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Belgisch-deutsche-Grenzregion
AKW Tihange: Neuer Notfallplan im Kreis Viersen – wohl ohne Apotheken
Der immer wieder durch Mängel auffallende Atomreaktor Tihange 2 ist gerade wieder hochgefahren worden. Grund genug, im rund 100 Kilometern vom belgischen Atomkraftwerk entfernten Kreis Viersen den Notfallplan für den Katastrophenschutz zu überarbeiten. Die Apotheken sind aber offensichtlich bislang nicht mit ins Boot geholt worden – zum Bedauern von Apotheken und Kammer.
Erst Anfang Juli hat der belgische Betreiber den durchaus umstrittenen Reaktor Tihange 2 wieder hochgefahren, an der Maas gelegen, nur rund 60 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Immer wieder macht der bereits seit 1982 arbeitende Meiler Schlagzeilen, sei es wegen der 3150 mittlerweile bekannten feinsten Haarrisse durch Wasserstoffeinschlüsse im Stahlmantel seines Druckbehälters – die laut Betreiber bereits seit der Herstellung 1976 dort und damit harmlos seien, von Gegnern aber als mögliche plötzliche Bruchstellen angesehen werden, oder jüngst wegen gefundener Schäden in verschiedenen Betonelementen des Gebäudes. Elf Monate war der Reaktor daher vom Netz – jetzt läuft er wieder und alle anderen sechs Reaktoren im Nachbarland Belgien (in Tihange und in Doel) ebenfalls.
In der Städteregion Aachen, in relativer Nachbarschaft und im Fall eines GAUs definitiv betroffen innerhalb der sogenannten Außenzone, die einen Umkreis von 20 bis 100 Kilometer rund um das AKW einschließt, macht man sich bereits seit längerem Sorgen. Bereits im Jahr 2017 ließ man vorsorglich hochdosierte Iodtabletten an die Bevölkerung verteilen. Außerdem haben die Stadt und andere Kommunen in der Nachbarschaft bereits mehrfach versucht, auf dem Rechts- und Beschwerdeweg Tihange abschalten zu lassen.
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Sorgen in ganz Nordrhein-Westfalen
Auch etwas weiter entfernt bestehen Sorgen. Ganz Nordrhein-Westfalen ist entweder innerhalb der Außenzone oder in der von möglichem radioaktiven Niederschlag in Fall eines Unfalls wie in Tschernobyl oder Fukushima ebenfalls betroffenen sogenannten Fernzone. Direkt an der Grenze dieser Zonen liegt der Kreis Viersen, nördlich von Mönchengladbach und westlich von Düsseldorf gelegen. Zwei der Kommunen des Kreises, Brüggen und Niederkrüchten, liegen noch in der Außen-, der Rest in der Fernzone. Bei den normalerweise vorherrschenden Wind- und Wetterverhältnissen dürfte man hier im Falle eines GAUs mit radioaktivem Niederschlag rechnen.
Gerade erst hat der Kreis daher seinen „Maßnahmeplan zum Katastrophenschutz in der Umgebung von kerntechnischen Anlagen“ überarbeitet und im Kreisausschuss für Rettungswesen vorgestellt. In dem nicht öffentlich einsehbaren Plan enthalten ist dabei das Konzept wie 330.000 zentral in der Apotheke des Allgemeinen Krankenhauses Viersen gelagerte hochdosierte Iodtabletten im Notfall verteilt werden sollen. „Leider sind die Apotheken vor Ort dabei aber wohl nicht als Ausgabestelle eingeplant“, sagt der Geschäftsführer der Apothekerkammer Nordrhein, Dr. Stefan Derix. Jeder Kreis entscheide das ja unabhängig. „Wir haben dem Kreis Viersen da auch eine Zusammenarbeit angeboten“, sagt Derix. Schließlich habe man bereits sehr gute Erfahrungen in Aachen oder auch im benachbarten Kreis Heinsberg sowie in Mönchengladbach mit den kommunalen Verwaltungen gemacht“, sagt er.
Die Iodtabletten sollen im Fall eines nuklearen Unfalls an Personen bis 45 Jahren und Schwangere in der 100 Kilometer-Zone und an Personen bis 18 Jahren in der darüber hinaus gehenden Fernzone verteilt werden. Sie sollen durch ihre hohe Konzentration des 100- bis 1000-fachen (je nach Alter) der normalen täglichen Ioddosis eine sogenannte „Iodblockade" im Körper errichten. Damit soll in der ersten Zeit nach einem GAU verhindert werden, dass der Körper freigesetzte radioaktive Jod-Isotope aufnimmt und im Körper speichert.
Das unter anderem in Atomreaktoren entstehende radioaktive Jod-131 hat eine Halbwertszeit von acht Tagen, ist also vor allem in den ersten Tagen nach einem entsprechenden Unfall in der Umgebung präsent – und war auch in Tschernobyl und Fukushima nachweisbar. Die Iodblockade durch hochdosiertes KaliumIodid verhindert dabei aber „nur“ die Inkorporation von Iod-131. Gegen weitere Strahlenbelastung oder die vielen anderen dann freigesetzten radioaktiven Elemente schützen die Tabletten nicht.
2 Kommentare
GAU
von Joerg K am 25.07.2019 um 23:42 Uhr
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Globuli, Jod oder Flucht
von Fallout-Boy am 10.07.2019 um 21:38 Uhr
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