OTC-Gipfel

Glaeske und Dingermann streiten sich über Arzneimittelbewertungen

Düsseldorf/Stuttgart - 08.11.2019, 12:15 Uhr

Theo Dingermann (rechts) hält nichts von pauschalen Arzneimittelbewertungen wie Gerd Glaeske sie für Stiftung Warentest vornimmt. (Foto: Müller/AV Nordrhein)

Theo Dingermann (rechts) hält nichts von pauschalen Arzneimittelbewertungen wie Gerd Glaeske sie für Stiftung Warentest vornimmt. (Foto: Müller/AV Nordrhein)


Nützen Arzneimitteltests den Patienten oder verunsichern sie eher? Darum ging es beim 7. OTC-Gipfel, der am gestrigen Donnerstag in Düsseldorf stattfand. Dazu hatte der Veranstalter, der Apothekerverband Nordrhein, unter anderem Deutschlands Arzneimitteltester schlechthin, Professor Gerd Glaeske, zur Diskussion geladen. Zuvor machte Professor Theo Dingermann in einem Impulsvortrag klar, dass er von pauschalen Abwertungen, wie Glaeske sie vornimmt, nichts hält, sondern die Eignung eines Arzneimittels seiner Ansicht nach immer vom Behandlungsanlass abhängt.

Regelmäßig veröffentlicht Stiftung Warentest Arzneimitteltest, die dann von zahlreichen Medien aufgegriffen werden. An der Bewertung maßgeblich beteiligt als Mitglied der Expertenkommission ist in der Regel Professor Gerd Glaeske aus Bremen. Von daher war es wenig verwunderlich, dass der Apothekerverband Nordrhein ihn zu der Diskussionsrunde zum Thema „OTC-Arzneimitteltests“ beim OTC-Gipfel in Düsseldorf eingeladen hatte, wo er mit Dr. Elmar Kroth vom BAH, Professor Theo Dingermann, Chefredakteur der Pharmazeutischen Zeitung, Dr. Volker Runge von der Paritätischen Gesundheitshilfe NRW und Thomas Preis vom AV Nordrhein diskutierte. 

Den Einstieg ins Thema gab jedoch Theo Dingermann mit einem Impulsreferat. Darin machte er klar, dass es seiner Ansicht nach nicht möglich ist, ein Arzneimittel als geeignet oder weniger geeignet zu bewerten, ohne den Behandlungsanlass zu kennen. „Man kann ein Arzneimittel nicht losgelöst vom Patienten bewerten“, so Dingermann. Bewertungen, wie sie bei Stiftung Warentest vorgenommen werden, gehörten, wenn überhaupt, in die Fachpresse. Dingermann hält aber grundsätzlich wenig davon, Arzneimittel als nicht oder wenig geeignet einzustufen. Auch davon, Kombinationen pauschal zu verteufeln, wie Stiftung Warentest es tut, hält Dingermann nichts. Viel mehr wünsche er sich eine Einstufung, wie sie in Leitlinien vorgenommen wird, mit Soll-, Sollte- und Kann-Empfehlungen für Fachkreise.

„Jede Apotheke sollte eine AMK haben“

Dingermanns Idealvorstellung wäre, dass jede Apotheke eine eigene Arzneimittelkommission hat. Der soll das komplette pharmazeutische Personal angehören. Deren Aufgabe wäre es dann, eine Arzneimittelliste für die Apotheke auszuarbeiten. Die Entscheidung, ob etwas aufgenommen werden soll oder nicht, soll aufgrund begründeter und überprüfbarer Angaben getroffen werden. Zudem ist in Dingermanns Augen eine Expertendendatenbank wünschenswert, die Handlungsoptionen vorschlägt. Die gehöre aber nicht in die Hände der Patienten, sondern in die Hände des pharmazeutischen Personals. Aus diesen Handlungsoptionen könne eine Entscheidungsvorauswahl in Form von Empfehlungslisten getroffen werden. Die Entscheidung, was zum Einsatz komme, müsse dann aber in Kenntnis des konkreten Falls getroffen werden.

„Aber bei 25 bis 30 Prozent der OTC finden wir keine Wirksamkeitsnachweise “

In der anschließenden Diskussion verteidigte Glaeske die Herangehensweise von Stiftung Warentest. Er gebe Dingermann in vielen Punkten Recht, erklärte er. Aber eine gewisse Struktur sei wichtig. Das AMG, auf das er im Übrigen sehr stolz sei, fordere nun mal Wirksamkeitsnachweise und wenn ein Hersteller eine Indikation für sein Mittel beansprucht, müsse er die Wirksamkeit nachweisen. „Aber bei 25 bis 30 Prozent der OTC finden wir nichts“, so Glaeske. „Wir belohnen Hersteller, die was für ihre Präparate tun. Die Bewertung zeigt, wie viele Studien da sind.“ 

Dass Apotheker Patienten etwas ausreden, erwarte er gar nicht, sondern nur, dass sie gegebenenfalls eine Warnung aussprechen. Auch er würde niemandem MediNait ausreden wollen, aber darauf hinweisen, dass es Alkohol und Paracetamol enthält, so Glaeske. Zuvor hatte Thomas Preis noch angemerkt, dass der Streit um die Wirksamkeitsnachweise in seinen Augen ein professoraler sei und in die Fachkreise gehöre. Er bestätigte zudem, dass sich Bewertungen von Warentest durchaus bemerkbar machen. „Plötzlich gehen die Monopräparate durch die Decke“, sagte er.

„Staubsauger kann man bewerten, aber nicht Arzneimittel“

Elmar Kroth vom BAH machte deutlich, dass auch er nichts von der Bewertung von Arzneimitteln hält. „Das können sie bei einem Staubsauger machen, der Strom ist immer gleich, das ist reproduzierbar. Aber Menschen sind unterschiedlich. Und selbst bei ein und derselben Person, kann ein Mittel, das früher einmal geeignet war, sich heute nicht mehr eigenen.“ Aus diesem Grund hält Kroth auch eine Verbraucherampel, wie sie vom Vertreter der Paritätischen Gesundheitshilfe Runge ins Spiel gebracht worden war, für Arzneimittel als ungeeignet. Runge wünschte sich nämlich ein Instrument, das es im erlaubt, die Empfehlungen des Apothekers auf Augenhöhe zu diskutieren und nicht nur ihm, sondern auch „Oma Kasulke“, also weniger aufgeklärten Verbrauchern. In Runges Augen werden nämlich vor allem diese Patienten verunsichert. Aufgeklärte Verbraucher, zu denen er sich selbst auch zählt, könnten nachfragen. „Ich rufe dann bei Herrn Glaeske an und frage ihn“, erklärte er.

Eine abschließende Antwort auf die Frage, ob diese Tests nun nützlich sind oder nicht, fand die Runde nicht. Moderator Dr. Dennis Ballwieser vom Wort & Bild Verlag merkte noch an, dass man auch die Journalisten, die über diese Tests berichteten, in die Pflicht nehmen müsse, weil  vielleicht auch deren Berichterstattung und gar nicht der Test selbst für die Verunsicherung sorgten. Einig war man sich allerdings über die Wichtigkeit des Apothekers im OTC-Bereich, dessen Aufgabe darin besteht, für jeden Patienten aufgrund seines individuellen Behandlungsanlasses das passende Mittel zu empfehlen – oder gegebenenfalls auch mal gar keines.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


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3 Kommentare

Glaeske hat recht, denn.....

von Manuel P. am 13.11.2019 um 15:56 Uhr

....die beiden anderen Herren trauen es dem Patienten wohl nicht zu, in der Lage zu sein, simplen Empfehlungen zu folgen, welche schließlich durch fundierte Studien belegt sind.

Dazu stelle ich als informierter Patient fest, dass man NIEMALS einem Arzt oder Apotheker 100% Glauben schenken darf... Heute verlasse ich mich da lieber auf Erfahrungsberichte von Menschen, welche das betreffende Präparat bereits eingenommen haben. Hätte ich das früher getan, wären mir viele Nebenwirkungen unter Azathioprin, Humira, Entyvio, Stelara erspart geblieben.

Eine Schande, was die forschenden Pharmaunternehmen da auf Schwerstkranke loslassen....die Langzeitfolgen dieser Wundermittel sind nicht absehbar, die Nebenwirkungen teils lebensbedrohlich, obwohl die zu behandelnde Erkrankung in der Regel nicht tödlich verläuft.

Ich will mich nicht für 20 Jahre heilen lassen, um dann am Ende Krebs von den glücksspendenden Medikamenten zu bekommen.....herrscht da in der Forschung wirklich eine derart misanthrope Haltung vor??

Und bei Naturheilmitteln wie Stuhltransplantation, Wurmeier, Cannabis mauern Ärzte und Kassen....kennen wir alles....eine Schande!

Sollten die Herren doch froh sein, dass in laienhaft verständlicher Sprache einmal zuviel vor Nebenwirkungen und/oder Wechselwirkungen gewarnt wird; Am Ende sucht der informierte Patient bei Unsicherheit den Rat seines Arztes oder Apothekers.

Danke an Prof. Dr. Glaeske und alle Mitstreiter für den mündigen und informierten Patienten!

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Der Experte schlechthin ! - und für Alles

von ratatosk am 11.11.2019 um 11:30 Uhr

Für Glaeske gilt der weise Spruch von Polt " ich brauch ja gar kein Gegenargument, ich bin ja selber schon dagegen "
Wer bei der Komplexen Materie pauschal alles in Frage stellt, disqualifiziert sich selbst. Aber der Glaeske lernt es auch nicht mehr, nur die Zeit wird diesen als Problem lösen können. Dümmlich arrogant auch so Sätze wie, " ich erwarte gar nicht, daß Apotheker von was abraten " - gehts noch ! Keinerlei Ahnung von der Praxis aber als alimentierter Staatsdiener schlaue Sprüche klopfen ! solche Typen haben auch den Schwund der Achtung vor Professoren verursacht. Komplett wird die Truppe durch Lauterbach, wollen wir nicht vergessen, er will ja auch immer die Nase im Presserummel haben, egal mit was.

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Dingermann vs. Glaeske

von So am Rande am 11.11.2019 um 7:53 Uhr

Aus persönlicher Erfahrung kann ich nur sagen: Wenn Dingermann Glaeske widerspricht, dann kann man davon ausgehen, dass man Dingermann glauben sollte. Ich habe niemals wieder einen Professor mit einer so differenzierten Meinung und so fundiertem Fachwissen kennengelernt.

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