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2. Oktober 2019
Mein liebes Tagebuch, wie haben die Grünen noch bis vor nicht allzu langer Zeit den Versandhandel, vor allem bei Arzneimitteln, hochgejubelt! Selbst als wir Apothekers schon auf die Nachteile für den Klimaschutz hinwiesen, weil Tausende von Arzneipäckchen von Holland nach Deutschland gefahren werden, wo doch die gleichen Arzneimittel vor der Haustüre in den Schubladen der Vor-Ort-Apotheken liegen. So ein bisschen Nach- und Umdenken scheint sich im Grünen-Lager jetzt einzustellen, aber leider nur ein bisschen. Bettina Hoffmann, Gesundheits- und Klima-Expertin in der Grünen-Bundestagsfraktion, sieht zwar, dass die explodierende Zahl der Online-Bestellungen Probleme mit sich bringt und gesundheitliche, soziale und ökologische Kosten auf die Gesellschaft abwälzt. Aber klar, so argumentiert sie im Interview mit DAZ..online, der Versandhandel sei für viele Menschen auch eine Entlastung, z. B. für mobilitätseingeschränkte oder chronisch kranke Menschen, die bestimmte Medikamente regelmäßig benötigen. Mein liebes Tagebuch, liest sich ein bisschen wie Herumeiern: Ja, Versandhandel macht CO2 und ist umweltschädlich, aber ja, er ist auch superbequem, die Leute brauchen ihn. Sie schlägt vor, dass sich Apotheker und Großhändler zusammensetzen und besprechen, wie man Mehrfach-Lieferungen reduzieren könnte. Mein liebes Tagebuch, fein, aber auf die Idee, dass man den, Arznei-Versandhandel, vor allem den von Holland nach Deutschland ächtet – kommt sie nicht. Immerhin sagt sie: „Der Botendienst ist zudem eine echte Alternative zur Versandapotheke, denn die Wege sind kürzer.“ Wäre schön, wenn die Grünen dafür mal öffentlich werben würden…
Lieferengpässe! Das Thema ist auf der Website der ABDA angekommen, aber auch in der Politik. Es tut sich was, zumindest redet man drüber. Gesundheitsexperten von CDU und CSU schlagen weitreichende Änderungen in der Lieferkette vor: Export-Verbote, Arzneimittelreserve, längere Fristen für die Vorratshaltung in Krankenhäusern, neue Fristen für Hersteller und Großhändler und wieder mehr Arzneimittelproduktion in Europa. Was die Unions-Politiker in Richtung Apotheke vorschlagen, passt: Laut Union wenden die Apotheken viel Zeit und Geld dafür auf, die Medikamente aufgrund der Vielzahl der Rabattverträge zu beschaffen. CDU/CSU schlagen daher vor, dass die Kassen nach den Ausschreibungen künftig immer mindestens zwei Firmen bezuschlagen. Außerdem sollen Verträge zudem kassenübergreifend und auf regionaler Ebene ausgeschrieben werden. Mein liebes Tagebuch, angesichts der Lieferengpässe wäre das doch wirklich passabel. Aber für den Vater der Rabattverträge, für Christopher Hermann von der AOK Baden-Württemberg, scheint dies Teufelszeug zu sein. Er wettert kräftig dagegen und meint, die Pharmalobby habe die Politik eingelullt, dass Rabattverträge Engpässe auslösten, und die Unions-Poliitker fielen darauf rein. Hermann rechnet vor, dass der deutsche Arzneimittelmarkt am globalen patentfreien Arzneimittelmarkt nur einen Anteil von 4 Prozent habe und davon nur ein Teil durch Arzneimittelrabattverträge gesteuert seien. Mein liebes Tagebuch, mit anderen Worten: Er will sein liebstes Kind, seine Rabattverträge nicht aufweichen. Dabei könnte ihm jede Apotheke, aber auch wirklich jede Apotheke nachweisen, dass es weniger Lieferengpässe gäbe und die Patienten schneller versorgt werden könnten, wenn die Kassen mit mindestens zwei, besser drei oder vier Herstellern Rabattverträge abschließen müssten. Gegen Starrsinn kann nur eine politische Entscheidung helfen.
10 Kommentare
Glaubwürdigkeit
von Reinhard Rodiger am 07.10.2019 um 1:13 Uhr
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Richtigstellung
von Joachim Sievers am 06.10.2019 um 11:33 Uhr
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AW: Richtigstellung
von Anita Peter am 06.10.2019 um 18:30 Uhr
AW: Richtigstellung
von Wolfgang Müller am 06.10.2019 um 19:51 Uhr
Delegierte
von Conny am 06.10.2019 um 10:48 Uhr
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Dienstleistungen... und Plan C!
von Gunnar Müller, Detmold am 06.10.2019 um 9:35 Uhr
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AW: Dienstleistungen... und Plan C
von A. Fischer am 08.10.2019 um 15:48 Uhr
Fremdbestimmung bis zur Selbstaufgabe?
von Christian Timme am 06.10.2019 um 8:43 Uhr
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Zeit zu handeln !
von Ulrich Ströh am 06.10.2019 um 8:24 Uhr
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AW: Zeit zu handeln
von Pillendreher am 08.10.2019 um 8:18 Uhr
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