Hilfestellung im BMJ

Was Kunden und das Gesundheitspersonal zu Gentests für zu Hause wissen sollten

Remagen - 04.11.2019, 10:15 Uhr

Die Testkits enthalten in der Regel Anweisungen und Ausrüstung zur Entnahme eine Speichelprobe, die die Kunden zur Analyse an den Anbieter schicken. (s / Foto:  stanislav_uvarov/ stock.adobe.com)

Die Testkits enthalten in der Regel Anweisungen und Ausrüstung zur Entnahme eine Speichelprobe, die die Kunden zur Analyse an den Anbieter schicken. (s / Foto:  stanislav_uvarov/ stock.adobe.com)


Hand aufs Herz: Haben Sie schon mal einen Gentest machen lassen? Solche Tests sind vor allem über das Internet zu bekommen, ohne Rezept, ohne vorherige Beratung. Aber halten sie auch, was sie versprechen? Englische Wissenschaftler zeigen in einem Fachartikel auf, was dabei zu beachten ist und wie eine Beratung zu OTC-Gentests ausgelegt sein könnte.

Direct-to-Consumer (DTC bzw. OTC) Gentests erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Sie werden vielfach online eingekauft. Die Testkits enthalten in der Regel Anweisungen und Ausrüstung zur Entnahme eine Speichelprobe, die die Kunden zur Analyse an den Anbieter schicken. Einige versprechen Einblicke in Abstammungs- oder Krankheitsrisiken. Andere behaupten, Informationen über die Persönlichkeit oder sportliche Fähigkeiten zu liefern. Gesundheits- oder krankheitsrelevante Gentests werden oft ohne Rücksprache mit einem Angehörigen der Gesundheitsberufe erworben. Selten werden die Patienten im Vorfeld vernünftig aufgeklärt. Ein Autorenteam vom College für Medizin und Gesundheit an der Universität Exeter will Gesundheitsdienstleistern, die damit konfrontiert werden, eine Hilfestellung an die Hand geben. Im British Medical Journal beschreiben sie, welche Arten von Gesundheitsinformationen die Tests liefern und welche Einschränkungen sie haben können. Außerdem geben sie wertvolle Tipps dazu, wie Patienten in Bezug auf solche Tests beraten werden sollten.

Was analysieren DTC-Gentests?

Die meisten DTC-Gentests sequenzieren nicht das gesamte Genom. Sie verwenden in der Regel eine Methode namens SNP-Chip-Genotypisierung, die das Vorhandensein oder Fehlen spezifischer Varianten im gesamten genetischen Code überprüft, wie bestimmte einzelne Nukleotidpolymorphismen (SNPs) oder kleine Einfügungen oder Löschungen. Als weitere Methode, die in DTC-Gentests immer häufiger verwendet wird, führen die Autoren die Genomsequenzierung an. Die Tests sequenzieren fast den gesamten genetischen Code und identifizieren die darin vorhandenen Varianten.

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Welche Art von Informationen liefern die Tests?

DTC-Gentests können diverse Arten von Gesundheitsinformationen bereitstellen: Polygene Risikoscores kombinieren zahlreiche gemeinsame Varianten im Genom, um eine Person in eine breite Risikokategorie einzuordnen. Die Validität und der Nutzen solcher Risikobewertungen für prädiktive klinische Zwecke seien heftig umstritten, betonen die Exeter Wissenschaftler. Ihrer Meinung nach können polygene Werte zwar nützlich sein, um die Ursachen von Krankheiten zu erforschen oder Populationen in höhere und niedrigere Risiken zu stratifizieren, aber sie seien selten in der Lage, Krankheiten sinnvoll vorherzusagen.

Eine andere Information ist ein Genotyp an einer bestimmten Stelle, der die Wahrscheinlichkeit der Entwicklung bestimmter Krankheiten beeinflussen könnte. Als Beispiel wird das Vorliegen von ein oder zwei Kopien des APOE ε4-Allels als stärkster Risikofaktor für die spätere Entstehung einer Alzheimer-Erkrankung angeführt. Mit dieser Art von Tests können auch Varianten identifiziert werden, die den Arzneimittelstoffwechsel beeinflussen.

Das Carrier Screening untersucht spezifische Varianten, um Personen zu identifizieren, die Träger für eine bestimmte autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung sind. Es wird häufig von Paaren genutzt, die eine Schwangerschaft in Erwägung ziehen und vorher feststellen möchten, ob das Kind genetische Erkrankungen erben würde.

Grenzen und Patientenaufklärung

Einige Anbieter von DTC-Gentests stellen nur genetische Roh-Daten zur Verfügung. Die Kunden können ihre Daten herunterladen und diese dann von Dritten interpretieren lassen. Diese arbeiten in der Regel so, dass sie die Daten mit frei verfügbaren genetischen Datenbanken abgleichen und einen Bericht erstellen, der auf Interpretationen in diesen Datenbanken basiert. 

Was sind die Grenzen von DTC-Gentests?

Die Interpretation genetischer Daten ist komplex und kontextabhängig. Sie könnten leicht falsch interpretiert werden, warnen die Wissenschaftler. Außerdem könnten die Tests sowohl zu falsch positiven als auch zu fasch negativen Ergebnissen führen. Hierzu beschreiben sie in der Publikation einige interessante Beispiele aus der Praxis. Im Übrigen bedeute ein durch einen OTC-Test identifiziertes Risiko oft nicht, dass ein Patient das betreffende Gesundheitsproblem auch tatsächlich entwickeln werde. Sofern es keine entsprechende Familiengeschichte der Krankheit gibt, halten die Autoren den Vorhersagewert für gering. Gibt es eine persönliche oder familiäre Vorgeschichte, so raten sie dringend dazu, die Person an die klinische Genetik zu überwiesen, auch dann, wenn der Gentest zu ihrer Beruhigung ausgefallen ist. Auf keinen Fall sollten die Ergebnisse frei erhältlicher genetischer Tests dazu verwendet werden, ohne weitere Prüfung Gesundheitsentscheidungen zu treffen, so die klipp und klare Empfehlung.

Was sollte im Patienten-Gespräch angesprochen werden?

Zunächst sollten die Kunden gefragt werden, warum sie den Test machen wollen. Wenn sie eine spezifische klinische Frage haben, die auf einer persönlichen oder familiären Vorgeschichte einer wahrscheinlichen genetischen Erkrankung begründet ist, wären sie wahrscheinlich besser dran, den Test im Rahmen ihrer normalen Gesundheitsversorgung durchführen zu lassen, meinen die Wissenschaftler aus Exeter. Sie sollten gefragt werden, ob das DTC-Gentestunternehmen „reale“ Berater vorhält, mit denen sie sprechen können und ob diese entsprechend qualifiziert sind.

Außerdem sollten die Kunden dazu angehalten werden, alle Informationen über den Test zu lesen. Manchmal hätten die Tests erhebliche Einschränkungen, geben die Autoren zu bedenken. Diese wie auch Haftungsausschlüsse seien zwar in der Regel auf den Webseiten der Anbieter verfügbar, fänden sich jedoch meist im sehr umfangreichen „Kleingedruckten“. Die Kunden sollten auch darüber nachzudenken, wie sich ein Testergebnis auf Ihre Familie auswirken könnte. Last but not least sollte das Thema Datenschutz nicht fehlen. Die Nutzer solcher Tests sollten gefragt werden, ob es für sie gegebenenfalls akzeptabel ist, dass das DTC Gentestunternehmen ihre genetischen Daten sammelt, speichert, verkauft oder erforscht und ob sie wissen, wer Zugriff auf Ihre Daten haben könnte.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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