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Lieferengpass bei Antibiotikum
Pivmecillinam – ein erfreulicher Engpass?
Kaum rückt Pivmecillinam bei der Behandlung von Harnwegsinfektionen ein wenig aus dem Schatten von Fosfomycin, gibt es erste Lieferengpässe bei dem Antibiotikum. Laut der Engpassliste des BfArM, ist X Systo mit 400 mg bis Oktober nicht lieferbar – der Grund: „Absatz deutlich über den Forecastzahlen“. Eigentlich ein fast erfreulicher Trend, nachdem Ärzte Fosfomycin zwar immer noch am häufigsten bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen verordnen, doch mittlerweile Zweifel an dessen Effektivität auftreten.
X-Systo® ist knapp – zumindest meldet der Hersteller Karo Pharma. Ab laut der Lieferengpassliste beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) einen aktuellen Engpass bei dem Harnwegsantibiotikum. Dieser soll für die 15er-Packung bis Oktober dieses Jahres bestehen. Eine Versorgungslücke reißt X-Systo® mit 400 mg Pivmecillinam vorerst wohl nicht auf – derzeit sind laut Großhandelsanfrage die 10er Packung X-Systo® und das alternative Präparat Pivmelam® 400 mg (9 Tabletten) noch zu bekommen.
Pivmecillinam eher unbekannt bei Zystitis
Abgesehen davon, dass Lieferschwierigkeiten bei Arzneimitteln generell unerwünscht und unschön sind, für Arbeit und Ärger sorgen, ist bei Pivmecillinam der Grund für den Engpass vielleicht sogar ein wenig erfreulich. Der Hersteller erklärt auf der Webseite des BfArM, dass X-Systo® deswegen knapp ist, weil der „Absatz deutlich über den Forecastzahlen“ liegt. Denn obwohl die 2017 aktualisierte Leitlinie Epidemiologie, Diagnostik, Therapie, Prävention und Management unkomplizierter, bakterieller, ambulant erworbener Harnwegsinfektionen bei erwachsenen Patienten fünf Antibiotika gleichrangig bei unkomplizierten Zystitis als Mittel der Wahl empfiehlt – Fosfomycin-Trometamol, Nitrofurantoin, Nitroxolin, Pivmecillinam, Trimethoprim (bei Resistenzraten < 20 Prozent) –, ist Pivmecillinam hier wohl der unbekannteste Wirkstoff, Lieblingssubstanz bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen scheint nach wie vor Fosfomycin-Trometamol zu sein.
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Und das, obwohl die Eradikationsrate laut Leitlinie für Fosfomycin (1x 3.000 mg) zwischen 80 und 90 Prozent liegt, während sie für Pivmecillinam (2 bis 3x 400 mg, drei Tage) mit über 90 Prozent sogar besser ist. Auch hinsichtlich der Sicherheit, der Kollateralschäden und der Empfindlichkeit ist Pivmecillinam nicht schlechter bewertet als Fosfomycin.
290 Prozent mehr Verordnungen
Dass Fosfomycin dem Penicillinderivat Pivmecillinam dennoch der Vorzug gewährt wird, zeigen die Verordnungszahlen aus dem Arzneiverordnungsreport 2018:1,7 Millionen DDD (defined daily dose) Fosfomycin-Trometamol wurden 2017 verschrieben. Zum Vergleich: Von Pivmecillinam wurden 2017 nur 120.000 DDD verordnet.
Allerdings lag der Verordnungszuwachs (DDD) bei Fosfomycin-Trometamol bei 11,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (2016), bei Pivmecillinam stieg dieser um 290 Prozent verglichen mit dem Vorjahr.
Leitlinie empfiehlt Pivmecillam seit 2017
Warum erfährt Pivmecillinam einen solchen „Aufschwung“ und wird mittlerweile so viel häufiger verordnet ? Das hat wohl mehrere Gründe. Zum einen ist das Antibiotikum recht „jung“ auf dem deutschen Arzneimittelmarkt, denn Pivmecillinam ist erst seit März 2016 verfügbar. Zum anderen dürfte auch die Aktualisierung der Leitlinie zu Harnwegsinfektionen im Jahr 2017 zum erhöhten Einsatz von Pivmecillinam beitragen. Mit dem Update der Leitlinie ist auch Pivmecillinam wieder als Antibiotikum der Wahl bei unkomplizierter Zystitis aufgenommen worden (neben Fosfomycin-Trometamol, Nitrofurantoin, Nitroxolin und Trimethoprim).
So erklärt sich auch der Hersteller Karo Pharma Ab die neue Affinität für Pivmecillinam. Gegenüber DAZ.online vermutet der Stockholmer Konzern, dass die 2017 aktualisierte Leitlinie zu Harnwegsinfektionen „das Verordnungsverhalten der Ärzte verändert“ hat, so ein Sprecher des Unternehmens. Dieser Zuwachs bedingt nun den aktuellen Engpass.
Fosfomycin neu evaluiert
Dass sich das Verordnungsverhalten bei unkomplizierter Zystitis zu ändern scheint und Pivmecillinam als Penicillinderivat verstärkt in den Fokus rückt, ist eigentlich recht positiv zu bewerten. Denn ganz unbescholten ist Fosfomycin nicht, auch wenn unbestechlicher Vorteil fraglos die Einmalgabe ist. Dennoch hegen BfArM und EMA Zweifel am Nutzen der Substanz. Seit Dezember 2018 läuft ein Risikobewertungsverfahren bei der EMA, um Fosfomycin neu zu bewerten, auch hinsichtlich, ob der Single-Shot mit 3000 mg als antibiotische Dosis reicht.
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Hinweise, dass Resistenzen unter Fosfomycin zunehmend ein Problem darstellen könnten, lieferte eine im Mai 2018 im JAMA (Journal of the American Medical Association) veröffentlichter Studie: Effect of 5-Day Nitrofurantoin vs Single-Dose Fosfomycin on Clinical Resolution of Uncomplicated Lower Urinary Tract Infection in Women: A Randomized Clinical Trial. Das Ergebnis: Eine fünftägige Behandlung mit Nitrofurantoin (dreimal täglich 100 mg) war bei unkomplizierter Zystitis der Einmaldosis Fosfomycin-Trometamol (3.000 mg) überlegen.
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