- DAZ.online
- News
- Spektrum
- Erstattung von Homö...
Die Hohe Gesundheitsbehörde (Haute Autorité de Santé, HAS) – quasi das französische IQWiG – soll die Erstattungsfähigkeit von Homöopathika überprüfen. Es geht um nicht weniger als rund 1200 einzelne Mittel. Viele Franzosen schwören auf Hahnemann's Medizin. Die Apotheker haben zur Erstattungsfähigkeit keine einheitliche Position.
In Frankreich wird seit Monaten öffentlich über die Sinnhaftigkeit von Homöopathika debattiert. Nun hat das französische Ministerium für Solidarität und Gesundheit die Hohe Gesundheitsbehörde (Haute Autorité de Santé, HAS) damit beauftragt, den Nutzen der Erstattung homöopathischer Arzneimittel zu bewerten. Ein Dekret, das am 17. März veröffentlicht wurde, legt die Modalitäten der Beurteilung durch die Kommission für Transparenz der HAS fest.
Zu 30 Prozent erstattet
Die
Transparenzkommission soll diejenigen Homöopathika überprüfen, die derzeit
erstattet werden. Das sind rund 1200 einzelne Mittel. In Frankreich werden
Hahnemann'sche Dilutionen, die zu einer Liste von 1163 Stammlösungen gehören, bis
zur Verdünnung C 30 zu 30 Prozent von der Krankenversicherung übernommen. Auch
komplexe homöopathische Magistralrezepturen werden unter bestimmten
Voraussetzungen ebenfalls zu 30 Prozent bezahlt. Präparate mit einem
Markennamen und einer zugelassenen, ausgewiesenen Indikation werden dagegen von
der Krankenversicherung nicht erstattet.
Weiterhin
soll die HAS beurteilen, ob es sinnvoll ist, ein Homöopathikum allein oder in
Kombination mit anderen Arzneimitteln zu verwenden. Daneben soll sie deren Nebenwirkungspotential
sowie ihre Bedeutung für therapeutische Strategien und das öffentliche
Gesundheitsinteresse an der Arzneimittelgruppe in Augenschein nehmen.
Was sind die Kritikpunkte?
Die Nationale Akademie für Pharmazie (Académie Nationale de Pharmacie, ANP) und die Nationale Akademie der Medizin (Académie Nationale de Médecine, ANM) haben zu dem Vorhaben gemeinsam Stellung bezogen. In einer Verlautbarung verweisen sie auf die kritischen Stimmen professioneller und akademischer Gremien und Gruppen, die sich in der allgemeinen Presse und im Internet Gehör verschafft haben. Sie stellen die gesetzliche Ausnahmeregelung in Frage, die für homöopathische Zubereitungen gewährt wird. Danach können die Präparate mit einer einfachen Registrierung ohne Wirksamkeitsnachweis in den Verkehr gebracht werden. Außerdem ist den Kritikern die Erstattung durch die Krankenversicherung ein Dorn im Auge, ebenso wie die Verwendung durch Angehörige der Gesundheitsberufe, wie sie meinen, ohne jegliche Vorbehalte. Auch die ungenaue Information der Öffentlichkeit, die Kennzeichnung und Werbung sowie die Verleihung von Universitätsabschlüssen in der Homöopathie werden bemängelt.
Mehr als die Hälfte der Franzosen verwendet Homöopathika
Diesen Argumenten stehen jedoch Fakten gegenüber, die man nicht ignorieren könne, führen die ANP und die ANM ins Feld. Laut einer aktuellen Schätzung glaubten 72 Prozent der Franzosen an die Vorteile von Homöopathie und mehr als die Hälfte verwende entsprechende Arzneimittel. 43 Prozent der Angehörigen der Gesundheitsberufe verschrieben homöopathische Präparate und in Krankenhäusern würden komplementäre Programme, einschließlich der Homöopathie, eingesetzt, insbesondere als unterstützende Versorgung in onkologischen Zentren und Diensten. Frankreich gilt in der Tat neben Deutschland als Hochburg der Homöopathie in Europa.
Akademien der Pharmazie und der Medizin sagen: ja, aber …
Was
sagen die Akademien der Pharmazie und der Medizin nun dazu? Sie glauben nicht, dass
es der guten Praxis widerspricht, wenn im Rahmen der Versorgung eine
homöopathische Behandlung gewünscht wird und wenn diese eine Diagnose nicht
verzögert oder eine adäquate Therapie verhindert.
Die Erteilung von Universitätsdiplomen für Homöopathie durch die Fakultäten für Pharmazie und für
Medizin lehnen beide jedoch unisono ab. Stattdessen sollte nach ihrer Meinung in den
Studiengängen mehr Wissen hinsichtlich komplementärer Therapien vermittelt werden.
Weiterhin sprechen sie sich dafür aus, dass kein Homöopathikum von der Krankenversicherung
erstattet werden sollte, dessen therapeutischer Nutzen nicht hinreichend
nachgewiesen worden ist.
Apothekergewerkschaften wollen die Erstattung beibehalten
Die französischen Apothekergewerkschaften (Fédération des syndicats pharmaceutiques de France, FSPF) vertreten eine gegenteilige Position. Sie wollen die Erstattungsfähigkeit beibehalten und berufen sich dabei losgelöst von ökonomischen Erwägungen auf die öffentliche Gesundheit: „Die Homöopathie hat ihren Platz im therapeutischen Arsenal und die Mittel werden in 100 Prozent der Apotheken abgegeben“, betont FSPF-Präsident Philippe Besset. Sollten sie dennoch aus der Erstattungsfähigkeit herausfallen, so könnte dies nach den Mutmaßungen der Apothekergewerkschaften trotzdem ohne Verluste für die Apotheken ausgehen. Schließlich würden diese dann aller Voraussicht nach durch erstattungsfähige Präparate ersetzt, die dann allerdings mit mehr Nebenwirkungen behaftet sein könnten als homöopathische Mittel.
Wie geht es weiter?
Für die Beurteilung der Homöopathika durch die HAS werden die Ergebnisse einer umfangreichen Literaturrecherche ausgewertet, darunter mehr als 800 Studien sowie französische und internationale Empfehlungen, außerdem Eingaben der drei betroffenen Pharmaunternehmen und Stellungnahmen der Stakeholder (Gesundheitsberufe, Patienten, etc.). Diese waren schon Ende 2018 eingeholt worden. Die Auswertung soll bis Ende April abgeschlossen werden. Dann folgt eine Anhörung der Stakeholder, bevor die „Opinion“ im Mai 2019 beschlossen werden soll. Nach einer Einspruchsfrist von 10 bis 55 Tagen soll die Position der HAS im Juni 2019 endgültig verabschiedet sein.
2 Kommentare
Korrekt
von Stefan Haydn am 16.04.2019 um 20:04 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Homöopathie Erstattung
von Dr. Edmund Berndt am 16.04.2019 um 17:25 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.