- DAZ.online
- News
- Politik
- Christiansen bedauert ...
Apothekerkammer Schleswig-Holstein
Christiansen bedauert Geheimhaltung bei pharmazeutischen Dienstleistungen
Dr. Kai Christiansen, Präsident der Apothekerkammer Schleswig-Holstein, appellierte bei der gestrigen Kammerversammlung an die Apotheker, in der Berufspolitik mehr auf die Chancen statt nur auf die Risiken zu sehen, beispielsweise bei der neuen Botendienstregelung und beim E-Rezept. Zugleich kritisierte er die Geheimhaltung zu den neuen Dienstleistungen und die ökonomischen Aspekte der Digitalisierung. Zur Überarbeitung der Approbationsordnung forderte er, die Hochschullehrer einzubeziehen.
Das Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG) ist für Christiansen „nicht die beste Lösung, aber es ist die zurzeit bestmögliche Lösung“ – und nur eine „Zwischenlösung“. Der EuGH habe nur die Handelsseite der Apotheken gesehen und die Versorgungsfunktion ausgeblendet. „Wir alle wissen, Apotheke ist viel mehr. Dieses Mehr müssen wir definieren“, forderte Christiansen. Er hoffe, dass das VOASG den Apothekern die Zeit dafür gebe. Doch Christiansen beklagte die negative Sichtweise der Apotheker: „Statt Chancen sehen wir die Risiken und Nebenwirkungen“ und das ganze Lobbying richte sich auf diese Risiken. Die berufspolitische Motivation speise sich also nicht aus den Möglichkeiten, sondern aus der Angst vor der Krise.
Chancen durch Botendienst und Dienstleistungen
So würden die neuen Botendienstregelungen verteufelt, statt sie als wichtigen Schritt zu feiern, „die flächendeckende Versorgung auch in Zukunft mit immer weniger Apotheken weiter gewährleisten zu können“. Die Länder hätten über den Bundesrat den klaren Auftrag erteilt, die Kombination aus Telepharmazie und Botendienst zu nutzen. Bezeichnend sei, dass die Politik den Begriff Telepharmazie ins Spiel gebracht habe und nicht die ABDA. Christiansen bedauerte, dass die ABDA die Auswahl der geplanten pharmazeutischen Dienstleistungen geheim hält. Sie sollten nicht zerredet werden, aber so könne man keine Rückkopplung geben. Ihn beschleiche das Gefühl, auch dabei würden die Risiken mehr beachtet als die Chancen. Die Hürden würden so hoch gelegt, dass nur kein anderer die Leistungen erbringen könne. Doch dann werde auch so manche Vor-Ort-Apotheke dabei Schwierigkeiten bekommen, fürchtet Christiansen.
Telepakt in Schleswig-Holstein
Zudem sollten die Apotheker das E-Rezept als Möglichkeit für die Apotheke sehen, sich vom Standort des Arztes unabhängig zu machen, forderte Christiansen. Er berichtete über den „Telepakt“, den Modellversuch für das E-Rezept in Schleswig-Holstein. In den Arbeitssitzungen könnten die Beteiligten sich sehr gut darüber austauschen, was ihnen jeweils besonders wichtig ist. Er halte diesen weiteren Modellversuch für sinnvoll, weil die Gematik hoffentlich die besten Lösungen übernehmen werde. Um noch Einfluss zu nehmen, müsse man daher schnell sein.
Mehr zum Thema
„Telepakt Schleswig-Holstein“
Froese kündigt E-Rezept-Modellprojekt in Schleswig-Holstein an
Digitalisierung mit menschlichem Antlitz
Zur Digitalisierung erklärte Christiansen weiter: „Für einen Mann mit Hammer ist die ganze Welt ein Nagel und für Spahn mit seinem Handy ist die ganze Welt eine digitale.“ So würde es Spahn nicht schaden, „wenn er die Welt nicht nur durch die Kamera seines Handys betrachtet“. Zudem verwies Christiansen auf eine Darstellung von Dr. Reinhard Herzog im „Aktuellen Wirtschaftsdienst für Apotheker“. Herzog beschreibe die Digitalisierung „als einen der größten ökonomischen Raubzüge und Fortschritt ins Nichts“, denn Wertschöpfungsketten würden immer länger und das System immer fragiler. Viele neue Player seien nur am Gewinn, aber nicht an der Versorgung interessiert. Daher sieht Christiansen eine Aufgabe der Apotheker darin, „der Digitalisierung in unserem Bereich ein menschliches Antlitz zu geben“. Er ergänzte: „Auch in einer digitalen Welt wollen wir nah am Patienten sein, am besten noch näher als jetzt schon“.
Warnung an die Krankenkassen: Lieferengpässe nicht bei Retaxationen ausnutzen
Eine Schattenseite der Ökonomisierung seien auch die Lieferengpässe. Die Apotheker würden dafür enormen unbezahlten Mehraufwand erbringen. Christiansen warnte die Retaxationsabteilungen der Krankenkassen deutlich, „diese Situation im Nachhinein nicht gegen die Apotheken zu verwenden.“ Er ergänzte, für den Vorschlag aus der Politik, zunächst 24 Stunden zu warten, ob ein Arzneimittel wirklich nicht lieferbar ist, würde man in der Schule nachsitzen müssen.
Approbationsordnung auch mit Hochschullehrern diskutieren
Zum Beschluss der Bundesapothekerkammer, die Approbationsordnung anzupassen, mahnte Christiansen, die einheitliche Approbation müsse erhalten bleiben. Außerdem müssten die Apotheker aufpassen, nicht irgendwann zu einem kleinen Anhängsel der medizinischen Fakultät zu werden, wenn der Anteil der Chemie immer kleiner werde. Auch Schleswig-Holstein habe sich für die Weiterentwicklung der Approbationsordnung ausgesprochen, aber bemängelt, dass die Hochschullehrer in den bisherigen Diskussionsprozess nicht eingebunden gewesen seien. Daher freue es ihn, dass BAK-Präsident Dr. Andreas Kiefer zugesagt habe, jetzt Gespräche mit allen Beteiligten zu führen. In der anschließenden Diskussion wurde kritisiert, dass die Chance zur Diskussion mit den Hochschullehrern beim Deutschen Apothekertag nicht genutzt wurde. Denn die Debatte sei dort über einen Geschäftsordnungsantrag beendet worden.
Einen Bericht zu weiteren Inhalten der Kammerversammlung finden Sie in der nächsten DAZ.
0 Kommentare
Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.