Erstattungsmarkt USA

Die dunklen Machenschaften der Pharmacy Benefit Manager

Remagen - 10.12.2019, 09:00 Uhr

Die PBM-Konzerne (Pharmacy Benefit Manager), wie Express Scripts, werden in den USA für ihre Modelle der Arzneimittelversorgung immer wieder heftig kritisiert. (Foto: dpa)

Die PBM-Konzerne (Pharmacy Benefit Manager), wie Express Scripts, werden in den USA für ihre Modelle der Arzneimittelversorgung immer wieder heftig kritisiert. (Foto: dpa)


Eigentlich sollen die so genannten „Pharmacy Benefit Manager“ im US-amerikanischen Gesundheitssystem bei der Arzneimittelversorgung Kosten sparen. Über die Jahre haben sie aber offensichtlich eine Menge Findungsreichtum entwickelt, um selbst einen Batzen Geld aus dem System herauszuziehen. Die Empörung der Politik und der Öffentlichkeit darüber nimmt zu.

In den USA beauftragen Krankenkassen häufig externe Unternehmen damit, ihre Programme für die Arzneimittelversorgung zu gestalten und zu verwalten. Die Pharmacy Benefit Manager (PBMs) sind zuständig für die Entwicklung und Aufrechterhaltung der „Formularies“, das heißt der Kataloge der erstattungsfähigen Rx-Arzneimittel. Sie schließen Verträge mit Apotheken ab und vergüten diesen nachher ihre Leistungen. Außerdem handeln sie Rabatte mit Arzneimittelherstellern aus, um die Versorgung möglichst kostengünstig zu gestalten. Was dabei herausspringt, sollte eigentlich den Versicherungsunternehmen und damit letzten Endes den versicherten Patienten zugutekommen. 

Von Kostensparern zu unkalkulierbaren Kostentreibern

Die PBM-Industrie reklamiert auch für sich, dass sie diesen Anspruch erfüllt. Erst in der letzten Woche brüstete sich der nationale Verband der Pharmacy Benefit Manager, die Pharmaceutical Care Management Association, damit, dass der Einzelshandels-Nettopreisindex für die rezeptpflichtige Arzneimittel im Jahr 2018 um ein Prozent gesunken sei, was sie zum großen Teil auf Rabatte zurückführen, die selbst ausgehandelt haben.

Schenkt man den zunehmenden kritischen Presseberichten und Analysen Glauben, so sind die ursprünglichen Kostensparer jedoch in der Zwischenzeit tatsächlich zu unkalkulierbaren Kostentreibern mutiert. Sie sind nämlich längst nicht alle unabhängig, sondern agieren zum Teil in mächtigen Verbünden, womit Interessenkonflikte vorprogrammiert sind. Waren es in der ersten Hälfte der 90er Jahre zunächst vornehmlich Pharmaunternehmen, die sich PBMs einverleibten, so stiegen zu Beginn dieses Jahrtausends auch die Apothekenketten in das lukrative Geschäft ein. Die Merger gerieten zwar mehr und mehr unter den Radar der Wettbewerbshüter, aber dieser Tiger scheint auf die Dauer eher zahnlos zu bleiben.

Drei PBMs dominieren den Markt

Heute wird der Markt von den drei größten Pharmacy Benefit Managern CVS Caremark, einem Tochterunternehmen von CVS Health, Express Scripts, beide mit großen Apothekenketten „verbandelt“, und OptumRx des Krankenversicherungsriesen UnitedHealth dominiert. Im Jahr 2018 vereinten sie 76 Prozent des US-Marktes der erstattungsfähigen Arzneimittel auf sich. Sie sollen jeweils auf ein Jahreseinkommen von mehr als 15 Milliarden US-Dollar kommen.

Nach einem aktuellen Beitrag in dem Portal „pennlive.com“ aus Pennsylvania  sollen die Kosten für verschreibungspflichtige Arzneimittel in den USA seit dem Start der Pharmacy Benefit Manager im Jahr 1987 um 1129 Prozent gestiegen sein, und die tatsächlichen Ausgaben der Patienten aus eigener Tasche um fast 200 Prozent. 

Wie die PBMs Gewinne erzielen

Pharmacy Benefit Management-Unternehmen können auf verschiedenen Wegen erkleckliche Einnahmen erwirtschaften. Zum einen erheben sie Verwaltungs- und Servicegebühren. Zum anderen können sie Gewinne aus den Herstellerrabatten herausziehen. Herkömmliche PBMs geben den ausgehandelten Nettopreis der verschreibungspflichtigen Arzneimittel nicht an, sondern verkaufen die Arzneimittel zu einem öffentlichen Listenpreis weiter, der über dem mit dem Hersteller ausgehandelten Netto-Einkaufspreis liegt. Einsparungen gelten allgemein als Geschäftsgeheimnisse. In den letzten Jahren sind die BPMs außerdem dazu übergegangen, ihre „Direct and Indirect Remuneration (DIR) Fees“ http://www.pbmwatch.com/dir-fees.html auch auf ihre kommerziellen Angebote auszudehnen, wie etwa für die Zugehörigkeit einer Apotheke zu einem Netzwerk und andere Services. So werden die Apotheken indirekt dazu benutzt, um noch mehr Geld in ihre Kassen zu spülen.

„Clawback-Gebühren" führen zur Existenzbedrohung

Sämtliche Vorgänge rund um die theoretischen und die tatsächlich erzielten DIR-Gebühren der Pharmacy Benefit Manager sind hochgradig intransparent. Häufig fallen für die Apotheken wochen oder Monate nach Abgabe der Arzneimittel unerwartete Rückzahlungen „Clawback-Gebühren" an, die sie an die PBMs entrichten müssen. Nach einer kürzlich durchgeführte Umfrage der National Community Pharmacists Association unter unabhängigen Apothekern gaben fast zwei Drittel die „Clawback“-Gebühren als Grund für ihre Existenzbedrohung an. Fast sechzig Prozent befürchten, dass sie vor allem deswegen in den nächsten zwei Jahren schließen müssen.

Druck auf die unabhängigen Apotheken

In Pennsylvania hat sich Auditor General Eugene DePasquale im letzten Jahr bei unabhängigen Apothekern, den Pharmaunternehmen und bei der Pharmaceutical Care Management Association umgehört. Laut seinem Bericht von Dezember 2018 hat er drei Hauptbeobachtungen gemacht: mangelnde Transparenz, mangelnde Aufsicht bei der Vertragsgestaltung mit den öffentlichen Apotheken sowie Ungereimtheiten bei den Zahlungen an die Apotheken für die abgegebenen Arzneimittel. So wurden Apotheker bei der Vertragsgestaltung explizit unter Druck gesetzt. Wirtschaftlich ins Schlingern geratene Apotheken, die von PBMs vorher mit niedrigen Erstattungsraten traktiert worden waren, sollen zu einer leichten Beute für deren verbundene Apothekenketten werden.

Auch die Patienten sollen über den Tisch gezogen werden

Außerdem sollen die PBMs es den Apotheken vertraglich untersagt haben, die Kunden aktiv darüber aufzuklären, dass sie ein Arzneimittel auch direkt selber in der Apotheke bezahlen können, wenn der Preis niedriger ist als die Zuzahlung im Erstattungsfall. („gag rules”). Dies soll immerhin auf etwa ein Viertel der Fälle zutreffen. Dabei haben die PBMs das Nachsehen, denn der Zuzahlungsbetrag basiert nicht auf dem vertraulichen Nettopreis, sondern auf dem öffentlichen Listenpreis. Die Patienten zahlen also in der Apotheke mehr als sie eigentlich müßten. Die Differenz streichen die PBMs ein.

Der Auditor General aus Pennsylvania DePasquale fordert dringend USA-weit geltende Regeln, um dem unkontrollierten Treiben der PBMs Einhalt zu gebieten. Viele Bundesstaaten haben bereits Gesetze erlassen, um wenigstens die Transparenz zu erhöhen. Damit erübrigen sich nach den bisherigen Erfahrungen manchmal sogar noch weitergehenden Eingriffe. 

Donald Trump und die PBMs

Auch US-Präsident Donald Trump hat die PBM-Konzerne schon mehrfach kritisiert. Im Mai 2018 kündigte er Spargesetze in der Arzneimittelversorgung an. Die „Mittelsmänner“ des US-Gesundheitssystems müssten sich Sorgen machen, kündigte er an. Ohne konkrete Maßnahmen zu nennen erklärte Trump damals: „Wir werden diese Mittelsmänner weitgehend eliminieren. Die Mittelsmänner sind sehr reich geworden. Sie werden künftig nicht mehr so reich sein.“  Man werde es den „Mittelsmännern“ verbieten, Rabatte einzufahren, die eigentlich den Patienten zustünden. Ausdrücklich erwähnt wurden die Pharmacy Benefit Manager, die im Auftrag der Krankenversicherungen mit Apothekenkonzernen und Herstellern die Preise aushandeln, in diesem Zusammenhang zwar nicht. Die PBM-Konzerne dürften sich aber angesprochen fühlen, da sie Preise und Rabatte mit Apothekenkonzernen und Herstellern aushandeln und somit wie Mittelsmänner agieren.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Alles in den USA schon lange bekannt

von ratatosk am 10.12.2019 um 18:38 Uhr

Wer auch mal amerikanische Zeitungen studiert, kennt dies längst, natürlich auch die Amis selber. Scheint nur deutsche Politiker, die diesen Irrsinn ja immer so vorbildlich ansehen, zu überraschen. Das ist eben der angelsächsische Ansatz, wir haben dafür das GKV Wohl über alle anderen Interessen gesetzt. Geheimverhandlungen und Boni für Kassenfunktionäre, statt der ursprünglichen vernünftig handhabbaren Festbeträge. Und natürlich die abzockende volle Märchensteuer.

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Alles in den USA schon lange bekannt

von Carola Hartl am 11.12.2019 um 8:47 Uhr

Und wer verdient bei uns an den Festbetragsverhandlungen und den Krankenkassenverträgen am meisten?!
Honi soi qui mal y pense!

Das vorerst Beste kommt immer zum Schluss ... gag rules

von Christian Timme am 10.12.2019 um 10:00 Uhr

Knebler und Würger von der (A)lles(O)hne(K) & Co. aufgepasst ... "Friday for my Money" ist comming ...

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