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Eppendorfer Dialog
DocMorris contra Apotheker „im Gestern“
Die Apotheke vor Ort müsste sich ganz neu aufstellen und mit Partnern auf einer digitalen Versorgungsplattform zusammenarbeiten - dies war das Fazit des Eppendorfer Dialogs am 4. Dezember in Hamburg. Dabei präsentierte DocMorris-Vorstand Max Müller sein Unternehmen als zukunftsorientierte Apotheke, die heute schon böte, was die Vor-Ort-Apotheken künftig machen wollten.
„Bleibt die Apotheke vor Ort?“ war der Titel des Eppendorfer Dialogs. Hintergrund war das Apothekenstärkungsgesetz. Doch DocMorris-Vorstand Max Müller dominierte die Diskussion und ließ die Veranstaltung phasenweise fast wie eine Werbeaktion für DocMorris erscheinen. Müller erläuterte, dass DocMorris schon heute die Medikation seiner Patienten kostenlos analysiere, wie es die Vor-Ort-Apotheken für die Zukunft planen. Doch bestand Einigkeit, dass die Vor-Ort-Apotheken bestehen bleiben, weil sie digitale Leistungen individuell übersetzen. Um die neuen digitalen Angebote stemmen zu können, müssten sie sich mit Partnern in Versorgungsplattformen organisieren. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich zeigte sich sehr interessiert, mit den Apothekern über die Zukunft zu diskutieren. Doch er beklagte, solche Gespräche fänden nicht statt, weil Apotheker im Regelfall „im Gestern leben“ und den Status quo verteidigen würden.
Neues Gesetz nur mit OK aus Brüssel
Aber der Reihe nach: Hennrich zeigte sich besorgt über die Schließung von Apotheken - wegen der Versorgung und weil die Apotheken „gute Arbeitgeber“ seien. Er bekannte sich zu „seinem Sündenfall“, 2003 „in vorauseilendem Gehorsam“ für den Arzneimittelversand gestimmt zu haben. Doch er sei der Erste gewesen, der 2016 das Rx-Versandverbot gefordert habe. Da dies politisch nicht durchsetzbar sei, solle nun die Gleichpreisigkeit in der GKV erreicht werden. Dies müsse „mit Brüssel“ geklärt werden. Hennrich machte deutlich: Das Apothekenstärkungsgesetz wird nur kommen, wenn Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in Brüssel Rechtsklarheit schafft. Damit war dieses Thema abgehakt.
Danach ging es darum, wie die „Apotheke der Zukunft“ aussehen wird. Hennrich erwartet Spezialisierungen, beispielsweise für Diabetes oder Onkologie sowie Aufgaben in der Prävention. Er betonte die Grippeimpfung, weil damit im Ausland die Impfquoten erhöht worden seien. Das Medikationsmanagement im Sinne des ARMIN-Modells sehe er skeptisch, weil dies möglicherweise bald durch künstliche Intelligenz zu leisten sei. Mittelfristiges Potenzial sehe er dagegen für die Apotheken bei einer möglichen Legalisierung von Cannabis.
Apothekerzukunft als Heilberufler
Dr. Kerstin Kemmritz, Präsidentin der Apothekerkammer Berlin, ging nicht auf die wirtschaftlichen und ordnungspolitischen Aspekte des Versandes ein, sondern konzentrierte sich auf die heilberuflichen Angebote der Apotheker. Mit solchen Leistungen habe die Apotheke vor Ort gute Karten. Sie sehe die Apotheken als „Gesundheitsmanager, Gatekeeper und Therapiebegleiter“. Pharmazeutische Dienstleistungen müssten zum Standard in der GKV werden. Apotheker würden zum Übersetzer der künstlichen Intelligenz und zur „empathischen Kontrollinstanz“. In anderen Ländern zeige sich bereits, was möglich sei. Doch in Deutschland müsse dringend Bürokratie abgebaut werden, um Zeit für solche Leistungen zu gewinnen. Von der Politik forderte Kemmritz, pharmazeutische Kompetenz zu nutzen und zu vergüten und für „gleich lange Spieße“ zu sorgen.
Digitales von Heute und Morgen
DocMorris-Vorstand Max Müller erklärte: „Die Apotheke bleibt vor Ort, aber sie wird nicht sein wie heute.“ Zu den von Kemmritz angekündigten Leistungen fragte Müller: „Warum machen Sie das nicht?“ DocMorris prüfe jede Bestellung pharmazeutisch, nutze dabei auch Algorithmen und spreche daraufhin mit Patienten und Ärzten über mögliche Probleme. Damit seien etwa 130 Pharmazeuten beschäftigt, die 20 Prozent ihrer Arbeitszeit für die Schulung nutzen. Dies sei eine attraktive Arbeit, weil die Apotheker und PTA „nicht verkaufen“ müssten. Die Digitalisierung helfe auch, Therapieabbrüche zu verhindern und ländliche Regionen zu versorgen. Sie biete zudem mehr Zeit für „sprechende Pharmazie“. Er erwarte außerdem, dass künftig ein Patient im Spanienurlaub einem Apotheker sein Smartphone zeigen könne und dann dort so beraten werde wie zu Hause.
Vielfalt der Menschen beachten
Corinna Mühlhausen, Trendforscherin und Gastprofessorin an der Technischen Hochschule Lübeck, berichtete über jüngste Ergebnisse des „Health Report 2020“ von „Trendcoach“. Demnach würden bei Gesundheitsentscheidungen 70 Prozent der Befragten auf ihren Arzt, aber nur 13 Prozent auf ihren Apotheker vertrauen. Die Studie zeige zudem, dass die gängigen Typologien der Marktforschung nicht differenziert genug seien. Mühlhausen entwickelte daraufhin 28 Verbrauchertypen. Sie empfahl, sich mit dieser Vielfalt der Menschen zu beschäftigen, um daraus Erkenntnisse für das eigene Unternehmen zu gewinnen.
Partner für Plattformen nötig
Als Beispiel für einen Vor-Ort-Apotheker, der sich intensiv mit modernen Entwicklungen beschäftigt, komplettierte Steffen Kuhnert, Düren, die Runde. Er bekräftigte, dass die Apotheken intern schon sehr viel digital machen. Doch zu den Sorgen über Apothekenschließungen erklärte Kuhnert: „Wir machen uns selbst mega-verrückt.“ Sein Credo war, dass die Apotheken sich verändern und die Apotheker unternehmerischer denken müssten. Sie sollten Lotsen in der Mitte der Gesellschaft sein und dafür auch bezahlt werden. Letztlich werde aber immer der Kunde entscheiden und für den Kunden zähle die Convenience. Das sei aber nicht das Anstehen in der Schlange, sondern eher die Rezeptbestellung über „Alexa“. Um solche digitalen Angebote machen und mit großen Unternehmen konkurrieren zu können, müssten sich Apotheken allerdings mit Partnern auf Plattformen organisieren. Von der Berufspolitik forderte Kuhnert, konkrete Schritte zu machen. Die Apotheken hätten schon viel versäumt. So fragte Kuhnert, warum es Geräte zum Health-Tracking nicht in der Apotheke gebe.
Offene Fragen trotz Diskussion
In der Diskussion fragte Moderator Prof. Dr. Achim Jockwig, der selbst Arzt ist, ob Hausärzte durch die neuen Leistungen der Apotheker überflüssig würden. Er gab zu verstehen, dass er dort Konfliktpotenzial sehe. Außerdem ging es um unterschiedliche Wettbewerbsbedingungen zwischen Versand- und Vor-Ort-Apotheken. Doch Müller betonte, dass die Versender zu denselben Preisen einkaufen würden. Zudem fließe die Gewerbesteuer im Gewerbegebiet Avantis je zur Hälfte ins deutsche Aachen und ins niederländische Heerlen. Zur Frage nach fachlichen Kontrollen erklärte Müller: Wenn die deutsche Fachpresse etwas zu diesem Thema schreibe, komme kurz danach die niederländische Kontrollbehörde zu DocMorris. Zu den deutschen Apotheken meinte Hennrich dagegen, das Kernproblem sei, dass die Diskussion gar nicht stattfinde. Zur jüngsten Debatte über Lieferengpässe erklärte Hennrich: Wenn die nötige Diskussion über dieses Thema auf Rabattverträge reduziert werde, steige er aus. So endete der Eppendorfer Dialog mit der Zuversicht, dass die Apotheken vor Ort bleiben werden, aber ohne die zentrale Frage anzusprechen, wie die teure flächendeckende Vor-Ort-Versorgung langfristig finanziert werden soll.
10 Kommentare
Die Apotheke ist seit über 750 Jahren modern, weil wandlungsfähig
von Christoph Gulde am 06.12.2019 um 12:34 Uhr
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An Herrn Hennrich
von Stefan Haydn am 06.12.2019 um 10:44 Uhr
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Apotheker sind von gestern
von Conny am 06.12.2019 um 9:49 Uhr
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Zentrale Frage der Finanzierung fasst niemand an
von Dirk Krüger am 06.12.2019 um 9:36 Uhr
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AW: Zentrale Frage der Finanzierung fasst
von Christian Springob am 06.12.2019 um 10:27 Uhr
AW: Zentrale Frage der Finanzierung fasst
von Dirk Krüger am 06.12.2019 um 12:34 Uhr
Heil der Digitalisierung
von Christian Springob am 06.12.2019 um 9:16 Uhr
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"Apotheker sind von gestern"
von Dr. Detlef Eichberg am 06.12.2019 um 8:14 Uhr
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Moment mal
von Stefan Haydn am 05.12.2019 um 20:07 Uhr
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Teure flächendeckende Vor-Ort-Versorgung.
von Roland Mückschel am 05.12.2019 um 12:26 Uhr
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