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Verwaltungsgericht Gießen
Weniger Gefahr durch Kosmetikkabinen als durch EU-Arzneiversand
Geringer zeitlicher Umfang gefährdet Versorgungsauftrag nicht
Die Gießener Richter gehen auch auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Minden aus dem Jahr 2011 ein, mit der einer Apotheke Kosmetikbehandlungen untersagt wurden. Die Mindener Richter hatten unter anderem ausgeführt, dass jedenfalls eine Geschäftsgestaltung, die befürchten lässt, dass sich die Apotheke vom vorrangigen Arzneimittelversorgungsauftrag hin zum „Drugstore“ oder zum Kosmetikstudio entwickelt, mit den apothekenrechtlichen Vorgaben nicht vereinbar ist. Doch gerade dies fürchten die Gießener Richter in ihrem Fall nicht. Es seien nur zwei Kosmetikerinnen beschäftigt, die allenfalls an 2,5 Arbeitstagen in der Woche tätig seien. Das Gericht errechnet, dass gemessen an der Gesamtarbeitsleistung in der Apotheke die Kosmetik nur 6 bis 7 Prozent einnehme – damit könne der Hauptzweck der Apotheke nicht infrage gestellt werden.
Versandhandel sorgt für größere Gefahr
Abseits des zeitlichen Arguments halten es die Gießener Richter aber auch für wichtig, bei der rechtlichen Wertung die gesamte Entwicklung im deutschen und europäischen Apothekenwesen in den Blick zu nehmen. Es sei ein legitimes gesetzgeberisches Ziel, die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung dadurch sicherzustellen, dass sich Apotheken mit approbierten Apothekern und Fachangestellten vor Ort befinden. Und dieser Versorgungszweck scheint den Richtern durch die Zulassung und vermehrte Tätigkeit von Versandapotheken erheblich mehr gefährdet als durch mehr oder weniger geringfügige Nebenleistungen apothekenüblicher Art wie zum Beispiel Kosmetikbehandlungen. Im Urteil heißt es:
Nach der Erfahrung des Gerichts werden insbesondere chronisch Erkrankte dahin tendieren, ihre kontinuierliche Versorgung mit Medikamenten und Hilfsmitteln über Versandapotheken sicherzustellen, weil es sehr viel einfacher ist, ausgestellte Rezepte unmittelbar vom Arzt dorthin übermitteln zu lassen oder selbst per Post an die Online-Apotheke zu übermitteln, um die Medikamente und Hilfsmittel zugesandt zu erhalten, ohne eine ortsansässige Apotheke aufsuchen zu müssen, und damit ihren laufenden und abschätzbaren Versorgungbedarf sicherstellen zu können. Eine weitere Ausuferung dieses Trends würde zur Überzeugung des Gerichts dazu führen, dass nur noch Akut- oder Notfallpatienten die lokalen Apotheken vor Ort aufsuchen, weil die Versorgung über die Versandapotheke zu zeitaufwendig wäre. Mit einer derartigen Versorgung von Randgruppen wäre aber die Existenz der Apothekenlandschaft vor Ort in Deutschland insgesamt gefährdet.“
Und wen all diese Argumente nicht überzeugen: Letztlich halten die Richter die Untersagungsverfügung auch für rechtsmissbräuchlich – schließlich war der Behörde die Existenz der Kosmetikkabine seit Jahren bekannt.
Rechtskräftig ist das Urteil aber nicht. Die Berufung am Hessischen Verwaltungsgerichtshof ist bereits anhängig.
Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 25. März 2019, Az.: 4 K 3001/18.GI
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