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Satire-Kolumne in der TAZ
„Pillenverkäufer“ prahlen rücksichtslos mit pharmakologischer Autorität
„Servicehölle Apotheke“ – wer bei diesem Titel vermutet, dass Apotheken, wie häufig kritisiert, zu wenig beraten, liegt falsch. Der TAZ-Autor, Mark-Stefan Tietze, moniert in seiner satirischen Kolumne „Die Wahrheit“ das genaue Gegenteil. Er empfindet die Beratung der „Pillenverkäufer“ bei seinem Ibuprofen-Kauf als erniedrigend und entmündigend – schließlich kaufe er nicht zum ersten Mal in seinem Leben Kopfschmerztabletten.
Laut Mark-Stefan Tietze sind Apotheken für „wachsame Bürger“ unerträglich. Warum? Den Autor der TAZ stört offensichtlich die Beratung, die Apotheker ihm anbieten. Tietze sieht – so vermittelt es zumindest sein Artikel „Servicehölle Apotheke“ in der TAZ-Satire-Rubrik „Die Wahrheit“ – in der einfachen Apothekerfrage „Sie wissen, wie Sie die (Ibuprofen) einnehmen müssen?“ keinen Dienst am Patienten. Für ihn stellen die „Pillenverkäufer“ damit nur ihre „exquisite Fachberatung in den Vordergrund“ und spielen „rücksichtslos ihre medizinische und pharmakologische Autorität aus“, damit man sie nicht für schlichte „Ladenschwengel“ halte.
Nur Übertreibung oder Ironie?
Nun ist anzumerken, dass die TAZ auf ihrer Satireseite drei Grundsätze verfolgt: „Warum sachlich, wenn es persönlich geht. Warum recherchieren, wenn man schreiben kann. Warum beweisen, wenn man behaupten kann.“ Dennoch dürften die offensichtllich überspitzten Vorwürfe in dem Text beim einen oder anderen Apotheker den Blutdruck steigen lassen. Beim Lesen fragt man sich zum Teil: Ist das jetzt Übertreibung oder Ironie?
Apotheker müssen beraten
Ob der Autor, als eingefleischter Ibuprofen-Kunde, weiß, dass Apotheker in ihrem „piekfeinen Kittel“ gesetzlich dazu verpflichtet sind, zu beraten, bleibt offen. Deshalb hier zur Erinnerung § 20 der Apothekenbetriebsordnung:
Der Apothekenleiter muss im Rahmen des Qualitätsmanagementsystems sicherstellen, dass Patienten und andere Kunden sowie die zur Ausübung der Heilkunde, Zahnheilkunde oder Tierheilkunde berechtigten Personen hinreichend über Arzneimittel und apothekenpflichtige Medizinprodukte informiert und beraten werden. Die Verpflichtung zur Information und Beratung über Arzneimittel muss durch Apotheker der Apotheke ausgeübt werden, ..."
Was eine hinreichende Beratung ist, damit beschäftigte sich unlängst der ABDA-Jurist Arndt Preuschhof. Preuschhof erklärte im Interview mit der TV-Zeitschrift „prisma“, dass hierzu vor allem Neben- und Wechselwirkungen des zu erwerbenden Produkts zählen. „Das erforderliche Ausmaß im Einzelfall liegt im Ermessen des Apothekers.“ Nach Einschätzung des Juristen muss der Apotheker aber auf jeden Fall den Beratungsbedarf abfragen – auch wenn der Patient dann womöglich keine Beratung wünscht.
Dauereinnahme schützt nicht vor fehlerhafter Anwendung
DAZ.online hätte interessiert, wie Tietze sich den Arzneimitteleinkauf in der Apotheke-vor-Ort denn wünschen würde – ganz ohne Beratungsangebot? Oder was ihn als Patienten oder Ibuprofen-Käufer davon abhält, auf das Beratungs-Angebot einfach mit „Danke, ich kenne mich aus“ zu reagieren? Herr Tietze antwortete – erklärend zur gewählten Textform –, es möge „tatsächlich sein, dass er im Reich der Satire beheimatet ist und sich gegen eine eindeutige und simplifizierende Lesart sperrt“. Man könne möglicherweise auch nicht umstandslos davon ausgehen, dass die Perspektive des Textes und die des Autors identisch seien.
Tietzes Argument gegen die Arzneimittelberatung in der Apotheke, wenn er mal „auf die Schnelle“ ein preisgünstiges Päckchen Ibuprofen erstehen wolle, ist seine ausgewiesene Arzneimittel-Expertise aufgrund langjähriger Anwendung. Es sei schließlich „nicht das erste Mal", dass er in seinem Leben „Kopfschmerztabletten hole", so der Satiriker.
Nun feit eine wiederholte Einnahme weder vor Falscheinnahmen noch vor Wechselwirkungen. Auch Schilddrüsenpatienten betonen meist, sie würden sich mit der Einnahme auskennen, und sie nähmen dieses Arzneimittel seit Jahren – auf Nachfrage stoßen Apotheker dann hin und wieder doch auf die nur vermeintlich korrekte Einnahme mit Orangensaft oder Café zum Frühstück.
Wie sollen Apotheker den Beratungsbedarf erahnen?
Der anderer Punkt ist: Woher sollen Apotheker denn ahnen, ob der Kunde ein versierter Ibuprofen-Einnehmer ist, keine Beratung wünscht oder vielleicht dankbar ist, wenn man ihm seine Arzneimittel erklärt - unabhängig davon, ob er das Präparat schon einmal eingenommen hat oder nicht? Kristallkugeln beinhaltet die Apotheken-Software leider noch immer nicht. Interessant ist auch, dass meist ja medial die zu geringe Beratungsleistung seitens der Apotheker moniert wird. Selten kritisieren Testkäufer, dass ihnen eine Arzneimittelberatung aufgedrängt wurde.
Insofern dürfte die Wahrnehmung Tietzes so manchem Apotheker und so mancher Apothekerin entgegenkommen. Und natürlich spüren wir auch, dass manche Kunden unsere Beratung nicht wertschätzen.
Dass
wir aber versuchen, die Kunden durch „exquisite Fachberatung“ von DocMorris
fernzuhalten, wie der Autor vermutet, klingt zunächst ja nicht nach einem Vorwurf – wäre da nicht die Bemerkung, wir würden uns damit ins eigene
Fleisch schneiden …
2 Kommentare
Apotheker ..
von Kritiker am 21.07.2019 um 9:30 Uhr
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Immerhin ...
von Andreas P. Schenkel am 19.07.2019 um 22:10 Uhr
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