Alphega und Boots

Neuer pharmakogenetischer Test in niederländischen Apotheken

Remagen - 30.09.2019, 10:14 Uhr

In einigen niederländischen Alphega- (vormals Vivesco) und Boots-Apotheken gibt es ab Oktober einen neuen pharmakogenetischen Test . (s / Foto: imago images / ZUMA Press)

In einigen niederländischen Alphega- (vormals Vivesco) und Boots-Apotheken gibt es ab Oktober einen neuen pharmakogenetischen Test . (s / Foto: imago images / ZUMA Press)


Im Rahmen eines Pilotprojekts bieten Apotheken von Alphega und Boots in den Niederlanden ab dem nächsten Monat einen pharmakogenetischen Test an. Er soll helfen, massgeschneiderte Therapien zu liefern und durch genetische Dispositionen bedingte Arzneimittelrisiken abzufangen.

In einigen Fällen können genetische Unterschiede bei den Patienten dazu führen, dass sie unterschiedlich auf Arzneimittel reagieren. Was bei einer Person gut wirkt, kann bei einer anderen möglicherweise unwirksam sein oder bei einer dritten Person sogar unerwünschte Nebenwirkungen hervorrufen. Pharmakogenetische Tests können solche Unterschiede aufspüren und deshalb dabei helfen, Medikamente und Dosierungen zu überprüfen und bei Bedarf an die genetische Disposition einzelner Patienten anzupassen, ein wichtiger Schritt in Richtung personalisierterer Arzneimittel. Ein solcher pharmokogenetischer Test kommt ab Oktober neu in die niederländischen Alphega- und Boots-Apotheken.

Der „RightMed-Test“

Der „RightMed-Test“ wurde von dem in den USA ansässigen Unternehmen „OneOme“ entwickelt. Es soll sich um einen der umfassendsten pharmakogenetischen Tests handeln, die in Europa im Handel erhältlich sind. Der Test enthält insgesamt 27 Genvarianten und 300 Arzneimittel. Alle neuen Medikamente werden automatisch zu dem genetischen Profil hinzugefügt. Mehr als 160 Krankenhäuser und Kliniken in fünfzehn Ländern sollen den OneOme RightMed-Test bereits verwenden.

Wie der Test durchgeführt wird

Der Apotheker führt einen schmerzlosen Wangenabstrich durch. Das Wattestäbchen wird dann an ein spezielles OneOme-Labor geschickt. Nach etwa einer Woche vereinbart der Apotheker mit dem Patienten einen Folgetermin, um die Testergebnisse und etwaige Änderungen der Medikation zu besprechen. Änderungen werden immer mit dem behandelnden Arzt besprochen, vereinbart und von ihm überprüft. 

Da sich das genetische Profil eines Menschen im Laufe seines Lebens nicht ändert, muss ein Patient den Test nur einmal durchführen. Wenn neue Medikamente hinzugefügt werden, soll der Bericht über den Patienten automatisch und ohne zusätzliche Kosten aktualisiert werden können.

Der pharmakogenetische Tests ist zwar einfach durchzuführen, soll aber am besten in einer Apotheke gemacht werden, um die Qualität und Konsistenz der Medikation, um die es geht, sowohl zu Beginn der Verabreichung als auch während des späteren Kontrollbesuchs zu gewährleisten. 

Maßgeschneiderte Medikamente

Vor drei Jahren hatte Apotheker Gertjan Hooijman von der Alphega-Apotheke Asten damit begonnen, für Patienten mit schwerwiegenden Nebenwirkungen oder geringem Ansprechen pharmakogenetische Beratungen durchzuführen. Zu Beginn dieses Jahres ließ er dann die DNA von 100 Patienten analysieren, von denen 96 eine genetische Störung aufwiesen.

„Dank der engen Zusammenarbeit mit den Allgemeinärzten in Asten konnten mein Kollege und ich vielen Patienten mit einem pharmakogenetischen Test helfen", sagt Hooijman. „Diese Patienten hatten zum Beispiel unerklärliche Nebenwirkungen oder Medikamente, die nicht gut funktionierten.“ Der Test habe sich zum Beispiel bei Menschen als nützlich erwiesen, die Antidepressiva oder bestimmte Schmerzmittel verwendeten, schildert Hooijman. Dank der Pharmakogenetik könne man Patienten nun die richtige Medizin in der richtigen Dosierung anbieten

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Zunächst als Pilotprojekt

Der neue Test soll zunächst nur in fünfzehn Apotheken überall im Land zu haben sein. Alphega und Boots beabsichtigen jedoch, ihn schnell in allen 59 Boots-Apotheken und 132 Alphega-Apotheken zur Verfügung stellen zu können. Die Kosten für die Genotypisierung liegen nach Angaben der Unternehmen bei 285 Euro (einschließlich Mehrwertsteuer), die die Patienten noch selbst bezahlen müssen. „Wir erwarten, dass die Krankenversicherer die Vorteile eines pharmakogenetischen Tests in der Apotheke sehen und diese Kosten erstatten“, sagte Wilko Thijssen, Leiter Marketing und Kommunikation bei Alliance Healthcare Nederland. Alphega, vormals Vivesco, ist die Kooperation des internationalen Apotheken-Giganten Walgreens Boots Alliance.

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Europaweit vernetzt

Im Jahr 2001 gegründet, unterstützt Alphega Pharmacy mittlerweile über 6.600 unabhängige Apotheken in neun Ländern (Tschechische Republik, Frankreich, Italien, Niederlande, Spanien, Deutschland, Großbritannien, Türkei und Rumänien). In Deutschland zählt der Verbund zu den sichtbarsten Apothekenkooperationen. Alliance Healthcare Nederland ist Teil der Walgreens Boots Alliance.

Testkits in deutschen Apotheken

*Auch in deutsche Apotheken haben pharmakogenetische Tests bereits Einzug gehalten. Ein Beispiel hierfür ist „Stratipharm“, nach Angaben der dahinterstehenden Akteure ein „gemeinsames Projekt renommierter Pharmazeuten und innovativer Unternehmen“. Das Stratipharm-Testkit, das in Deutschland seit einigen Jahren in bestimmten Apotheken erhältlich ist, wird von der humatrix AG, einem auf die Analyse der menschlichen DNA spezialisiertes Biotechnologie-Unternehmen analysiert. Das Ergebnis der Laboranalyse enthält eine Liste aller Wirkstoffe, für die nach aktuellem Stand der zugrundeliegenden Stratipharm-Datenbank Hinweise und Empfehlungen für die Arzneimitteltherapie verfügbar sind. 

Das Projekt wird wissenschaftlich begleitet von einem Expertengremium, das sich aus den renommierten Frankfurter Pharmazie-Professoren Theo Dingermann, Manfred Schubert-Zsilavecz und Dieter Steinhilber zusammensetzt. Die einmalige Laboranalyse kostet 195,00 Euro, die direkt in der Apotheke oder Arztpraxis bezahlt werden müssen. Für die   Wirkstoffprüfung fallen jeweils 75,00 Euro oder einmalig 290,00 Euro an.

Kritische Stimmen

Auf der Entwicklung pharmakogenetischer Testungen ruhen zwar große Hoffnungen, jedoch wird dieser Prozess durchaus auch kritisch begleitet. Laut Auffassung des Gen-ethischen Netzwerks mit Sitz in Berlin, nach eigener Beschreibung eine „Gruppe kritischer Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen, ist der Nutzen pharmakogenetischer Tests in der klinischen Praxis ist bis heute ungeklärt.

Die klinische Anwendung stecke immer noch in den Anfängen, und für viele der Polymorphismen, die in der öffentlichen und fachöffentlichen Diskussion eine zentrale Rolle spielten, hätten sich pharmakogenetische Tests bislang kaum in der Praxis durchgesetzt, gibt das Netzwerk zu bedenken. Auch sei der Nachweis der klinischen Relevanz des Modells in der Regel bis heute nicht erbracht. Mit einer breiten Einführung pharmakogenetischer Tests für viele oder gar die Mehrzahl aller Medikamente rechnet das Gen-ethische Netzwerk auch längerfristig nicht. Von Seiten der Hersteller werde im Übrigen darauf gedrängt, pharmakogenetische Merkmale nicht als Ausschlusskriterium bei Arzneitherapien festzulegen und den Ärzten im Rahmen ihrer Therapiefreiheit einen Ermessensspielraum zu lassen. Weiterhin seien die Ärzte derzeit mehrheitlich fachlich nicht auf eine sachgerechte Anwendung pharmakogenetischer Tests und die daraus resultierenden Informationen vorbereitet, so die Vermutung des Netzwerks. Auch seien Computerprogramme, die derzeit zur Unterstützung bei Therapieentscheidungen diskutiert würden, bislang nicht systematisch validiert.

Weitere Hintergrundinformationen zu dem Thema finden sich unter anderem in dem Ergebnisbericht eines vom Bildungsministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts aus dem Jahr 2004 sowie in einem aktuelleren Positionspapier des Verbandes der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa).

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**Hinweis der Redaktion: Wir haben den Text mit neuen Informationen zu den Testkits in deutschen Apotheken angereichert. (Stand: 02.10.2019, 09:20 Uhr)



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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