JAMA-Publikationen

Hilft Vitamin D bei Darmkrebs?

Berlin - 15.04.2019, 07:00 Uhr

Neuen Studienergebnissen zufolge könnte Vitamin D positive Effekte für Darmkrebspatienten haben. (Foto: imago)

Neuen Studienergebnissen zufolge könnte Vitamin D positive Effekte für Darmkrebspatienten haben. (Foto: imago)


Dem Vitamin-D-Hormon werden die verschiedensten Wirkungen zugeschrieben. Doch hilft das „Sonnenvitamin“ wirklich bei Krebs? Zwei aktuelle Studien deuten auf chemopräventive Effekte bei Magen-Darm-Tumoren hin – allerdings erst auf den „zweiten statistischen“ Blick.

Mit Nahrungsergänzungsmitteln gegen Krebs ankämpfen? Die Daten der vergangenen Jahrzehnte geben wenig Hoffnung dazu. So konnten die Vitamine C, A, E oder Selen in randomisierten Studien keinen chemopräventiven Effekt nachweisen.

Ein verbleibender Hoffnungsschimmer könnte Vitamin D sein: Den Ergebnissen zweier Studien zufolge, die im April 2019 im Fachjournal „Journal of the American Medical Association“ (JAMA) veröffentlicht wurden, könnte die zusätzliche Vitamin-D-Gabe positive Effekte für Patienten mit Magen-Darm-Tumoren haben. Die Patientenkollektive sowie die Designs und gewählten Vitamin-D-Dosierungen waren in den beiden Studien SUNSHINE und AMATERASU unterschiedlich.

SUNSHINE: Add-On zur Chemotherapie beim Kolonkarzinom

Bei SUNSHINE handelt es sich um eine Phase-II-Studie aus Nordamerika mit 139 Patienten mit nichtoperablem oder metastasiertem Kolorekatalkarzinom. Die Vitamin-D-Gabe erfolgte begleitend zu einer Chemotherapie, bestehend aus FOLFOX6 (5-Fluorouracil + Leucovorin + Oxaliplatin) plus Bevaciczumab, die in Zyklen mit 14-tägigem Abstand gegeben wurde. 69 Patienten erhielten „Hochdosis“-Vitamin D, und zwar 8.000 Internationale Einheiten (I.E.) während des ersten Chemotherapiezyklus und 4.000 I.E. während der folgenden. 70 Patienten wurden in die Standarddosis-Gruppe randomisiert, deren Teilnehmer 400 I.E. während der Zytostatikabehandlung erhielten. Nach Beendigung der Chemotherapie, was im Median nach 28 bis 30 Wochen der Fall war, wurden die Supplemente abgesetzt. Es gab keine Placebogruppe.

Primärer Endpunkt: Positiver Trend für Hochdosis-Gruppe

Als primären Endpunkt wählten die Wissenschaftler das progressionsfreie Überleben. Ferner wurden die Gesamtmortalität und die Tumoransprechrate ausgewertet. Bei keinem der Endpunkte gab es einen signifikanten Unterschied zwischen den Vitamin-D-Dosierungen. Die Hochdosis-Gruppe zeigte beim primären Endpunkt einen nicht-signifikanten Trend – das progressionsfreie Überleben lag im Median bei 13 statt bei 11 Monaten. Die Wissenschaftler führten eine zusätzliche Analyse durch, bei der sie den primären Endpunkt mit dem Auftreten von Todesfällen kombinierten (multivariable Hazard Ratio). Bei dieser kombinierten Analyse war der Vorteil für die Hochdosis-Gruppe signifikant.

AMATERASU: postoperative Vitamin-D-Gabe

Das Patientenkollektiv in AMATERASU war deutlich heterogener als bei SUNSHINE. Von den 471 Teilnehmern aus Japan, die zwischen 30 und 90 Jahre alt waren, litten 10 Prozent an Speiseröhren-, 42 Prozent an Magen- und 48 Prozent an Dickdarmkrebs. Die Vitamin-D-Gabe erfolgte postoperativ über einen medianen Beobachtungszeitraum von 3,5 Jahren. 251 Patienten erhielten 2.000 I.E. und 166 Placebo. Der primäre Endpunkt, eine Kombination aus rückfallfreiem Überleben oder Tod, verfehlte die Signifikanz. Die Wissenschaftler stellten jedoch fest, dass die Patienten in der Vitamin-D-Gruppe älter waren und führten zusätzlich eine altersadjustierte Analyse durch, bei der sich ein signifikanter Vorteil zugunsten der Vitamin-D-Gruppe ergab.

Hängt Wirksamkeit vom Vitamin-D-Spiegel ab?

Die beiden Vitamin-D-Studien wurden im Editorial der aktuellen JAMA-Ausgabe von einem dreiköpfigen Expertenteam diskutiert. Aus Sicht der Kommentatoren liefern SUNSHINE und AMATERASU wertvolle neue Erkenntnisse, die in größeren Studien bestätigt werden sollten. Beide Studien wiesen diverse Limitationen auf. So sei die Beobachtungsdauer in SUNSHINE zu kurz, das Patientenkollektiv in AMATERASU zu heterogen, die Patientenzahl in beiden Untersuchungen zu niedrig.

Die Experten wiesen auf einen interessanten Nebenaspekt hin: Bei Supplementationsstudien ist es ja häufig so, dass vor allem Patienten mit ausgeprägtem Mangel zu Studienbeginn profitieren. Bei den neuen Darmkrebsstudien ist dies offenbar nicht der Fall. So waren die Effekte auf den primären Endpunkt bei SUNSHINE unabhängig von den Ausgangswerten der Vitamin-D-Spiegel. Bei AMATERASU verlor sich sogar die Signifikanz in der altersadjustierten Analyse des primären Endpunkts bei Serumspiegeln unterhalb von 20 Nanogramm pro Milliliter. Möglicherweise sei die Dosis für die Patienten mit ausgeprägtem Mangel zu niedrig gewählt, spekulierten die Autoren. Allerdings könnten sich die Operation und die schwere Grunderkrankung auch negativ auf den Vitamin-D-Status ausgewirkt haben.



Dr. Bettina Jung, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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