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Er hat was, der Entwurf für ein Apothekenstärkungsgesetz: Feste Rx-Preise für alle, auch für EU-Versender, die Strafe kassieren, wenn sie nicht mitspielen. Dann bringt das Gesetz mehr Nachtdienst- und Doku-Honorar mit. Und auch echte Chancen, zum Beispiel bezahlte Dienstleistungen, (sogar ein Modell für impfende Apotheker). Oder Botendienst auf Kundenwunsch, auch nach telefonischer Beratung. Und ein klares Automatenverbot. Aber im Entwurf steckt auch Toxisches. Zum Beispiel das Aus fürs Rx-Versandverbot und das Ja der Regierung zur EuGH-Entscheidung: Rx-Versand soll’s geben, auch von ausländischen Versendern mit und ohne Apo. Das schmerzt.
8. April 2019
Jetzt liegt er auf dem Tisch, der Entwurf für ein Gesetz, das, wie sein Name sagt, die Apotheken stärken soll. Tut es das? Stärkt es uns von innen heraus, ist es eine echte Aufbauspritze oder ist das alles ein bisschen dekorative Kosmetik, die bald abblättern wird und eine kränkelnde Apothekenlandschaft in Richtung Siechtum treibt? Also, das einzig Wahre, das Rx-Versandverbot, steht nicht drin. Spahn will es nicht, hält es nicht für umsetzbar und die ABDA hat da schon ihr Plazet gegeben. Aus die Maus. Klar, hätten wir einen mutigeren Gesundheitsminister, hätten wir eine kämpferische ABDA – es hätte ein Versuch sein können, hart zu bleiben bis hin zum EuGH. Hätte, hätte… Jetzt soll es einen anderen Weg geben, um die Gleichpreisigkeit der Rx-Arzneimittel beizubehalten: Der Rahmenvertrag soll regeln, dass sich die abgebenden deutschen Apotheken und ausländischen Versender an die festgesetzten Preis und Preisspannen halten müssen. Wer dagegen verstößt, zahlt bis zu 50.000 Euro Strafe und darf nicht mehr liefern. Mein liebes Tagebuch, das mag in Deutschland funktionieren, aber wie sieht es mit einem niederländischen Versender aus, der sich nicht an den Rahmenvertrag halten will? (Die Kammer Nordrhein erinnert sich sicher, wie schwer es war und ist, Geldstrafen von DocMorris einzutreiben.) Und was ist mit Privatpatienten, deren Belieferung nicht vom SGB V erfasst ist? Das sieht nach Diskussionsbedarf aus.
Dann steht da noch im Gesetzentwurf, dass ein Passus im § 78 AMG gestrichen werden soll, was bedeuten würde: EU-Versandapotheken werden nicht mehr der Arzneimittelpreisverordnung unterstellt. Und das heißt: Die Bundesrepublik erkennt die Entscheidung des EuGH vom 19. 10. 2016 zum Rx-Versand an und richtet sich danach. Mein liebes Tagebuch, das schmerzt, heftig! Denn damit ist das Rx-Versandverbot offiziell vom Tisch. Außerdem gibt’s ein weiteres Zugeständnis an die ausländischen Versender: Die Liste der Länder, aus denen Versand nach Deutschland zulässig ist, wird gestrichen. Das heißt, ob die Versender nun eine echte Apotheke sind oder nur ein Versandlager, ist wurscht. Mein liebes Tagebuch, das hat doch wirklich nichts mit einer Stärkung unserer Apotheken zu tun. Im Gegenteil.
Aber es gibt natürlich einige gute Ansätze im Gesetzentwurf: Das Stärkungsgesetz bringt honorierte Dienstleistungen mit. Wie schön, mein liebes Tagebuch, wollten wir das nicht schon lange? Klingt super, ich mag Dienstleistungen, passt zum Heilberuf Apotheker. Könnte uns wirklich was bringen, auch für unser Selbstbewusstsein, für unser Standing. Finanziert werden sollen sie über eine Fondslösung, ähnlich wie beim Nachtdienstfonds. Was in den Fonds fließen soll und was somit letztlich für uns dabei herausspringt, wird wohl eher nicht der große Bringer. Auch wenn der Gesetzentwurf nun doch die geplante Vergütung für die Dienstleistungen etwas angehoben hat. Was abzusehen ist: Es wird zähe Verhandlungen mit der GKV um die honorierten Dienstleistungen geben, die Kassen werden um jeden Cent ringen. Meine Prognose: Wir werden Dienstleistungen anbieten dürfen, honoriert für Stundensätze, die weit unter denen im Handwerk liegen. Tja, und bis jetzt wissen wir noch gar nicht, um welche Dienstleistungen es sich handeln wird. Unsere Bundesapothekerkammer hat noch keinen fertigen Katalog in der Schublade, wie auch, kam doch alles so plötzlich, gell? Was abzusehen ist: Dienstleistungen werden nicht alle Apotheken anbieten wollen und nicht können. Wird sich die Apothekenlandschaft aufspalten? Und trotzdem, bei allen Schwierigkeiten: Es ist eine Chance, die so schnell nicht wieder kommen wird.
Worüber es wohl nichts zu diskutieren gibt: Das Stärkungsgesetz stärkt uns mit mehr Geld für den Nachtdienst und für die BtM-Doku. Mein liebes Tagebuch, ist in Ordnung, das haben wir uns verdient.
Klare Ansage im Gesetzentwurf ist das deutliche Nein zu Arzneimittelautomaten wie beispielsweise der von DocMorris in Hüffenhardt. Das BMG ist wild entschlossen, alles, was in diese Richtung geht, zu verbieten, also keine unzulässige Form der Arzneimittelabgabe, egal was sich DocMo und Konsorten dazu noch ausdenken. Es darf nur die Vor-Ort-Apotheke und, ja, den klassischen Versandhandel geben, sonst nichts. Finden wir gut, mein liebes Tagebuch.
Was auch mit dem Stärkungsgesetz kommen soll: Die Temperaturvorschriften müssen während des Arzneimitteltransports eingehalten werden – da müssen sich die Versender wohl etwas einfallen lassen.
Und zum Botendienst: Er soll nicht nur im Einzelfall, sondern grundsätzlich auf Kundenwunsch zulässig sein. Und wenn die Beratung vorher oder durch Telekommunikation erfolgt, muss der Apothekenbote nicht unbedingt zum pharmazeutischen Personal gehören. Mein liebes Tagebuch, das sind klare Ansagen, ich sehe darin mehr Chancen, gegen den Versandhandel zu punkten. Mein liebes Tagebuch, mir ist natürlich klar, dass dies nicht alle für gut befinden, denn die Botenzustellung kostet. Aber auch hier wieder: Eine Apotheke hat die Chance, ihren Kunden das anzubieten, sie muss nicht.
Was sich auch im Apothekenstärkungsgesetz versteckt: Es sollen Modellprojekte zur Durchführung von Grippeschutzimpfungen durch Apotheker durchgeführt werden können. Man will schauen, ob sich die Impfquote dadurch verbessern lässt. Mein liebes Tagebuch, Spahn meint es Ernst damit! Ehrlich gesagt, mir gefällt diese Lösung. So könnte es was werden. Bisher hat sich die ABDA bei diesem Thema geziert. Um Krach mit den Ärzten zu vermeiden, will die ABDA nicht von sich aus das Impfen fordern. Allerdings, so war im Subtext zu lesen, man wolle sich solchen Versuchen nolens volens nicht verschließen, wenn sie denn von oben gewünscht sind. Ja, also, liebe ABDA, man darf sich Herrn Spahn in dieser Sache doch nicht verwehren!
Außerdem, noch ein weiterer Stärkungsschluck für uns Apothekers: Wir sollen bei Chronikern Wiederholungsrezepte beliefern dürfen.
Übrigens: Rückenstärkung für Apotheker, die sich eine Grippeimpfung in ihrer Apotheke vorstellen können, kommt vom CDU-Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden des Gesundheitsausschusses, Erwin Rüddel. Er ist überzeugt, dass die Kompetenz bei Apothekern da ist und dass sich die Versorgungslage dadurch verbessert. Rüddel sieht auch Chancen durchs E-Rezept – für die Vor-Ort-Apotheke. Sehen wir auch, mein liebes Tagebuch, wenn die Vor-Ort-Apotheke die Herausforderung annimmt und die Arzneimittel z. B. noch am gleichen Tag liefert.
9. April 2019
Mein liebes Tagebuch, lass uns mal mit ein paar Tagen Abstand auf den Gesetzentwurf zur Stärkung der Apotheken schauen. Er hat deutliche Macken, ja, noch ist nicht alles ausdiskutiert, es gibt Fragen. Aber, wie gesagt, es wird nichts nützen, dem Rx-Versandverbot nachzutrauern. Und man hätte sich mehr Honorar vorstellen können. Was uns jetzt angeboten wird, reicht hinten und vorne nicht.
Weil wir unseren Beruf lieben, an ihn glauben, sollten wir aber nach vorne schauen. Da zeigt sich dann: Es wäre nicht fair, den Entwurf zu zerreißen, es gibt durchaus positive Ansätze, es blitzen Chancen auf, es ist Zukunftsträchtiges dabei. Es kommt jetzt nur darauf an, was man daraus macht, wie und worüber man weiter miteinander redet.
10. April 2019
Wie reagiert eigentlich die ABDA auf den Gesetzentwurf? Unzufrieden ist sie nicht, die Richtung stimmt, meint der ABDA-Präsident, aber er sieht Verbesserungspotenzial. So isses. Hört man in die Politik hinein, gibt es weitgehend Zustimmung. Der CDU-Politiker Hennrich erkennt Perspektiven, die FDP-Politikerin Aschenberg-Dugnus sieht Licht und Schatten und die Linke-Politikerin Gabelmann kann die Abkehr vom Rx-Versandverbot nicht verwinden. Ach ja, die Hausärzte, ja, die sind sauer, wegen möglicher impfender Apotheker. Hätte uns verwundert, mein liebes Tagebuch, wenn sie Freudentänze aufführen würden.
Aber zum Thema Impfen in der Apotheke spürt man einen Frühlingshauch, es zieht ein Umdenken durch die Landschaft. Sogar der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach kann sich impfende Apotheker vorstellen, allerdings nur unter „ärztlicher Anleitung“. Was er sich darunter vorstellt, hat er nicht verraten. Was ihm außerdem am Gesetzentwurf missfällt: Dass die Apotheker die Fondseinnahmen für ihre Dienstleistungen selbst verteilen dürfen. Na, mein liebes Tagebuch, da soll er sich mal keine Sorge machen, so einfach wird das nicht gehen, da werden noch einige mitreden wollen.
11. April 2019
Nochmal zum Gesetzentwurf zur Apothekenstärkung: ABDA-Vertreterin Claudia Korf ließ wissen, dass wir Apothekers aus Sicht der Krankenkassen mit diesem Entwurf einen Riesen-Lobbyerfolg erzielt haben. So kann man’s auch sehen, mein liebes Tagebuch. Korfs Meinung zum Entwurf: Er ist eine Arbeitsgrundlage, an den Formulierungen müsse man noch arbeiten. Genau, und darauf kommt’s jetzt an. Und was das Rx-Versandverbot betrifft, ist sie Realistin: Spahn hat sich dagegen positioniert, in der Regierung wird sich keine Mehrheit dafür finden. Mein liebes Tagebuch, so ist das mit der Demokratie und den Mehrheiten.
Was soll man davon halten, mein liebes Tagebuch: Die Techniker Krankenkasse hat ein Modellprojekt zum E-Rezept am Laufen, das bereits in der Testphase ist. Mit von der Partie sind ein DocMorris-Schwesterunternehmen, das auf Abrechnungslösungen bei Versandapotheken spezialisiert ist, und die Wandsbeker Adler-Apotheke. Das E-Rezept läuft über eine Handy-App und funktioniert technisch. Die TK will nun anderen Krankenkassen anbieten, in ihr E-Rezept-Modell einzusteigen. Während da im Norden schon kräftig experimentiert wird, müht sich die ABDA im Süden, in Baden-Württemberg, um ein eigenes Projekt, das allerdings erst im Juni starten soll. Wir erinnern uns: Spahn sagte, dass er so schnell wie möglich das E-Rezept will. Mein liebes Tagebuch, kriegen wir gleich mehrere E-Rezepte? Wird das ein Digitalsalat der besonderen Art. Oh weh, wenn das E-Rezept jetzt vergeigt wird, dann Gute Nacht.
12. April 2019
Vorösterliche Überraschung! Johann-Magnus von Stackelberg, Vizechef beim GKV-Spitzenverband, sagte bei der öffentlichen Anhörung zum Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV): „Die Importförderung ist überholt.“ Mein liebes Tagebuch, das ist eine klare Aussage. Und eine Kehrtwende, denn bisher hatte er noch an diesem Relikt festgehalten. Vielleicht gibt es nun doch noch einen Durchbruch und die Importförderung gehört bald der Vergangenheit an, zumal auch wir Apotheker, die Ärzte und die Pharmaindustrie dagegen sind. Vermutlich sind die Importeure die einzigen, die Importförderung noch toll finden.
Um bei diesem Thema zu bleiben: Auch im Bundestag gibt es immer mehr Gegner der Importförderklausel. Nach der Linken und der AfD schaut sich nun auch die FDP die Vorgänge um die Importarzneimittel an. In einer Kleinen Anfrage weisen die Liberalen auf den Lunapharm-Taskforce-Bericht hin, in dem die Streichung der Förderklausel empfohlen wird. Die FDP bohrt noch tiefer: Sie will von der Bundesregierung wissen, was innerhalb der Regierung zu diesem Thema läuft und bezieht sich dabei auf einen Bericht in DAZ.online. Mein liebes Tagebuch, da geht es um eine „geheime“ Infoveranstaltung des saarländischen Importeurs Kohlpharma zusammen mit Eurimpharm für Spitzenpolitiker aus dem Saarland – die Medien hatten keinen Zutritt. Die FDP will wissen, ob es Kontakte oder Kontaktversuche mit dem Bundesgesundheitsminister und andere Personen aus dem BMG gegeben habe, um eine Streichung der Importförderklausel zu verhindern. Gute Frage! Vermutlich wird man keine befriedigende Antwort dazu bekommen. Aber der gesunde Menschenverstand zählt hier eins und eins zusammen. Und mal ganz nüchtern betrachtet: Nahezu alle (Pharma, Apotheker, Krankenkassen, Gesundheitspolitiker) sind der Auffassung, dass eine Importförderklausel aus vielerlei Gründen verzichtbar ist, keinen Sinn mehr macht. Das können doch auch die saarländischen Politiker nicht ignorieren.
14 Kommentare
Zerspanen
von Reinhard Rodiger am 15.04.2019 um 14:46 Uhr
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AW: Zerspanen
von Conny am 15.04.2019 um 16:21 Uhr
Versender
von Dr.Diefenbach am 15.04.2019 um 10:56 Uhr
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AW: Versender
von Anita Peter am 15.04.2019 um 11:47 Uhr
Das RxVV ist unumgänglich
von Karl Friedrich Müller am 15.04.2019 um 6:59 Uhr
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.
von Anita Peter am 14.04.2019 um 14:49 Uhr
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Friede, Freude, Eierkuchen
von Karl Friedrich Müller am 14.04.2019 um 14:47 Uhr
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AW: Friede, Freude, Eierkuchen
von Conny am 14.04.2019 um 16:21 Uhr
Die neuen Häppy-go-pharmie-Pillen sind eingetroffen
von Bernd Jas am 14.04.2019 um 11:59 Uhr
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Tja....
von gabriela aures am 14.04.2019 um 10:59 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das „Apitoxinstärkungsgesetz“ ...
von Christian Timme am 14.04.2019 um 10:22 Uhr
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Impfen
von Conny am 14.04.2019 um 8:44 Uhr
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Honorarverbesserungen?
von Ulrich Ströh am 14.04.2019 um 8:36 Uhr
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Impfende Apotheker
von Dr. Jochen Pfeifer am 14.04.2019 um 8:33 Uhr
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