WHO

Babynahrung unter der Lupe

Remagen - 23.07.2019, 14:05 Uhr

Was soll in Babykost drin sein und was nicht? (s / Foto: luckybusiness / stock.adobe.com)

Was soll in Babykost drin sein und was nicht? (s / Foto: luckybusiness / stock.adobe.com)


Ein hoher Anteil an Babynahrung wird auch für Säuglinge unter sechs Monaten vermarktet, obwohl die Weltgesundheitsorganisation davon abrät. Außerdem weisen viele Lebensmittel für Kinder bis zu 36 Monaten einen zu hohen Zuckergehalt auf. Dies stellt das WHO Regionalbüro Europa auf der Basis neuer Studien fest.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt, dass Kinder in den ersten sechs Lebensmonaten ausschließlich gestillt werden. Erst danach soll Zusatznahrung beigefüttert werden, aber auch hier heißt es „Augen auf“ bei der Zusammensetzung. „Eine gute Ernährung im Säuglingsalter und in der frühen Kindheit bleibt der Schlüssel zur Gewährleistung eines optimalen Wachstums und einer optimalen Entwicklung des Kindes und zu besseren Gesundheitsergebnissen im späteren Leben – einschließlich der Prävention von Übergewicht, Fettleibigkeit und ernährungsbedingten nichtübertragbaren Krankheiten“, sagt die WHO-Regionaldirektorin für Europa Zsuzsanna Jakab.  

Schluss mit unangemessener Werbung

Im Jahr 2016 hat die Weltgesundheitsversammlung über eine Resolution eine Leitlinie mit einer klaren Botschaft angenommen: keine Werbung mehr für Zusatznahrung bei Säuglingen unter sechs Monaten und Schluss mit der unangemessenen Werbung für Lebensmittel für Säuglinge und Kleinkinder. Die Leitlinie soll dafür sorgen, dass das Stillen geschützt, Fettleibigkeit und chronische Krankheiten verhindert und eine gesunde Ernährung gefördert wird. Außerdem sollen Betreuungspersonen eine klare und richtige Information zur Ernährung von Säuglingen ab sechs Monaten und Kleinkindern bis zu 36 Monaten an die Hand bekommen. Die WHO sollte die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung mit einer technischen Anleitung unterstützen.

Was in Babykost drin sein soll und was nicht

Um diesen Auftrag zu erfüllen, hat die WHO nun ein Diskussionspapier vorgelegt, auf dessen Basis ein Nährstoffprofilmodell (Nutrient Profile Model, NPM) entwickelt werden soll. Die Vorschläge, die zur Stellungnahme offen sind, beruhen auf Erhebungen in zehn Ländern. Das Dokument soll den Ländern dabei helfen zu entscheiden, welche Lebensmittel für diese Altersgruppe geeignet sind und welche nicht. 

Neben detaillierten Aufstellungen über mögliche Kategorien von Zusatznahrung und Grenzwerte für die Zusammensetzung beinhaltet es auch Vorgaben für eine adäquate Kennzeichnung und Werbung für die Produktklasse.

  • Nach dem Diskussionspapier sollten Süßigkeiten und süße Snacks für Kinder bis zu 36 Monaten grundsätzlich tabu sein.
  • Auch Fruchtgetränke und -Säfte sowie gesüßte Kuhmilch bzw. Milchalternativen sollten nicht für diese Altersgruppe geeignet vermarktet werden.
  • Zusätze von Zucker und anderen Süßungsmitteln (einschließlich allen Sirupen, Honig, Fruchtsäften, Fruchtsaftkonzentraten oder Süßstoffen wie Saccharin, Acesulfam, Aspartam und Sucralose, Stevia) haben nach Meinung der WHO in handelsüblicher Beikost für Säuglinge und Kleinkinder bis zu 36 Monaten ebenfalls nichts verloren.
  • Weiterhin werden Grenzwerte für den Gesamt-Zuckergehalt vorgeschlagen und es wird gefordert, den Prozentsatz der Gesamtenergie aus Zucker auf der Vorderseite der Packung anzuzeigen. 
  • Um zu verhindern, dass die Beikost in Form weich-flüssiger Löffelnahrung zum größten Teil aus Wasser oder Bestandteilen mit einem sehr niedrigen Energiewert besteht, soll der Schwellenwert für die minimale Energiedichte für Zusatznahrung bei 60 kcal/100 g liegen.
  • Außerdem werden Grenzwerte für den maximal zulässigen Natriumgehalt angegeben.
  • Für handelsübliche Beikost, die im Produktnamen auf der Vorderseite der Packung eine Proteinquelle angibt, wird ein Mindestanteil an Fisch, Geflügel, Fleisch oder anderen traditionellen Eiweißquellen von 8 Prozent und drei Gramm pro 100 kcal gefordert.
  • Industriell produzierte Trans-Fettsäuren sollen in den Produkten nicht enthalten sein, und der Gesamt-Fettgehalt sollte 4,5 Gramm pro 100 kcal nicht übersteigen, wobei bestimmte Arten von Produkten mit höherem Proteingehalt hiervon ausgenommen sind. 

Babynahrung in vier Ländern untersucht

Neben dem Nährstoffprofilmodell hat die WHO auch eine Methode entwickelt, um die entsprechenden Produkte im Einzelhandel überhaupt erst zu identifizieren und die Daten zu ermitteln, die für ihre Beurteilung notwendig sind. Diese Methodik wurde für eine Studie zur Verfügbarkeit, Zusammensetzung und Vermarktung von Babynahrung in vier europäischen Ländern eingesetzt. 

Von November 2017 bis Januar 2018 sammelte das WHO-Regionalbüro für Europa Proben von knapp 8.000 Lebensmitteln und Getränken für Säuglinge und Kleinkinder aus über 500 Geschäften in vier Städten ein (Wien, Österreich; Sofia, Bulgarien; Budapest, Ungarn und Haifa, Israel).

WHO-Einschränkungen missachtet

Bei den Analysen zeigte sich, dass ein erheblicher Anteil der Produkte (von 28 bis 60 Prozent) als für Säuglinge unter sechs Monaten geeignet vermarktet wurde, und zwar in allen vier Städten. Dies sei zwar nach EU-Recht zulässig, räumt die WHO ein, lasse jedoch die Leitlinien der Weltgesundheitsorganisation von 2016 außer Acht.

Immer noch zu viel Zucker

Außerdem lieferte die Hälfte oder mehr der Produkte in drei Städten über 30 Prozent der Kalorien aus Gesamtzucker. Rund ein Drittel führte Zucker, konzentrierten Fruchtsaft oder andere Süßungsmittel als Zutat auf. Diese hinzugefügten Aromen und Zucker könnten die Entwicklung der Geschmackspräferenzen von Kindern beeinflussen, indem sie ihre Vorliebe für süßere Lebensmittel erhöhen, kritisiert die WHO. Zwar seien Lebensmittel wie Obst und Gemüse, die natürlicherweise Zucker enthalten, für Säuglinge und Kleinkinder grundsätzlich geeignet, jedoch wurden in pürierten Handelsprodukten sehr hohe Gehalte an freiem Zucker gefunden.  

„Von Lebensmitteln für Säuglinge und Kleinkinder wird erwartet, dass sie verschiedenen festgelegten Ernährungs- und Zusammensetzungsempfehlungen entsprechen“, stellt João Breda, Leiter des Europäischen Büros der WHO für die Prävention und Bekämpfung nichtübertragbarer Krankheiten fest. „Dennoch besteht die Sorge, dass viele Produkte immer noch zu viel Zucker enthalten.“



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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