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Niemegk, Brandenburg
Apotheke weg, Arzt weg – Bürger gehen auf die Straße
In der brandenburgischen Kleinstadt Niemegk protestierten Anfang der Woche zahlreiche Bürger gegen die sich ausweitenden Probleme in der medizinischen Versorgung der Gemeinde. Seit Mitte des Jahres läuft die Arzneimittelversorgung nach Schließung der einzigen Apotheke über eine Rezeptsammelstelle. Akuter Anlass der Protestaktion ist der Wegzug einer Arztpraxis. DAZ.online hat sich nach Verlauf und Hintergründen des Bürgerprotestes erkundigt.
Nicht zum ersten Mal in diesem Jahr geht es in der brandenburgischen Kleinstadt Niemegk um die sich immer weiter verschlechternde medizinische Versorgung. Nach Schließung der einzigen Apotheke Ende April und Einrichtung einer Rezeptsammelstelle im Juli ist die medizinische Versorgung durch Wegzug einer der beiden Arztpraxen beeinträchtigt. Die verbleibende Praxis kann zudem keine neuen Patienten versorgen.
Die Niemegker Bürger wollen diese Situation nicht länger hinnehmen und versammelten sich aus diesem Anlass am 11. November zu einer Protestaktion auf dem Kirchplatz in Niemegk. Auf den Plakaten hieß es teilweise „Gesucht: Doc und DocMorris“. Auch auf großes mediales Interesse ist diese deutliche Äußerung des Unmutes getroffen. So berichtete unter anderem der rbb in seiner abendlichen Nachrichtensendung „Brandenburg aktuell“ von den Ereignissen. DAZ.online hat bei dem für Niemegk zuständigen Amtsdirektor Thomas Hemmerling nachgefragt, der während der Protestaktion vor Ort war.
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Wie DAZ.online bereits im Juli berichtete, gibt es in Niemegk seit Anfang Mai dieses Jahres keine Apotheke mehr. Die alteingesessene Robert-Koch-Apotheke konnte ihren Betrieb wegen fehlendem Nachfolger nicht weiterführen. Seitdem können die Niemegker auf eine Rezeptsammelstelle zurückgreifen, die von der Fläming-Apotheke aus dem benachbarten Straach, Ortsteil der Lutherstadt-Wittenberg (Sachsen-Anhalt), betrieben wird.
Die Niemegker Bürger trauern ihrer Apotheke verständlicherweise immer noch nach, dennoch habe sich nach Angaben von Amtsdirektor Thomas Hemmerling die Einrichtung der Rezeptsammelstelle bewährt. „Die Rezeptsammelstelle ist für uns eine sehr gute Übergangslösung. Die Leute können mit Medikamenten hier vor Ort versorgt werden. Es ist auch ein sehr guter Service, der da von der Fläming-Apotheke angeboten wird. Aber dieser Rezeptsammelkasten kann natürlich keine Apotheke ersetzen“, erläutert Hemmerling.
Wegzug von Arztpraxis führt zu Protesten
Die Bürgerproteste in Niemegk richten sich in erster Linie gegen den Wegzug einer der beiden örtlichen Allgemeinarztpraxen. Seit ungefähr vier Wochen ist für das große Einzugsgebiet nur noch eine Arztpraxis in Niemegk zuständig – und die verfügt nicht über ausreichende Kapazitäten, um weitere Patienten zu versorgen. Andere Praxen sind weit entfernt und nur umständlich per Bus zu erreichen. „Es war schon mit zwei Arztpraxen so gewesen, dass die Wartezimmer immer voll waren, man lange Wartezeiten hatte. Weil wirklich tausende Leute aus der ganzen Region in Niemegk im Rahmen der Grundversorgung, die wir gewährleisten, hier zum Arzt gekommen sind. Mit einer Praxis ist das überhaupt nicht zu leisten“, beschreibt Hemmerling die Situation.
Die Arztpraxis, die jetzt in Niemegk fehlt, gehört zum Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) Bad Belzig. Der Träger des MVZ, die Klinik Ernst von Bergmann Bad Belzig GmbH, habe sich aufgrund eines akuten Ärztemangels gezwungen gesehen, die Hausarztpraxis von Niemegk nach Bad Belzig zu verlegen, um dort den Betrieb weiter aufrechterhalten zu können – berichten sowohl Amtsdirektor Hemmerling gegenüber DAZ.online als auch der Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg Christian Wehry gegenüber dem rbb.
Amtsdirektor Hemmerling zu dem Bürgerprotest: „Ich war hoch erfreut und überrascht, wie viel Resonanz die Sache gefunden hat, dass so viele Leute trotz der klirrenden Kälte – also alle waren durchgefroren auf dem Kirchplatz in Niemegk – doch da hingefunden haben und sich an der Demonstration beteiligt haben, weil auch wirklich eine große Betroffenheit der Menschen hier vor Ort ist.“
Die Demonstration sei zudem gut organisiert und nicht reißerisch gewesen: „Die Organisatorin der Demonstration war Gabi Eisenberger, eine Bürgerin aus einem kleinen Dorf hier in der Nähe von Niemegk, die auch wirklich persönlich von diesem Wegbruch betroffen ist. Sie ist außerdem Gemeinderatsmitglied und hat das toll organisiert. Das war auch nicht reißerisch. Das war ein progressiver, ein nach vorne gerichteter Protest.“
Bessere medizinische Versorgung erwünscht – und Apotheker gesucht
Nicht nur der Wegzug der Arztpraxis schmerzt, auch die fehlende Apotheke ist nicht optimal, berichtet Hemmerling. Er beobachtet: „Wir haben in Niemegk gemerkt, dass es sowohl in der Apothekenversorgung als auch in der ärztlichen Versorgung offensichtlich einen großen Fachkräftemangel gibt beziehungsweise auch wenig Bereitschaft, hier im noch ländlichen Raum für die Versorgung der Bevölkerung Verantwortung zu übernehmen.“ Dabei entwickle sich die Gemeinde ansonsten gut, was auch an der Nähe zur Metropolregion Berlin liege. Die Gemeinde investiere zudem in die Infrastruktur – auch in die soziale, so Hemmerling.
Der Ort wünsche sich einen Apotheker, der bereit sei, eine Apotheke zu eröffnen. „Wir warten darauf, dass sich jemand hier bei uns meldet, der sagt, ich bin Apotheker, ich würde gerne eine Apotheke eröffnen. Da stehen wir auch mit Rat und Tat seitens der Stadt Niemegk zur Seite“, erläutert – und wünscht sich – der Niemegker Amtsdirektor.
8 Kommentare
über Alternativen nachdenken
von Uwe Hüsgen am 13.11.2019 um 19:28 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 3 Antworten
AW: über Alternativen nachdenken
von Wolfgang Müller am 14.11.2019 um 9:17 Uhr
AW: über Alternativen nachdenken
von Uwe Hüsgen am 14.11.2019 um 9:48 Uhr
AW: über Alternativen nachdenken
von Wolfgang Müller am 14.11.2019 um 10:17 Uhr
Die Ernte wird eingefahren
von ratatosk am 13.11.2019 um 18:27 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
Erleichterung: Für die Jungen, für Orte wie Niemegk
von Wolfgang Müller am 13.11.2019 um 12:34 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort
AW: Erleichterung: Für die Jungen, für
von Thomas Kerlag am 13.11.2019 um 20:14 Uhr
Apotheke weg
von Peter Bauer am 13.11.2019 um 12:02 Uhr
» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten
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