Krebspatienten

„Therapie“ mit eventuell krebserregendem Mittel und eine ungeeignete Waage

Essen - 15.04.2019, 09:00 Uhr

Heilpraktiker Klaus R. ist vor dem Landgericht Krefeld wegen fahrlässiger Tötung angeklagt. Patienten verstarben, nachdem R. ihnen das nicht zugelassenen Mittel 3-Bromopyruvat verabreicht hatte. (Foto: picture alliance)

Heilpraktiker Klaus R. ist vor dem Landgericht Krefeld wegen fahrlässiger Tötung angeklagt. Patienten verstarben, nachdem R. ihnen das nicht zugelassenen Mittel 3-Bromopyruvat verabreicht hatte. (Foto: picture alliance)


Klaus R. ist vor dem Landgericht Krefeld wegen fahrlässiger Tötung angeklagt – drei seiner Patienten verstarben nach einer Therapie mit dem nicht zugelassenen Mittel 3-Bromopyruvat. Am vergangenen Freitag sagte er unter anderem aus, seine Patienten nicht explizit darüber aufgeklärt zu haben, dass ein weiteres vermeintliches Krebsmittel womöglich krebserregend ist.

Im Sommer 2016 verstarben drei Krebspatienten, nachdem der Heilpraktiker Klaus R. ihnen Infusionen mit dem am Menschen nicht ausreichend erforschten Mittel 3-Bromopyruvat (3BP) gegeben hatte. Seit vergangenem Jahr ist er der fahrlässigen Tötung angeklagt, kürzlich begann der Prozess vor dem Landgericht Krefeld. An den ersten beiden Verhandlungstagen wurde R. befragt, der angab, bereits monatelang Patienten 3BP als Infusion hergestellt und verabreicht zu haben. Erst bei den verstorbenen Patienten habe es derartige Komplikationen gegeben, sodass er sich diese nicht erklären könne.

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Außerdem hatte ein Amtsapotheker als Sachverständiger die von R. eingesetzte Waage als unzureichend eingestuft – die Staatsanwaltschaft hatte bei Proben teils siebenfache Überdosierungen festgestellt. „Ich halte die Waage für grundsätzlich nicht geeignet“, erklärte er laut dem Onlinemagazin MedWatch vor einer Woche vor Gericht. Die Herstellung von Infusionen müsse unter sterilen Bedingungen zu erfolgen – auch bei Heilpraktikern. „Arzneimittelqualität ist im Grunde genommen unteilbar“, erklärte er. „Es gibt da keinerlei Abstriche. Wenn man es nicht kann, muss man es lassen.“

 „Sie hatten ja alle schon Krebs“

Beim heutigen Verhandlungstag drehte sich die Befragung von R. zunächst um den Stoff Dichloracetat (DCA), den R. seinen Patienten auch per Infusion verabreichte – dieser ist jedoch selbst als möglicherweise krebserregend eingestuft. Das Regierungspräsidiums Darmstadt hatte ein Schreiben an R. gerichtet, in dem es dieses das Mittel als möglicherweise bedenkliches Arzneimittel bezeichnete: Wegen möglicherweise schwerwiegender neurologischer Nebenwirkungen sei es vielleicht sogar als bedenklich einzustufen, erklärte die Behörde. R. erklärte, bei Schulungen sei auf Neuropathien als mögliche Nebenwirkungen eingegangen worden – diese seien jedoch reversibel.

Er habe DCA nur zu Wochenanfang und zum Ende der Woche gegeben. Ihm sei von Vertretern der „biologischen Krebstherapie“ gesagt worden, dass es auf derartige Weise dosiert nicht akkumuliere. „Dass es eine krebserzeugende Potenz haben soll, ist in keiner Weise von denen gesagt worden“, erklärte R. vor Gericht. Seine Patienten hat R. laut seinen Aussagen nicht explizit darüber aufgeklärt, dass das Mittel womöglich Tumore verursachen könne. „Sie hatten ja alle schon Krebs“, erklärte die Verteidigerin des Heilpraktikers.

Take-Home bei 3-Bromopyruvat

Die Staatsanwältin verlas Auszüge aus einer Behandlungsakte eines Patienten, dem R. Rescue-Tropfen nach Übelkeit gab – und dem er eine unter dem Namen „Relief“ angemischte Kombination von Procain mit Natriumbicarbonat verabreichte. Dieses gab er laut Dokumentation „IC“. Die Staatsanwältin wollte wissen, wofür die Abkürzung stehe. „Da muss ich jetzt selber überlegen, was ich da geschrieben habe“, erklärte. R. zunächst – bevor er angab, dass es für „intrakutan“ stehe.

Zu „starke“Qualität

Vor Gericht wurden auch WhatsApp-Nachrichten zwischen R. und einer Patientin vorgelesen. Sie berichtete über Nebenwirkungen, nachdem sie sich selbst Infusionen gegeben hatte. „Darf ich Dich stören – ich habe heute meine Infusion gestartet“, schrieb sie am 27. Juli 2016, ihrem Geburtstag, und erwähnte Jucken in der Zunge und im Hals. „Ich fühle mich überhaupt nicht gut“, schrieb die Patientin: Die Infusion fühle sich anders an als frühere. „Bitte stoppe die Infusionen“, schrieb der Heilpraktiker – vielleicht sei die Dosis zu hoch oder die Qualität „stärker“.

Dass R. seinen Patienten 3BP mit nach Hause gegeben hat, war auch schon zuvor vor Gericht thematisiert worden. Der Amtsapotheker hatte dies als unzulässig angesehen. Zuständige Aufsichtsbehörden hätten es laut der Staatsanwaltschaft Krefeld jedoch nicht als illegales Inverkehrbringen von Arzneimitteln angesehen, da es sich um den Wirkstoff gehandelt habe – nicht um Infusionen, welche es erst zu einem Arzneimittel gemacht hätten.

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Am kommenden vierten Verhandlungstag soll es um die Betroffenen gehen, das Gericht hat Zeugen und Sachverständige geladen. Aktuell sind sechs weitere Prozesstage angesetzt.

Anmerkung der Redaktion: Die ursprüngliche Überschrift „Heilpraktiker behandelte bei Übelkeit mit Rescue-Tropfen“ und das Bild der Rescue-Tropfen wurden geändert. Nach Ansicht des Herstellers verknüpft der Artikel Rescue unverhältnismäßig mit dem eigentlichen Sachverhalt, dass Patienten mit dem nicht autorisierten Mittel 3-Bromopyruvat behandelt wurden, indem das Produkt/Marke prominent in der Überschrift erwähnt und abgebildet wurde. 



Hinnerk Feldwisch-Drentrup, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Anfrage

von Züchner Barbara am 16.04.2019 um 17:25 Uhr

Warum in diesem Zusammenhang die bachblüten Tropfen zusehen sind möchte ich gerne wissen

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