Kommentar

Engpässe: Die Kassen machen es sich zu leicht

Stuttgart - 06.09.2019, 07:00 Uhr

Warenwirtschaft in der Apotheke ist derzeit häufig Mängelverwaltung. Mehrere Hundert Engpässe erschweren den Alltag. Dass die Kassen nichts dafür können sollen, greift zu kurz. (s / Foto: imago images / Uwe Steinert)

Warenwirtschaft in der Apotheke ist derzeit häufig Mängelverwaltung. Mehrere Hundert Engpässe erschweren den Alltag. Dass die Kassen nichts dafür können sollen, greift zu kurz. (s / Foto: imago images / Uwe Steinert)


Bei vielen Arzneimitteln liegen die Tagestherapiekosten im Centbereich, auch bedingt durch Rabattverträge. Dass diese Dumping-Preise Qualitätsmängel sowie eine Konzentration auf wenige Anbieter und dadurch bedingte Lieferengpässe mit zu verantworten haben, ist nicht von der Hand zu weisen. Kassenvertreter, die sich hier komplett aus der Verantwortung ziehen, mit der Begründung, dass der Preis sich nun mal am Markt bilde und sie selbst am Ende der Lieferkette nichts dafür könnten, machen es sich zu leicht, findet DAZ.online-Chefredakteurin Julia Borsch.

Lieferengpässe haben die Öffentlichkeit erreicht, in Fachkreisen sind sie schon lange ein Thema. Auch am vergangenen Dienstag bei der „House of Pharma & Healthcare“-Tagung in Frankfurt wurden sie angesprochen. Klar wurde dabei unter anderem, dass man sich in der Politik uneinig über den Umgang damit ist. Während CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich gegenüber DAZ.online gesetzliche Regelungen gefordert hat, wäre es Erwin Rüddel, ebenfalls von der CDU und Vorsitzender des Gesundheitsausschusses, lieber, wenn man bei dem Thema Lieferengpässe nicht so stark durch den Gesetzgeber eingreifen müsste. Das machte er in Frankfurt klar. Diese Auffassung teilt Thomas Müller, Abteilungsleiter Arzneimittel im BMG. Seiner Ansicht nach sollen das die „Kräfte der Selbstverwaltung regeln.“ Auch BfArM-Vertreter Michael Horn hält im Übrigen nichts von Instrumenten wie der Pflicht, Arzneimitteldepots anzulegen. Das ergebe bei 100.000 verkehrsfähigen Arzneimitteln keinen Sinn, erklärte er bei der Tagung.

Außerdem wurde klar, dass es sich die Kassen an dieser Stelle ziemlich leicht machen. Aus dem Plenum wurde die Frage gestellt, ob nicht rabattvertragsbedingte Tiefstpreise das Problem der Engpässe befeuerten – schließlich lägen die Tagestherapiekosten bei vielen Arzneimitteln nur noch im Centbereich, was nur durch billigste Produktion zu machen sei. Dr. Sabine Richard, Geschäftsführerin Versorgung beim AOK-Bundesverband, wies jegliche Verantwortung von den Kassen. Es sei ja nicht Schuld der Kassen, dass Firmen die Arzneimittel für diesen Preis anbieten, erklärte sie. Bei Rabattverträgen bilde sich der Preis nun einmal am Markt – und die Krankenkassen stünden ganz am Ende der Lieferkette.

Ist das tatsächlich so? Schließlich regelt nicht allein das Angebot den Preis, sondern auch die Nachfrage – und die kommt vom Ende der Lieferkette. Natürlich ist es nicht damit getan, einfach nur mehr zu bezahlen. Die Kassen hätten aber bei der Vergabe durchaus die Möglichkeit, andere Kriterien als nur den Preis zu berücksichtigen. Die könnten Anbieter der Billigpreise in vielen Fällen aber gar nicht erfüllen. Wenn dann nur noch der den Zuschlag bekommt, der gewisse Garantien geben kann, zum Beispiel hinsichtlich der Lieferfähigkeit in Kombination mit Transparenz der Lieferkette und Qualität, hätte Billigware vermutlich keine Chance mehr. 

Ohne Vorgaben werden sich die Kassen nicht bewegen

Von daher ist der Vorstoß des BfArM, Kriterien zu veröffentlichen, wie bei der Vertragsgestaltung mit Herstellern Versorgungssicherheit gewährleistet werden kann, zu begrüßen. Allerdings wird es Gesetze brauchen, um die Vergabepraxis der Kassen zu ändern. Denn sonst wird weiterhin nur der Preis den Ausschlag geben, das lehrt einen die Erfahrung.

Die Krankenhäuser sind hier übrigens schon ein Stück weiter. Hier wurden bereits Empfehlungen für die gute Einkaufspraxis von Kliniken erarbeitet. Bei denen soll die Erkenntnis, dass extrem billig einzukaufen, einen am Ende oft teuer zu stehen kommt, eine wesentliche Rolle spielen.


Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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1 Kommentar

Blutdrucktherapie: Quartalskosten zum Preis eines Brötchens

von Thomas Brandenburg am 06.09.2019 um 11:15 Uhr

Wenn ein Hersteller für 100 Tbl. Ramipril 1,22€ listet und darauf noch Rabatt gibt, liegen die tatsächlichen Erlöse für eine Therapie leicht unter 10 Cent pro Quartal. Dafür gibt es dann nicht mal mehr ein Brötchen.

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