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- 27.08.2019
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AMK warnt vor nebenwirkungen.de
Zusätzliche Meldewege erhöhen nicht die Meldefreudigkeit
Die AMK begrüßt generell „alle Ansätze“, die helfen, dass Ärzte und Apotheker verstärkt Nebenwirkungen melden. Das private, gewinnorientierte Portal „nebenwirkungen.de“ kritisierte sie aber aufs Schärfste. Warum? Medikura ziele darauf ab, „gesundheitsbezogene Daten zu sammeln und diese interessierten Stellen zu verkaufen“, ein zusätzlicher Meldeweg erhöhe zudem nicht die Meldefreudigkeit, sondern vor allem die Gefahr für Doppelmeldungen.
„Nebenwirkungen.de“ sieht sich in den vergangenen Tagen harscher Kritik ausgesetzt. Bereits Anfang August machte die Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AkdÄ) unmissverständlich klar, dass sie die „Verarbeitung und Vermittlung von sensiblen medizinischen Daten von einzelnen Patienten im Zusammenhang mit der Arzneimittelsicherheit durch ein gewinnorientiertes Unternehmen der Datenverarbeitung“ ablehnt. Der AkdÄ ist es eigenen Angaben zufolge nicht ersichtlich, welchen Nutzen Medikura – das Start-up-Unternehmen hinter dem Portal nebenwirkungen.de – zu etablierten UAW-Meldesystemen (AkdÄ, AMK, BfArM, EMA, PEI, Zulassungsinhaber) beiträgt. „Die Arzneimittelsicherheit ist ein Anliegen der öffentlichen Gesundheit. Sie sollte in den Händen öffentlicher und nicht gewinnorientierter Organisationen verbleiben“, positionierte sich die AkdÄ.
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Nun erhalten die Ärzte Unterstützung von den Apothekern. Auch die AMK (Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker) lässt in einer aktuellen Stellungnahme kein gutes Haar an nebenwirkungen.de – und stellt ihre Kritik auf ähnliche Füße wie die AkdÄ. Um Risiken bei Arzneimitteln zentral zu erfassen, auszuwerten und die erforderlichen Maßnahmen zu koordinieren, habe man mit den nationalen Bundesoberbehörden, der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA sowie den Arzneimittelkommissionen der Heilberufe und den pharmazeutischen Unternehmen bereits Pharmakovigilanzsysteme eingerichtet. Auch wenn sicherlich nicht alle tatsächlich auftretenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen seitens der Apotheker und Ärzte über diese Portale gemeldet werden (Under-Reporting) und die AMK „alle Ansätze, das Bewusstsein beziehungsweise die Achtsamkeit der Heilberufe gegenüber möglichen Patientenrisiken zu erhöhen und möglichen Hemmnissen der Meldung von vermuteten Nebenwirkungen entgegenzuwirken“ begrüßt – sieht sie in nebenwirkungen.de nicht den dafür geeigneten Weg. Warum?
Meldemüdigkeit liegt nicht an mangelnden Meldewegen
Wie auch die AkdÄ erkennt die AMK nicht, „inwiefern Medikura eine sinnvolle Ergänzung zu bestehenden Meldeportalen“ sei. Zudem beseitigt nach Ansicht der AMK die „Diversität der Meldewege“ nicht die „mangelnde Meldefreudigkeit“. Vielmehr erhöhe es jedoch die Gefahr, dass UAW doppelt erfasst werden und „Duplikate im europäischen Pharmakovigilanzsystem“ erzeugen.
nebenwirkungen.de verkauft Gesundheitsdaten
Die AMK stört sich vor allem auch an einem weiteren Punkt bei nebenwirlungen.de - dem Geschäftsmodell. Sie kritisiert, dass sich das Start-Up-Unternehmen Medikura mit seinem nebenwirkungen.de-Portal „zunehmend öffentlichkeitswirksam als ‚digitale und innovative Infrastruktur für den Austausch von Arzneimittelwirkungen' in Konkurrenz zu den etablierten Meldestrukturen bewirbt und insbesondere Nebenwirkungsmeldungen von Patienten erhalten möchte“, erklärt die AMK in ihrer Stellungnahme. Medikura bewerbe sein System als zeitsparenden und unkomplizierten, digitalen Weg, um alle relevanten Informationen zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen der Patienten zu übermitteln und gleichzeitig den direkten Austausch mit Patienten, Ärzten und Apothekern zu ermöglichen. Nach Einschätzung der AMK aber „zielt das Geschäftsmodell des Unternehmens grundsätzlich darauf ab, die über die Meldeplattform erhaltenen gesundheitsbezogenen Daten zu sammeln und diese interessierten Stellen zu verkaufen“.
Private UAW-Meldesysteme erschüttern Vertrauen in etablierte Systeme
Meldungen zu unerwünschten Arzneimittelwirkungen enthielten „hochsensible gesundheitsbezogene Daten von Patienten“, so die AMK. Sie lehnt es „strikt“ ab, dass „private und gewinnorientierte Unternehmen“ diese Daten erfassen und weiterleiten. Zudem befürchtet sie, dass „privatwirtschaftlich orientierte Meldesysteme (...) das Vertrauen der Bevölkerung in die bisherigen, seit Jahrzehnten etablierten Meldestrukturen der öffentlichen, unabhängigen und nicht gewinnorientierten Institutionen gefährden“ könnten.
Apotheker müssen an AMK oder Überwachungsbehörden melden
Die AMK möchte in diesem Zusammenhang zudem daran erinnern, dass die Nutzung des Meldeportals von Medikura die Apothekerschaft nicht von der Verpflichtung entbindet, bekannt gewordene Arzneimittelrisiken unverzüglich an die zuständige Überwachungsbehörde beziehungsweise an die AMK zu melden.
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