Kommentar zu pharmazeutischen Dienstleistungen

Wichtige Aufgaben viel zu weich formuliert

Bonn - 24.09.2019, 11:30 Uhr

Was ist pharmazeutische Betreuung? oder Welche Dienstleitungen wollen wir eigentlich erbringen? In den Augen von Prof. Dr. Harald Schweim, ehemaliger Präsident des BfArM, brauchen Apotheken Alleinstellungsmerkmale. (c / Foto: imago images / Steinachimago)

Was ist pharmazeutische Betreuung? oder Welche Dienstleitungen wollen wir eigentlich erbringen? In den Augen von Prof. Dr. Harald Schweim, ehemaliger Präsident des BfArM, brauchen Apotheken Alleinstellungsmerkmale. (c / Foto: imago images / Steinachimago)


Rund 150 Millionen Euro stellt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Apothekern für pharmazeutische Dienstleistungen in Aussicht. Gleichzeitig soll mit dem „Apothekenstärkungsgesetz“ aber auch die Arzneimittelpreisverordnung in ihrer jetzigen Form der Vergangenheit angehören. Wird das Dienstleistungshonorar also in Zukunft der Königsweg sein? Prof. Dr. Harald Schweim, ehemaliger Präsident des BfArM, warnt in seinem Kommentar vor zu viel Euphorie, denn auch andere Berufsgruppen wie die Ärzte sind seit Jahrzehnten Spielball der Honorarpolitik. Außerdem sollten sich die Apotheker seiner Meinung nach vielmehr über Alleinstellungsmerkmale definieren.

Das Honorar der Apotheker war bis zum Systemwechsel im Jahre 2004 bekanntlich vom Preis des abgegebenen Arzneimittels abhängig. Das Kombimodell soll seitdem bewirken, dass die Apotheken bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln zu Lasten der GKV einerseits (zu rund 90 Prozent) mit einem „fixen“ Honorar vergütet und andererseits (zu rund 10 Prozent) für ihre kaufmännische Tätigkeit (Bestellung, Lagerung etc cetera) entlohnt werden. Das Fixhonorar soll die Position der Apotheker als „Heilberufler“ stärken, was von den Apothekern auch gerne und praktisch gelebt wird.

Doch mit dem Systemwechsel von 2004 haben die Apotheker auch ein Problem „geerbt“, nämlich das der Anpassung ihrer Honorare an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten. Erst nach acht Jahren des absoluten Stillstands hat der Verordnungsgeber eine Anpassung (von 8,10 Euro auf 8,35 Euro) ab dem 1. Januar 2013 beschlossen. Das entspricht einer Anhebung um gerade einmal 3 Prozent.

Während die Apotheker auf regelmäßige, verlässliche und an festen Kriterien ausgerichtete Anpassungen drängen, wollen die Krankenkassen das Honorar am liebsten kürzen. Und dabei liefert ihnen die Politik, unter gleichzeitiger Zerstörung des „Fundaments der gesicherten Arzneimittelversorgung“, mit einem fachlich fragwürdigen Honorargutachten auch noch Munition. Und wir Apotheker „werkeln“ durch Unschärfe kräftig daran mit, bei Fragen wie „Was ist pharmazeutische Betreuung?“ oder „Welche Dienstleitungen wollen wir eigentlich erbringen?“.

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„Apothekenstärkungsgesetz“ oder „Apothekenvernichtungsgesetz“

In diesem Zusammenhang ist es besonders bemerkenswert, dass der Rohertrag aus der kaufmännischen Komponente fast dreieinhalb Mal schneller gestiegen ist als derjenige aus dem Fixhonorar. Und es geht bekanntlich weiter: Seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes am 19. Oktober 2016 steht die Arzneimittelpreisverordnung mittlerweile politisch komplett zur Disposition.

Ist ein Dienstleistungshonorar also in Zukunft der Königsweg? Offensichtlich scheinen einige führende Standesvertreter davon überzeugt zu sein. Caveat! Die „Gruppenmacht“ der Ärzte, sich gegen die ein oder andere pharmazeutische Dienstleistung zu wehren, ist mit etwa 393.000 zu 64.000 rund sechsmal größer als die der Apotheker. Dennoch sind auch die Ärzte seit Jahrzehnten Spielball in der Honorarpolitik. Wie wird es da nur den Apothekern ergehen? Wann wurden die Honorarsätze je auskömmlich an die Preisentwicklung angepasst? Wir sind vielmehr eine „quantité négligeable“, schauen Sie sich am besten als abschreckendes Beispiel das Spahnsche „Apothekenstärkungsgesetz“ an, richtiger wohl „Apothekenvernichtungsgesetz“.

Apotheker brauchen Alleinverantwortungs- und Alleinstellungsmerkmale!

Kümmern sich die Ärzte in Zukunft tatsächlich um Diagnose und Therapie und die Apotheker um Arzneimittelauswahl und pharmazeutische Betreuung? Diagnose, Therapie und Abgabe sind klar definierte, valide Begriffe. Aber „Pharmazeutische Betreuung“? Die Pharmazeutische Betreuung ist die konsequente Wahrnehmung der Mitverantwortung des Apothekers bei der Arzneimitteltherapie mit dem Ziel, konkrete therapeutische Ergebnisse zu erreichen, die geeignet sind, die Lebensqualität des Patienten zu verbessern. Sie ist ein komplementäres Angebot des Apothekers, das die Therapie des Arztes unterstützt, um arzneimittelbezogene Probleme zu minimieren. Das sind zwar wichtige Aufgaben, aber viel zu weich formuliert: „Mitverantwortung“ oder „komplementäres Angebot“. (Klingt irgendwie nach „Komplementärmedizin“, nicht wahr?).

Wir müssen uns über Alleinverantwortungs- und Alleinstellungsmerkmale definieren, auch wenn es anderen Berufsgruppen, wie den Ärzten, nicht passen sollte. Das Werfen mit Wattebäuschchen, langjährige ABDA-Taktik, hat uns nicht weiter gebracht. Wir müssen uns als die unentbehrlichen Fachleute für Arzneimittel erweisen, die wir – im Gegensatz zu den Ärzten – auch tatsächlich sind. Nicht als „mitverantwortende Komplementäre“. In diesem Sinne ist im Gegenzug auch das „Impfen durch Apotheker“ strikt abzulehnen, das ist keine pharmazeutische sondern eine medizinische Tätigkeit.

Lernen von den Briten

In Brexit-Zeiten darf man trotzdem etwas von den Briten lernen: Von ihnen wurde beispielsweise der „bedside pharmacist“ erfunden, der heute weltweite Erfolge verzeichnet.

Es hat sich gezeigt – für Kassen und Gesundheitspolitiker besonders interessant –, dass sich diese Art der pharmazeutischen Betreuung, auch in der öffentlichen Apotheke, „rechnet“. Die Zukunftsvision, „Der Arzt bestimmt die Diagnose und Therapie, der Apotheker bestimmt das Arzneimittel und die Dosis“ ist dann gelebte Wirklichkeit. Dabei werden Leben gerettet und Geld gespart, wie sich zum Beispiel an der Verringerung iatrogener Todesfälle zeigen lässt. Zukünftig muss diese apothekerliche Kompetenz auch in der öffentlichen Apotheke – ohne Ressentiments – umgesetzt werden können. Gerade im Rahmen der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) sollten wir unsere Kompetenz einbringen. Jährlich werden deutschlandweit etwa 1,4 Milliarden Arzneimittel abgegeben. Vielfach haben Patienten mehr als einen verordnenden Arzt, die oft nichts voneinander wissen. In allen Fällen gehen aber ihre Rx- und OTC-Arzneimittel durch die Kontrolle eines Apothekers und/oder seines pharmazeutischen Personals, bevor sie beim Patienten beziehungsweise Verbraucher ankommen (ja, auch beim korrekt arbeitenden Versender). Deutschlands Apotheken haben im Jahr (derzeit noch) rund eine Milliarde Patientenkontakte. Hier können AMTS-Probleme im persönlichen Gespräch aktiv detektiert und beseitigt werden. Ja, es ist die originäre Aufgabe der Pharmazeuten, den Arzt hier zu kontrollieren. Wenn damit nur einer der vermeidbaren 28.000 Todesfälle verhindert wird, hat es sich schon gelohnt.

Kein „Entweder-oder“ sondern ein „Sowohl-als-auch“. Nur auf die pharmazeutische Betreuung zu setzen ist wegen der leichten (politischen) Verdrehung der Honorarspirale und den bisher zu weichen Definitionen der Aufgaben des Apothekers abzulehnen. Die Lehre aus der Historie: Das Einkommen des Apothekers muss sich stets aus einem Fixhonoraranteil UND einem am Arzneimittelpreis orientierten Anteil ergeben.

Über den Autor

Harald Schweim studierte Pharmazie an der Uni Hamburg. Nach Promotion und Habilitation in Pharmazeutischer Chemie folgte Anfang der 1990er-Jahre die Anstellung im Bundesdienst. 1993 wurde er Leiter des Fachbereichs Arzneimittelzulassungen im neu gegründeten Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Berlin, ab 1995 stand er dem Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) in Köln als Direktor vor. Nach einigen Jahren als Präsident des BfArM – mittlerweile in Bonn – und als „Beauftragter für internationale Fragen der Arzneimittelqualität“ des Bundesgesundheitsministeriums war er bis zu seinem Ruhestand 2016 Professor für „Drug Regulatory ­Affairs“ an der Universität Bonn.



Prof. Dr. Harald Schweim, ehemaliger Präsident des BfArM
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

In Aussicht !

von ratatosk am 24.09.2019 um 18:45 Uhr

In Aussicht gestellt ! von Spahn !! noch Fragen bei diesem Minister? Die Geistermöhre für den Esel.
Das Großkapital bekommt konkret die Vernichtung der normalen Apotheken geliefert. - So siehts leider aus.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Honorierte Dienstleistungen . . . nice to have - mehr leider nicht

von Uwe Hansmann am 24.09.2019 um 13:07 Uhr

Danke für den zutreffenden Kommentar!

Solange das Grundhonorar sich nahezu auf dem gleichen level wie 2004 - mit Einführung des GMG - bewegt, wird sich für die Apotheken nur wenig wirtschaftlich verbessern.

Das an sich ist und bleibt ein Skandal!

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Honorierte Dienstleistungen . . . nice

von Ulrich Ströh am 24.09.2019 um 14:26 Uhr

Das ist richtig, was Sie anmerken, lieber Kollege Hansmann !

Aber: jeder wird halt so schlecht behandelt, wie er es zulässt!

Jammern hilft nicht weiter!
Und diese pharm. Dienstleistungen auch nicht...

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