Beratungsquickie

Fieber bei Kindern – senken oder nicht?

Stuttgart - 25.10.2019, 07:00 Uhr

Am besten misst man Fieber rektal mit einem digitalen Thermometer. Ein elektronisches Ohrthermometer birgt Fehlermöglichkeiten. Leidet das Kind, ist auch bei leichtem Fieber eine medikamentöse Senkung der Temperatur sinnvoll. ( r / Foto: natapetrovich / stock.adobe.com) 

Am besten misst man Fieber rektal mit einem digitalen Thermometer. Ein elektronisches Ohrthermometer birgt Fehlermöglichkeiten. Leidet das Kind, ist auch bei leichtem Fieber eine medikamentöse Senkung der Temperatur sinnvoll. ( r / Foto: natapetrovich / stock.adobe.com) 


Wenn Kleinkinder Fieber haben, dann suchen Eltern oft Rat in der Apotheke. Doch auch für Apotheker ist die Beratung in solchen Fällen nicht immer einfach. Sie haben das Kind (meist) nicht gesehen, und es gibt auch keine Leitlinien in Deutschland, denen man strikt folgen könnte. Wie kann man den Eltern im Umgang mit ihrem fiebernden Kind zu mehr Sicherheit verhelfen?

„Keine Angst vor mehr als 38,5 °C!“, titelte am 7. Oktober das Nachrichtenportal Medscape. Studiendaten und neuerdings auch eine App (im Rahmen einer Registerstudie, gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung) könnten beim „souveränen Umgang“ mit Fieber beim Kind helfen. Anlass der Meldung war der Kongress für Kinder- und Jugendmedizin in München, wo Prof. Dr. David Martin, Inhaber des Lehrstuhls für Medizintheorie, Integrative und Anthroposophische Medizin an der Universität Witten/Herdecke, einen Vortrag hielt. Darin bezog er sich beispielsweise auf eine Studie mit hospitalisierten Patienten, die 2005 sogar abgebrochen werden musste, weil sich zeigte, dass eine frühzeitige fiebersenkende Therapie ab einer Körpertemperatur von 38,5 °C mit einem höheren Risiko für Infektion sowie Tod verbunden war als bei einer aktiven Fiebersenkung ab 40 °C. Bei erhöhten Temperaturen scheint der Körper Infektionen besser bekämpfen zu können. Jedoch sei bei Patienten mit Verdacht auf Hirnschädigungen sowie bei Neugeborenen Fieber unbedingt ein Alarmsignal, zitiert Medscape Martin. Was kann man Eltern in der Apotheke also raten? Sollten sie ihrem Kind ein Antipyretikum geben?

Zwischen Schüttelfrost und Schwitzen: Was ist Fieber?

Fieber ist eine Begleiterscheinung fast aller Infektionen. Endotoxine gramnegativer Bakterien und Viren können Fieber auslösen.

Bei Fieber reguliert der Körper seine Kerntemperatur nach oben, also über 37 °C. Unmittelbar nach Umstellung wirken die sonst normalen 37 °C wie eine Unterkühlung. Der Körper versucht weniger Wärme abzugeben und löst eine Vasokonstriktion der Hautgefäße, Kältezittern („Schüttelfrost“) und ein subjektives Kältegefühl aus. Geht das Fieber wieder zurück, nimmt der Körper seine bis dahin aufrechterhaltene Kerntemperatur als zu hoch wahr: Deshalb kennzeichnen Schweißausbrüche, Vasodilatation der Hautgefäße und subjektives Wärmegefühl die „Entfieberungsphase“.

Die molekularen Mechanismen der Fieberreaktion sind deutlich komplexer: Sowohl das Immunsystem und endokrine System als auch das Zentralnervensystem sind daran beteiligt. (Quelle: Mutschler Arzneimittelwirkungen, 10. Auflage, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart)

Martin hat mit seinem Team laut Medscape alle weltweit verfügbaren Leitlinien zum Thema Fieber analysiert. Von 48 Original-Leitlinien sollen ein Drittel eine Fiebersenkung oberhalb eines bestimmten Schwellenwertes empfehlen – die meisten ab 38,5 °C, aber manche auch erst ab 39 °C oder auch 40,5 °C. Auch wenn DAZ.online keine offizielle deutsche Leitlinie zum Umgang mit fiebernden Kindern finden konnte, von der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ) gibt es seit 2018 eine Elterninformation mit dem Titel „Mein Kind hat Fieber“.

Körpertemperatur: Wann ist es Fieber?

  • Normal: 36,6 bis 38 °C
  • Fieber: ab 38,5 °C
  • Tolerierbares Fieber: 38,5 °C oder sogar über 39 °C, solange das Kind genug trinkt und munter ist
  • Fiebersenkung: ab 40 °C – im Regelfall; eine absolute Grenze gibt es nicht
  • Neugeborene in den ersten vier Wochen gelten schon ab 38 °C als fiebernd!

(Quelle: Elterninformation der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V.)

Dort wird auch auf die besondere Situation bei Neugeborenen und jungen Säuglingen verwiesen: Diese können schwere Infektionen haben, ohne dass Fieber auftritt. Fallen solche Kinder durch Trinkunlust, Veränderung der Hautfarbe oder Berührungsempfindlichkeit sowie andere für die Eltern ungewöhnliche Zeichen auf, sollte der Kinderarzt aufgesucht werden – auch ohne Fieber! Gleiches gelte auch für Kinder, bei denen aufgrund einer Grunderkrankung oder durch Medikamente das Immunsystem beeinträchtigt ist.

Doch was ist mit den Kindern, die zwar offensichtlich Fieber haben und zu Hause bleiben sollten, bei denen die Erfahrung der Eltern aber nicht unbedingt für einen Arztbesuch spricht? Sollte in der Apotheke eine Ibuprofen- oder Paracetamol-Gabe empfohlen werden?

Fiebersenkung: Wann sind Ibuprofen und Paracetamol angezeigt?

„Bei Kindern, die trotz erhöhter Körpertemperatur munter sind und normal essen und trinken, müssen keine Maßnahmen ergriffen werden“, schreibt die DGKJ. Fühlt sich das Kind aber schlecht, hat Muskel- und Gliederschmerzen, ist appetitlos und quengelig, sei auch bei niedrigeren Temperaturen eine Fiebersenkung sinnvoll. Andererseits gebe es aber Kinder, die selbst von hohem Fieber relativ unbeeinträchtigt bleiben und die dann auch keine Fiebersenkung benötigen. Eine absolute Grenze, ab der eine Fiebersenkung notwendig ist, gebe es nicht. Dem Experten Martin zufolge, schreibt Medscape, könne ein gesundes Kind auch 40 °C oder 41 °C Körpertemperatur gut aushalten.

Ursachensuche hat Priorität vor Fiebersenkung

Wenn Fieber Rätsel aufgibt

Ein Interview mit dem Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin Prof. Dr. Fred Zepp

„Grundsätzlich spricht nichts gegen Ibuprofen“

Zäpfchen, Säfte, Schmelztabletten – an Darreichungsformen von Ibuprofen oder Paracetamol mangelt es in der Apotheke nicht. Laut DGKJ könne ausprobiert werden, auf welchen Wirkstoff das Kind  individuell besser anspricht. Beide Wirkstoffe in Kombination (oder abwechselnd beziehungsweise nacheinander) sollten jedoch nicht gegeben werden.

Wickel: feucht, aber nicht kalt!

Ergänzend können laut DGKJ bei hohem Fieber Bauch- oder Wadenwickel eingesetzt werden. Die Wickel sollten feucht und körperwarm, aber nicht kalt sein. Sie sollten nur zur Anwendung kommen, wenn die Extremitäten warm (und gut durchblutet) sind, sodass das Kind die Wärme besser an die Umgebung abgeben kann. Wenn das Kind friert sollte es warm eingepackt werden. Schwitzt es stark, reicht eine leichte Decke.

Fieber mit kompliziertem Verlauf

Alle genannten Maßnahmen lindern nur die Beschwerden. Fiebersenkung ist somit kein Ersatz für eine Untersuchung durch einen Kinder- oder Jugendarzt, schreibt die DGKJ: Ein (erneuter) Arztbesuch ist unverzichtbar, wenn 

  • Das Kind berührungsempfindlich ist,
  • schrill schreit oder
  • den Eltern insgesamt verändert und schwer krank vorkommt.

Früher wurde oft geraten, bei Kindern, die zu Fieberkrämpfen neigen, schon frühzeitig den Einsatz von fiebersenkenden Medikamenten zu erwägen. Dies wird heute nicht mehr empfohlen, da nachgewiesen sei, dass die frühe Fiebersenkung entgegen der Erwartung nicht die Entstehung von Fieberkrämpfen verhindert, schreibt die DGKJ. Krampfanfälle sollen häufig im Fieberanstieg auftreten und deshalb nicht vorherzusehen sein.

In der KiGGS Welle 2 (Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland) liegt die Lebenszeitprävalenz von Fieberkrämpfen für drei- bis sechsjährige Kinder mit 5,4 Prozent im oberen Bereich der für Westeuropa aus anderen Studien berichteten Prävalenz. Im älteren Kindes- und Jugendalter sollen Fieberkrämpfe nur noch selten auftreten. KiGGS definiert Fieberkrämpfe dabei so:  


Ein Fieberkrampf ist ein epileptischer Anfall nach dem ersten Lebensmonat, der in Verbindung mit einer fieberhaften Erkrankung meist bei Körpertemperaturen >38 °C auftritt, sofern die Erkrankung nicht durch eine Infektion des zentralen Nervensystems verursacht ist. Anfälle symptomatischen Ursprungs (z. B. durch Hypoglykämie, Elektrolytstörung, Hirntumor) und vorausgehende Neugeborenenanfälle oder fieberfreie Anfälle werden nicht als Fieberkrampf gewertet. Fieberkrämpfe sind die häufigste Form epileptischer Krampfanfälle und ereignen sich meist im Alter von 6 Monaten bis 6 Jahren, am häufigsten treten sie um den 18. Lebensmonat auf.“

Ergebnisse aus KiGGS Welle 2, Bundesgesundheitsblatt 2019 · 62:1162–1173


Zum Thema Fieberkrämpfe hat die DGKJ eine separate Elterninformation herausgegeben. 

DAZ.online Serie

Beratungsquickies

Im besten und häufigsten Fall ist Fieber also harmlos. Mit klinischer Untersuchung und Urintestung sollen rund 90 Prozent aller Fieberzustände erklärt (Mittelohrentzündung, Mandelentzündung, Bronchitis, Magen-Darm-Infektion usw.) und auch gezielt behandelt werden können. Bei den meisten liege eine Virusinfektion zugrunde, sodass in den wenigsten Fällen eine antibiotische Behandlung notwendig ist, schreibt die DGKJ außerdem.

In seltenen Fällen kann das Fieber aber auch nicht auf eine Infektionskrankheit zurückgeführt werden. Dieser Fall bedarf dann einer gezielten Abklärung mit pädiatrischen Spezialisten.



Diana Moll, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (dm)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


0 Kommentare

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.