Neues Arzneimittel bei Narkolepsie

Solriamfetol bei Narkolepsie und Schlaf-Apnoe

Stuttgart - 22.11.2019, 09:00 Uhr

Solriamfetol soll Patienten mit ausgeprägter Tagesmüdigkeit, die im Zusammenhang mit Narkolepsie oder Schlafapnoe auftritt, helfen. In den USA gibt es Sunosi bereits, nun hat auch die EMA die Zulassung empfohlen. (Foto: golubovy / stock.adobe.com)

Solriamfetol soll Patienten mit ausgeprägter Tagesmüdigkeit, die im Zusammenhang mit Narkolepsie oder Schlafapnoe auftritt, helfen. In den USA gibt es Sunosi bereits, nun hat auch die EMA die Zulassung empfohlen. (Foto: golubovy / stock.adobe.com)


Der Humanarzneimittelausschuss der EMA empfiehlt die Zulassung eines neuen Arzneimittels zur Behandlung übermäßiger Tagesschläfrigkeit, die aufgrund von Narkolepsie oder obstruktiver Schlafapnoe besteht. Solriamfetol (Sunosi) soll als Noradrenalin- und Dopamin-Wiederaufnahmehemmer die Wachheit der Patienten verbessern. Bislang finden bei Narkolepsie unter anderem Modafinil, Natriumoxybat und Methylphenidat Anwendung.

Geht es nach dem Willen des CHMP (Committee for Medicinal Products for Human Use) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA), wird Solriamfetol künftig eine Therapieoption für Patienten mit ausgeprägter Tagesschläfrigkeit. Sunosi® soll als Noradrenalin- und Dopamin-Wiederaufnahmehemmer die Wachheit von Patienten mit Narkolepsie und obstruktiver Schlafapnoe verbessern. In den Vereinigten Staaten erteilte die FDA Sunosi vor wenigen Monaten, im März 2019, die Zulassung.

Folgt nun auch die Europäische Kommission der Empfehlung des Humanarzneimittelausschusses, lautet die vollständige Indikation von Solriamfetol: „Sunosi® ist indiziert, um bei erwachsenen Patienten mit Narkolepsie (mit oder ohne Kataplexie) oder Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe (OSA), wenn die Tagesschläfrigkeit durch die primäre OSA-Therapie, wie kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck, nicht ausreichend behandelt ist, die Wachheit zu verbessern und die übermäßige Tagesschläfrigkeit zu reduzieren“. Wie auch in den USA sind Tabletten zu 75 mg und 150 mg Solriamfetol geplant, die der Patient einmal täglich morgens einnehmen muss. Bislang ist nur die amerikanische Fachinformation zu Sunosi® veröffentlicht, dort liegt die Startdosis in der Behandlung der Narkolepsie bei 75 mg, Patienten mit Schlafapnoe beginnen mit 37,5 mg Solriamfetol.

Nicht mit MAO-Hemmern

Kontraindiziert ist Sunosi® bei MAO-Hemmertherapie, Vorsicht ist bei Patienten mit Psychosen und bipolaren Störungen in der Anamnese geboten. Auch warnt der Hersteller Jazz Pharma in der US-amerikanischen Fachinformation davor, Solriamfetol bei Patienten mit instabilen Herz-Kreislauferkrankungen oder Arrhythmien anzuwenden. Die häufigsten unter Solriamfetol beobachteten unerwünschten Wirkungen waren Kopfschmerzen, Übelkeit, Appetitminderung, Schlaflosigkeit und Angststörungen.

Verminderung von Orexin-Neuronen

Narkolepsie ist eine Erkrankung, bei der die Schlaf-Wach-Regulation gestört ist. Volkstümlich wird die Form der Hypersomnie auch als Schlafkrankheit oder Schlummersucht bezeichnet. Als Auslöser werden Infektionen und autoimmune Prozesse diskutiert, die Ursache ist ungeklärt (abgesehen von sekundären Narkolepsien, siehe unten). Neuere Ergebnisse weisen auf einen Verlust der sogenannten Hypocretin- beziehungsweise Orexin-Neurone im Hypothalamus hin sowie Störungen im cholinergen, noradrenergen, histaminergen und weiteren Transmittersystemen. 

Orexin beeinflusst als Neuropeptidhormon des Hypothalamus das Essverhalten und den Schlafrhythmus. Es hat stoffwechselfördernde (katabole) Funktionen, wie eine Erhöhung der Körpertemperatur, Gewichtsverlust, eine erhöhte Aufmerksamkeit und Wachheit. Die Reduktion von Orexin im Liquor unter die Nachweisgrenze ist ein hochsensitiver und spezifischer Befund für die idiopathische, nicht familiäre Narkolepsie mit Kataplexie, hingegen ist Hypocretin weniger sensitiv bei Narkolepsie ohne Kataplexie.

Hinsichtlich der Prävalenz bewegt man sich bei Narkolepsie in Bereichen von 26 bis 50 Erkrankten pro 100.000 Einwohner, wobei eine hohe Dunkelziffer angenommen wird. Die Erkrankung manifestiert sich vor allem zwischen dem 15. und 40. Lebensjahr und hält lebenslang an.

Symptome einer Narkolepsie

Narkolepsie kann in unterschiedlichen Formen auftreten, unter klassischer Narkolepsie versteht man eine Narkolepsie, die mit Kataplexie – einem teilweisen oder vollständigen Verlust der Muskelspannung – einhergeht. Daneben gibt es eine Form der Narkolepsie ohne Kataplexie (monosymptomatische Narkolepsie) und sekundäre Narkolepsien, aufgrund struktureller Läsionen im Hypothalamus oder oberen Hirnstamm, die ihre Ursache in Tumoren oder Ischämien haben können.

Zu den klinischen Symptomen einer Narkolepsie zählen Tagesschläfrigkeit mit Tagschlafepisoden, praktisch obligat und meist als Erstmanifestationssymptom, und Kataplexie bei 80 bis 90 Prozent der Patienten (meist zweites Symptom), wobei typische Auslöser für Kataplexie stark emotionale Reaktionen wie Lachen, Freude Überraschung, Ärger, Furcht oder andere starke Gemütsregungen sind. Bei je etwa der Hälfte der Narkolepsiepatienten treten Schlaflähmung (beim Einschlafen oder Aufwachen vorübergehende Unfähigkeit sich zu bewegen), hypnagoge Halluzinationen (schlafbedingte visuelle/auditive Halluzinationen mit falscher Wahrnehmungen beim Einschlafen oder Aufwachen, etwa Gestalten sehen oder Geräusche hören), gestörter Nachtschlaf (leichter Schlaf, häufiges Aufwachen, stundenlanges Wachliegen, Albträume) und automatisches Verhalten (alltägliche Handlungen werden unbewusst beim Einnicken fortgeführt, zum Beispiel Essen oder Schreiben).

Modafinil und Natriumoxybat bislang Mittel der Wahl

Die Behandlungsmöglichkeiten bei Narkolepsie sind überschaubar. Zu den Therapien zählen nichtmedikamentöse und medikamentöse Maßnahmen. Die verhaltensmodifizierenden Maßnahmen umfassen Copingstrategien (Bewältigungsstrategien), Schlafhygiene (zum Beispiel fester Schlaf-Wachrhythmus auch an freien Tagen) und individuell angepasste Tagesschlafepisoden (bewusst eingebaute Tageschlafepisoden). Die ÄZQ (Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin) rät zudem in einem extra erstellten Patientenratgeber zu Narkolepsie, dass Patienten regelmäßig körperlich aktiv sein sollen, da Bewegung und Sport gut gegen Müdigkeit seien und vor Situationen, die hohe Konzentration erfordern, Coffein zu sich zu nehmen, etwa Kaffee, schwarzen Tee oder Cola.

Die derzeit sich in Überarbeitung befindende Leitlinie Narkolepsie empfiehlt als Therapie der ersten Wahl Modafinil mit 200 bis 400 mg/d, was bei 70 bis 80 Prozent der Patienten wirksam sein soll. 
Auch Natriumoxybat (Gamma-Hydroxybuttersäure) ist unter dem Handelsnamen Xyrem® zur Behandlung der Narkolepsie zugelassen. Es bessert laut Leitlinie alle Kernsymptome der Narkolepsie und wirkt sich auch positiv auf die nächtliche Schlafarchitektur aus. Bei Patienten, bei denen eine schwere Kataplexie zusätzlich zur Tagesschläfrigkeit vorliegt oder bei denen Kataplexie, fragmentierter Nachtschlaf und exzessive Tagesschläfrigkeit äquivalent vorhanden sind, kann Natrium-Oxybat auch statt Modafinil als First-Line-Therapie auch für das Zielsymptom Tagesschläfrigkeit eingesetzt werden.

Off-Label Amphetaminderivate

Eine Kombination von Natrium-Oxybat und Modafinil wirkt additiv bezüglich Tagesschläfrigkeit, ist aber mit einer etwas höheren Inzidenz von Nebenwirkungen behaftet im Vergleich zur Monotherapie, was sich in Tremor und Parästhesien zeigen kann. 

Auch Methylphenidat ist zugelassen zur Behandlung der Tagesschläfrigkeit mit Dosierungen von 10 bis 60 mg/d. Daneben finden off-Label Ephedrin oder Dextroamphetamin oder Selegilin bei refraktärer Tagesschläfrigkeit Anwendung.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Fehlendes Medikament

von Jörg am 23.11.2019 um 12:21 Uhr

Es gibt ein weiteres Mittel gegen die Tagesmüdigkeit bei Narkolepsie. Pitolisant (Wakix). Mich hat es zwar nicht in der Wirkung überzeugt, doch erwähnt sollte es werden.

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