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DAZ.online-Themenwoche
Noventi bastelt am E-Rezept und will eine E-Patientenakte anbieten
Bis das E-Rezept flächendeckend eingeführt werden kann, wird noch etwas Zeit vergehen. Schon jetzt bereitet sich der Markt aber in rasantem Tempo auf die zunehmende Digitalisierung der Arzneimittelversorgung vor. Eine Schlüsselrolle dabei spielt das apothekereigene Unternehmen Noventi: Der Konzern hat einen Teil der Technik hinter dem Modellprojekt GERDA gebaut, stellt seine Apothekensoftware und seine Rechenzentren für das E-Rezept um und will weitere Digital-Produkte entwickeln, wie etwa einen E-Medikationsplan. DAZ.online sprach mit dem Vorstandsvorsitzenden Dr. Hermann Sommer und dem Technik-Chef Sven Bertram.
Zur Noventi-Gruppe gehören mehrere Subunternehmen, die in der Arzneimittelversorgung eine wichtige Rolle spielen: Beispielsweise betreibt der Konzern mehrere Rechenzentren, darunter VSA, ALG und SARZ. Auch im Bereich der Apotheken-Software ist Noventi aktiv, über die Awinta, die eigenen Angaben zufolge 7000 Kunden hat und somit Marktführer ist. Ein weiteres bekanntes Noventi-Produkt ist die Handy-App „CallmyApo“, mit der Apotheker ihren Kunden heute schon eine Rezeptübermittlung anbieten können. Außerdem ist der Konzern Mitglied in der „Initiative pro Apotheke vor Ort“ (Pro AvO), zu der neben den Großhändlern Gehe und Sanacorp auch der Automaten-Hersteller Rowa und der Wort&Bild-Verlag gehören.
Kurzum: Die Noventi-Gruppe ist ein Konzern, in dem alle Fäden auf der Apotheker-Seite der Arzneimittelverordnung zusammenlaufen – von der Rezept-Bearbeitung in der Apotheke, über die Kommunikation mit dem Kunden, bis hin zur Rezept-Abrechnung. Der Konzern ist für die Apotheker aber auch wichtig, weil sie ihn kontrollieren. Der Apotheker-Verein FSA e.V. ist der einzige Gesellschafter der Noventi-Gruppe. Die Apotheker sind somit aktiv in die unternehmerischen Entscheidungen des Konzerns eingebunden. Das heißt: Bei der Einführung des E-Rezeptes bringt die Noventi einerseits die wichtige Expertise mit und andererseits die für die Pharmazeuten wichtige Distanz zum Versandhandel.
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Kein Wunder also, dass der Konzern beim wichtigsten Modellprojekt der Apotheker für das E-Rezept eine wichtige Rolle spielt. Es geht um GERDA, das Versorgungsmodell, das die Apotheker gemeinsam mit Kassen und Ärzten derzeit in Baden-Württemberg aufziehen. Die Noventi-Gruppe spielte zwar keine entscheidende Rolle in der Entwurfsphase des Projektes, wurde dann aber als Dienstleister dazu geholt, als es um den technischen Aufbau des Rezeptservers ging. Nach einer Ausschreibung der ABDA-Digitaltochter NGDA* bekam die Noventi den Auftrag, den Rezeptserver zu erstellen, auf dem die E-Rezepte, die beim Arzt erzeugt werden, abgelegt werden, damit die Apotheker vor der Abgabe im Auftrag des Patienten darauf zugreifen können. „Dafür haben wir eine Software gebaut, die kürzlich an die NGDA geliefert wurde. Der Entwicklungsprozess ist also für die Pilotversion fertig; jetzt befinden wir uns mitten in der Abnahme“, erklärt Noventi-Chef Sommer.
Dem Konzern waren dabei zwei Prämissen wichtig: Die Arbeit in Baden-Württemberg muss beim bundesweiten Roll-out des E-Rezeptes nutzbar sein, und das System muss auch für Wettbewerber offen sein. Sommer dazu: „Der von der NGDA betriebene 'E-Rezeptspeicher' wird Schnittstellen für weitere Kommunikationslösungen mit dem 'Server' bieten, um dem Patienten den 'Abruf' seines E-Rezeptes und die Weiterleitung in andere Systeme wie zum Beispiel die Warenwirtschaft von Apotheken zu ermöglichen.“
Bertram: Das E-Rezept erleichtert den Apothekenalltag
Zuletzt gab es einige Spekulationen, dass sich der Starttermin von GERDA verspäten könnte, weil auf der Ärzteseite eine rechtzeitige Anbindung an den Server nicht realistisch ist. Noventi-Technik-Chef Bertram will sich zu den Vorgängen beim Anschluss der Ärzte nicht äußern. Auf Apothekerseite werde allerdings schon an den letzten Fehlern gearbeitet, bevor das Projekt fertig wird. Bertram wörtlich: „Wir können nicht bewerten, inwieweit es der Ärzte-Seite gelingt, bis dahin E-Rezepte zu erzeugen und sie auf dem Server zu speichern. Wir arbeiten derzeit mit Hochdruck daran, die letzten möglichen Fehler im System zu beheben. Die Schnittstellen zwischen dem Rezeptserver und den Apotheken sind fertig entwickelt. Ein besonderer Fokus unserer Arbeit liegt darauf, dass das System auch für Wettbewerber zugänglich ist. Aus unserer Sicht steht einem Start im Oktober aber nichts entgegen.“
Im Gespräch mit DAZ.online wies auch Bertram nochmals auf die Vorteile digitaler Verordnungen für Apotheker hin. Das E-Rezept vereinfache die alltägliche Arbeit. „Wir möchten den Apothekern eine neue digitale Heimat für ihre Kunden bauen, in der sie ihre pharmazeutischen Kompetenzen noch besser ausspielen können. (…) Der Vorgang des Einscannens wird nicht mehr nötig sein, weil das Rezept vom Server direkt in die Warenwirtschaft geladen wird. Ein weiterer Vorteil ist die Rezeptprüfung: Man muss nicht mehr handschriftliche Vermerke des Arztes untersuchen, auch Probleme mit Arzt-Unterschriften fallen weg, weil diese Form-Fehler auf E-Rezepten nicht gemacht werden können.“
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ABDA-IT-Chef Sören Friedrich hatte im DAZ.online-Interview erklärt, dass es der Anspruch der Apotheker sei, die „Basistechnologie“ für das E-Rezept zu entwickeln. Das sieht auch Noventi-Chef Sommer so. Die Zielsetzung seines Unternehmens sei es, „Standards zu setzen und maßgeblich daran mitzuwirken, ein Gesamtsystem zu etablieren, das eine durchgängige, diskriminierungsfreie Kommunikation von A-Z ermöglicht“. Sommer stellt aber klar, dass der Konzern nicht nur am E-Rezept arbeite. Man wolle die Apotheken mit weiteren „additiven Dienstleistungen“ stärken.
Sommer: Von Kassen unabhängige Patientenakte
Eines dieser zusätzlichen Angebote könnte in Zukunft wohl eine E-Patientenakte der Noventi sein. Zur Erinnerung: Der Gesetzgeber hat beziehungsweise will für die Einführung der E-Patientenakte neue Fristen setzen. Einige Kassen haben zuvor schon eigene elektronische Patientenakten entwickelt, zu denen auch Medikationspläne gehören. Noventi-Chef Sommer erklärt, dass er sich aber eine kassenunabhängige Akte wünsche: „Die Überlegungen reichen dabei bis hin zu einer von Krankenkassen unabhängigen elektronischen Patientenakte, die von den Apotheken für Ihre Kunden bereitgestellt werden könnte. Wir sehen es als unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Apotheke vor Ort auch in Zukunft Dreh- und Angelpunkt in der Gesundheitsversorgung bleibt. Zusätzlich haben wir den Fokus des Patienten im Visier, dem wir seine Daten jederzeit – ohne Einflussmöglichkeiten Dritter – zu seiner eigenen Verwendung bereitstellen.“
Der einzige Ideengeber und Anbieter ist die Noventi allerdings nicht im Markt. Ähnliche Ansprüche formuliert beispielsweise der „Zukunftspakt Apotheke" von Noweda und dem Burda-Verlag. Beide wollen gemeinsam die Apotheke stärken und neue digitale Produkte anbieten. Immer wieder werden im Markt Rufe laut, dass sich beide Initiativen (Pro AvO und Noweda/Burda) zusammentun, um eine gemeinsame Technologie zu schaffen. Zum Stand der Gespräche wollte sich Sommer nicht äußern. Nur so viel: „Uns ist es wichtig, dass sich auch Wettbewerber auf die von uns entwickelten Systeme aufschalten können. Wir sind stolz, was wir im Bereich Digitalisierung erreicht haben und bieten unseren Wettbewerbern gerne an, ihre Dienstleistungen mit unseren Dienstleistungen zu verknüpfen. Für die Noventi ist es von Vorteil, dass wir keine Investoren befriedigen und auf einen Shareholder Value achten müssen, wir sind ein apothekereigenes Unternehmen und haben andere Interessen.“
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*Redaktioneller Hinweis: In einer früheren Version des Artikels hieß es, dass der DAV die Ausschreibung bei GERDA durchgeführt hätte. Das ist falsch, es war die ABDA-Tochter NGDA. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.
1 Kommentar
E-Rezept.
von Roland Mückschel am 23.08.2019 um 12:20 Uhr
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