- DAZ.online
- News
- Spektrum
- Scharmützel wegen der ...
Schweizer Krankenhausapotheker
Scharmützel wegen der Meldung von Lieferengpässen
Die Schweizer Krankenhausapotheker sind vom Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) gerügt worden, weil sie angeblich Lieferengpässe zu wenig anzeigen. Dabei kommen diese gerade im Krankenhausbereich häufig vor. Die Gescholtenen wollen den Vorwurf jedoch nicht auf sich sitzen lassen und bieten dem Bundesamt Paroli.
Die Schweizer Krankenhausapotheker sollen im vergangenen Jahr tagtäglich im Schnitt mit einem Lieferengpass konfrontiert worden sein, schreibt die Luzerner Zeitung und beruft sich dabei auf eine Information des Schweizerischen Vereins der Amts- und Spitalapotheker (GSASA). Nun kritisiere das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL), dass sie die Meldestelle für lebenswichtige Humanarzneimittel praktisch nie über solche Engpässe informierten. So soll die Meldestelle im Jahr 2017 gar keine Meldung aus den Krankenhäusern erhalten haben und in 2018 lediglich sechs. Das gehe aus einem Bericht hervor, der gerade vorgelegt wurde. Meldungen aus den Spitälern seien immer noch selten, heißt es darin. Das sei bedauerlich, und dass die Einbindung der Spitäler „weiterhin eine Herausforderung“ darstelle.
Mehr zum Thema
Neuer Auslandspreisvergleich
Warum Generika in der Schweiz so teuer sind
Beim Verein der Amts- und Spitalapotheker stoße die Kritik indes auf Unverständnis. „Die Spitalapotheker erfahren leider meist erst vom Lieferengpass, wenn dieser bereits Tatsache ist“, verteidigt GSASA-Geschäftsführerin Sara Iten ihre Kollegen. Das sei zu spät, um es dem BWL zu melden. Außerdem umfasse die Liste des Bundes nur die lebenswichtigen Arzneimittel. Bei diesen seien bereits die herstellenden Firmen verpflichtet, Engpässe zu melden, sofern diese länger als zwei Wochen dauern. „Wenn die Industrie dies wie vorgesehen macht, ist der Lieferengpass gemeldet, bevor der Spitalapotheker ihn überhaupt bemerkt“, argumentiert Iten in der Luzerner Zeitung.
Krankenhausapotheker führt eigene umfassende Liste
Auch der Chefapotheker der Spitäler Meiringen, Frutigen und Interlaken Enea Martinelli wehre sich gegen die Vorwürfe des Bundesamts. Martinelli, der eine eigene Liste der fehlenden Medikamente führt, interpretiert die Kritik des Bundes als Retourkutsche. Er moniere seit langem, dass der Bund nur Engpässe bei lebenswichtigen Medikamenten dokumentiert. Die Liste auf seiner Webseite umfasse aktuell 580 Lieferengpässe, fast zehn Mal mehr als die Meldeplattform der Behörden.
Das BWL kenne die Datenbank, die er führe, und könne diese Angaben nutzen, gibt Martinelli an. Das Problem einseitig auf die Spitalapotheker abzuschieben, sei viel zu einfach. Trotz gegenseitiger Kritik betonten der Bund und Martinelli, ihre beiden Engpass-Listen dürften nicht gegeneinander ausgespielt werden. Sie hätten andere Ziele und ergänzten sich.
Bis auf Weiteres keine Meldepflicht für Apotheker
Theoretisch könnte der Bund Spitäler und Apotheken verpflichten, Engpässe zu melden, stellt die Luzerner Zeitung in den Raum. Dies wolle der Schweizer Bundesrat jedoch vorerst nicht. Stattdessen suche das BWL das Gespräch mit dem Verein der Spitalapotheker. Auch dieser sehe durchaus Handlungsbedarf. Die Kommunikation über die Engpässe müsse verbessert und alle Beteiligten besser eingebunden werden.
Mehr zum Thema
Produktion in Europa
Lieferengpässe in der Schweiz – Druck auf Hersteller wächst
Viele Importe, Transparenz-Portal
Wie geht die Schweiz mit Arzneimittel-Lieferengpässen um?
Antiinfektiva, Impfstoffe und Krebsmittel fehlen am häufigsten
Wie aus dem oben genannten Bericht des BWL hervorgeht, wurden auf der Meldeplattform des Bundesamtes im Jahr 2017 insgesamt 72 Meldungen über Versorgungsstörungen von Zulassungsinhabern erfasst und im Jahr 2018 105, wohlgemerkt für eine sehr beschränkte Liste lebenswichtiger Arzneimittel. Am häufigsten von Versorgungsstörungen betroffen waren in beiden Jahren Antiinfektiva (33 Prozent), gefolgt von Impfstoffen (33 bzw. 14 Prozent) und Medikamenten gegen Krebs (22 bzw. 13 Prozent). Neu kamen im letzten Jahr gehäuft Meldungen zu starken Analgetika (11 Prozent) und kardiovaskulären Produkten (10 Prozent) hinzu. Fast drei Viertel der Fälle betrafen Injektionen und Infusionen. Durchschnittlich lag die Dauer des Engpasses für die abgeschlossenen Meldungen bei 121 Tagen (Median 52 Tage). Bei den Ursachen der Versorgungsstörungen standen Distributionsprobleme (47), Wirkstoffmangel (31) und Produktionsunterbrechungen (29) im Vordergrund.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.