutragen.

Den schwarzen Peter hat nun Agnes Buzyn. Angesichts der aktuellen Rechtslage sind Zweifel angebracht, dass es ihr gelingt, das politische Vorhaben tatsächlich umzusetzen.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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