Kommentar

Die Rx-Boni-Debatte ist eine Blamage für die SPD

Berlin - 10.05.2019, 17:50 Uhr

Seit Jahren wirbt die SPD für mehr Gerechtigkeit in der Gesundheitsversorgung und für eine Gleichbehandlung von PKV- und GKV-Patienten. Gleichzeitig fordert sie unterschiedliche Preise für Apothekenkunden. (Foto: imago images / Revierfoto)

Seit Jahren wirbt die SPD für mehr Gerechtigkeit in der Gesundheitsversorgung und für eine Gleichbehandlung von PKV- und GKV-Patienten. Gleichzeitig fordert sie unterschiedliche Preise für Apothekenkunden. (Foto: imago images / Revierfoto)


Dass es in der CDU marktliberale Strömungen gibt, wissen die Apotheker schon länger. Die SPD hingegen ist eine Partei, die eigentlich seit Jahren für das Ende der Zwei-Klassen-Medizin kämpft. In der Arzneimittelversorgung wollen Union und SPD jetzt gemeinsam dafür sorgen, dass sich die Medikamentenpreise für PKV- und GKV-Versicherte unterscheiden. Dass es nun unbedingt die privaten Krankenversicherungen sind, die (auch) die Sozialdemokraten daran erinnern, dass offene Rx-Preise den Verbraucherschutz gefährden, ist für die SPD schlichtweg peinlich, meint DAZ.online-Chefredakteur Benjamin Rohrer.

Dass der CDU-Politiker Jens Spahn auf das EuGH-Urteil zur Rx-Preisbindung reflexartig mit der Aufhebung der Rx-Preisbindung reagieren wollte, dürfte viele Apotheker nicht überrascht haben. Denn Spahn ist bekannt für seinen marktliberalen Ansatz für das Apothekenwesen. Schon in seinen ersten Jahren als Abgeordneter stellte der heutige Minister die Festpreise in Frage. Und über seine gemeinsame Vergangenheit mit DocMorris-Vorstandsmitglied Max Müller wurde genug geschrieben und erzählt. Das alles ist nicht schön, aber es ist bekannt. Die Apotheker wussten, was ihnen blüht, wenn Spahn Minister wird.

Das Verhalten der SPD in der Debatte um die Rx-Preisbindung hingegen ist von Widersprüchen geprägt – spätestens seit der Bundestagswahl 2017. Denn es gab wohl kein Thema, das die Sozialdemokraten im Sommer 2017 so hartnäckig beackerten wie die Zwei-Klassen-Medizin. Man denke nur an die Forderung einer einheitlichen Honorarordnung für Ärzte. Ein Auszug aus dem SPD-Bundestagswahlprogramm: „Bislang werden Privatpatientinnen und -patienten oftmals bevorzugt, da ihre Behandlung höher vergütet wird. Das werden wir beenden. Damit richtet sich die Vergütung medizinischer Leistungen nach dem Bedarf der Patientinnen und Patienten und nicht danach, ob sie privat oder gesetzlich versichert sind.“

Menschen, die sich mit der aktuellen politischen Diskussion im Apothekenmarkt beschäftigen, lässt dieser Abschnitt aus dem SPD-Programm verblüfft zurück. Denn im Apothekenmarkt ist es gerade die SPD, die seit Jahren für Deregulierungen kämpft. Dass mit Lauterbach und Co. das Rx-Versandverbot nicht zu machen war, steht noch auf einem anderen Blatt. Aber dass sich der SPD-Gesundheitsexperte und Jurist Dr. Edgar Franke mit Blick auf das geplante Rx-Boni-Verbot im SGB V noch weitere „wettbewerbliche Möglichkeiten“ wünscht und Karl Lauterbach die Rechtssicherheit des Boni-Verbots hinterfragt, weil dieses wegen des EuGH-Urteils nicht weit genug gehe, erzeugt noch mehr Fragezeichen.

SPD will Preise je nach Gusto des Apothekers

Man versteht die Welt nicht mehr: Ein liberaler CDU-Minister bastelt an der Gleichpreisigkeit, während die Anti-Zwei-Klassen-Medizin-Partei unterschiedliche Preise für Apothekenkunden einführen will. Es kann doch nicht im Interesse einer sozialdemokratischen Partei sein, dass Privatpatienten in der Apotheke niedrigere – oder höhere, je nach Gusto des (Versand-)Apothekers – Preise bezahlen müssen als GKV-Versicherte. Wo ist da die Gerechtigkeit, mit der die Sozialdemokraten seit Jahren hausieren gehen?

Wie bizarr und unverständlich das Verhalten der SPD ist, verdeutlicht die aktuelle Stellungnahme des Verbandes der privaten (!) Krankenversicherungen zum Apotheken-Stärkungsgesetz. Wohl gemerkt: Es handelt sich hier um einen Verband, den man aus Sicht der Sozialdemokraten gar nicht bräuchte. Die Stellungnahme der Privatversicherer liest sich wie ein großes Plädoyer für die Festpreise und die Rx-Preisbindung. Natürlich geht es den PKV-Unternehmen auch ums Geld. Aber sie zeigen (unter anderem der SPD), dass es bei der Frage um Rx-Boni eben doch um die Gesundheit der Menschen geht: „Es sollen die Verbraucher – unabhängig vom Versicherungsstatus – und die Sicherungssysteme im Hinblick auf die Unverzichtbarkeit medizinisch notwendiger Leistungen und das Fehlen der Konsumentensouveränität vor überhöhten Preisen geschützt werden“, heißt es dort mit Bezug auf die Festpreise.

Noch hat die SPD eine Chance sich ehrlich zu machen, indem sie das Gesetzgebungsverfahren zum Apotheken-Stärkungsgesetz nutzt, um eine Aufweichung der Rx-Preisbindung zu vermeiden. Zu erwarten ist das allerdings nicht. Und so bleibt die Frage, ja vielleicht sogar die Vermutung, dass es den Sozialdemokraten in der Rx-Boni-Debatte nicht nur um die Interessen der Patienten ging.

Übrigens: Die Argumente in diesem Kommentar gelten auch für die Grünen.



Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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4 Kommentare

Wer so viel Übung hat ... über die eigenen Füße zu stolpern ...

von Christian Timme am 11.05.2019 um 10:19 Uhr

der wird auch noch den „Endspurt“ bravourös beenden. Wenn die Ampel dann von ... auf ... und ... springt ... sehen die Apothekers aber auch nicht viel besser aus?

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Die Grünen

von Norbert Veicht am 11.05.2019 um 9:29 Uhr

Die Forderung der Grünen, die dezentralen Vertriebsstrukturen und wohnortnahen Arbeitsplätze zu zerstören ist sowieso nur mit massiver Korruption zu erklären. Das ist genauso umweltfreundlich wie die Braunkohlekraftwerke.

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Spahn und Max Müller

von Conny am 10.05.2019 um 18:27 Uhr

Es wurde halt nicht genug geschrieben und erzählt über Spahn und Müller !!!

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Blamage.

von Roland Mückschel am 10.05.2019 um 18:23 Uhr

Die Parteien sind einfach ausgeschämt.
So sagt man bei uns.
Es ist die Unfähigkeit Scham zu empfinden.

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