Kommentar zu pharmazeutischen Dienstleistungen

Wichtige Aufgaben viel zu weich formuliert

Bonn - 24.09.2019, 11:30 Uhr

Was ist pharmazeutische Betreuung? oder Welche Dienstleitungen wollen wir eigentlich erbringen? In den Augen von Prof. Dr. Harald Schweim, ehemaliger Präsident des BfArM, brauchen Apotheken Alleinstellungsmerkmale. (c / Foto: imago images / Steinachimago)

Was ist pharmazeutische Betreuung? oder Welche Dienstleitungen wollen wir eigentlich erbringen? In den Augen von Prof. Dr. Harald Schweim, ehemaliger Präsident des BfArM, brauchen Apotheken Alleinstellungsmerkmale. (c / Foto: imago images / Steinachimago)


Apotheker brauchen Alleinverantwortungs- und Alleinstellungsmerkmale!

Kümmern sich die Ärzte in Zukunft tatsächlich um Diagnose und Therapie und die Apotheker um Arzneimittelauswahl und pharmazeutische Betreuung? Diagnose, Therapie und Abgabe sind klar definierte, valide Begriffe. Aber „Pharmazeutische Betreuung“? Die Pharmazeutische Betreuung ist die konsequente Wahrnehmung der Mitverantwortung des Apothekers bei der Arzneimitteltherapie mit dem Ziel, konkrete therapeutische Ergebnisse zu erreichen, die geeignet sind, die Lebensqualität des Patienten zu verbessern. Sie ist ein komplementäres Angebot des Apothekers, das die Therapie des Arztes unterstützt, um arzneimittelbezogene Probleme zu minimieren. Das sind zwar wichtige Aufgaben, aber viel zu weich formuliert: „Mitverantwortung“ oder „komplementäres Angebot“. (Klingt irgendwie nach „Komplementärmedizin“, nicht wahr?).

Wir müssen uns über Alleinverantwortungs- und Alleinstellungsmerkmale definieren, auch wenn es anderen Berufsgruppen, wie den Ärzten, nicht passen sollte. Das Werfen mit Wattebäuschchen, langjährige ABDA-Taktik, hat uns nicht weiter gebracht. Wir müssen uns als die unentbehrlichen Fachleute für Arzneimittel erweisen, die wir – im Gegensatz zu den Ärzten – auch tatsächlich sind. Nicht als „mitverantwortende Komplementäre“. In diesem Sinne ist im Gegenzug auch das „Impfen durch Apotheker“ strikt abzulehnen, das ist keine pharmazeutische sondern eine medizinische Tätigkeit.

Lernen von den Briten

In Brexit-Zeiten darf man trotzdem etwas von den Briten lernen: Von ihnen wurde beispielsweise der „bedside pharmacist“ erfunden, der heute weltweite Erfolge verzeichnet.

Es hat sich gezeigt – für Kassen und Gesundheitspolitiker besonders interessant –, dass sich diese Art der pharmazeutischen Betreuung, auch in der öffentlichen Apotheke, „rechnet“. Die Zukunftsvision, „Der Arzt bestimmt die Diagnose und Therapie, der Apotheker bestimmt das Arzneimittel und die Dosis“ ist dann gelebte Wirklichkeit. Dabei werden Leben gerettet und Geld gespart, wie sich zum Beispiel an der Verringerung iatrogener Todesfälle zeigen lässt. Zukünftig muss diese apothekerliche Kompetenz auch in der öffentlichen Apotheke – ohne Ressentiments – umgesetzt werden können. Gerade im Rahmen der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) sollten wir unsere Kompetenz einbringen. Jährlich werden deutschlandweit etwa 1,4 Milliarden Arzneimittel abgegeben. Vielfach haben Patienten mehr als einen verordnenden Arzt, die oft nichts voneinander wissen. In allen Fällen gehen aber ihre Rx- und OTC-Arzneimittel durch die Kontrolle eines Apothekers und/oder seines pharmazeutischen Personals, bevor sie beim Patienten beziehungsweise Verbraucher ankommen (ja, auch beim korrekt arbeitenden Versender). Deutschlands Apotheken haben im Jahr (derzeit noch) rund eine Milliarde Patientenkontakte. Hier können AMTS-Probleme im persönlichen Gespräch aktiv detektiert und beseitigt werden. Ja, es ist die originäre Aufgabe der Pharmazeuten, den Arzt hier zu kontrollieren. Wenn damit nur einer der vermeidbaren 28.000 Todesfälle verhindert wird, hat es sich schon gelohnt.

Kein „Entweder-oder“ sondern ein „Sowohl-als-auch“. Nur auf die pharmazeutische Betreuung zu setzen ist wegen der leichten (politischen) Verdrehung der Honorarspirale und den bisher zu weichen Definitionen der Aufgaben des Apothekers abzulehnen. Die Lehre aus der Historie: Das Einkommen des Apothekers muss sich stets aus einem Fixhonoraranteil UND einem am Arzneimittelpreis orientierten Anteil ergeben.

Über den Autor

Harald Schweim studierte Pharmazie an der Uni Hamburg. Nach Promotion und Habilitation in Pharmazeutischer Chemie folgte Anfang der 1990er-Jahre die Anstellung im Bundesdienst. 1993 wurde er Leiter des Fachbereichs Arzneimittelzulassungen im neu gegründeten Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) in Berlin, ab 1995 stand er dem Deutschen Institut für medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) in Köln als Direktor vor. Nach einigen Jahren als Präsident des BfArM – mittlerweile in Bonn – und als „Beauftragter für internationale Fragen der Arzneimittelqualität“ des Bundesgesundheitsministeriums war er bis zu seinem Ruhestand 2016 Professor für „Drug Regulatory ­Affairs“ an der Universität Bonn.



Prof. Dr. Harald Schweim, ehemaliger Präsident des BfArM
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

In Aussicht !

von ratatosk am 24.09.2019 um 18:45 Uhr

In Aussicht gestellt ! von Spahn !! noch Fragen bei diesem Minister? Die Geistermöhre für den Esel.
Das Großkapital bekommt konkret die Vernichtung der normalen Apotheken geliefert. - So siehts leider aus.

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Honorierte Dienstleistungen . . . nice to have - mehr leider nicht

von Uwe Hansmann am 24.09.2019 um 13:07 Uhr

Danke für den zutreffenden Kommentar!

Solange das Grundhonorar sich nahezu auf dem gleichen level wie 2004 - mit Einführung des GMG - bewegt, wird sich für die Apotheken nur wenig wirtschaftlich verbessern.

Das an sich ist und bleibt ein Skandal!

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Honorierte Dienstleistungen . . . nice

von Ulrich Ströh am 24.09.2019 um 14:26 Uhr

Das ist richtig, was Sie anmerken, lieber Kollege Hansmann !

Aber: jeder wird halt so schlecht behandelt, wie er es zulässt!

Jammern hilft nicht weiter!
Und diese pharm. Dienstleistungen auch nicht...

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