Maßnahmen gegen Defekte

BfArM-Präsident: Preise sind bei Engpässen ein „wesentlicher Faktor“

Berlin - 19.12.2019, 17:09 Uhr

BfArM-Präsident Broich findet so manche Arzneimittel zu billig. (c / Foto: BfArM)

BfArM-Präsident Broich findet so manche Arzneimittel zu billig. (c / Foto: BfArM)


„Die billigsten Medikamente sind oft zu billig“

Gefragt, warum es überhaupt zu Engpässen komme, erklärt Broich, Hauptgrund seien Qualitätsprobleme in der Herstellung der Grundstoffe oder der fertigen Arzneimittel und dass häufig nur noch ein oder jedenfalls wenige Unternehmen einen Wirkstoff oder ein Arzneimittel produzieren. Man habe es aber schon geschafft, weitere Hersteller zu ermuntern, wieder aktiv zu werden. Etwa mit einer besonders schnellen Prüfung eines Zulassungsantrags. Broich betont allerdings auch, dass der Staat keinen direkten Einfluss auf Unternehmensentscheidungen nehmen kann. „Aber der Staat kann gewisse Anreizstrukturen schaffen“. Häufig werde behauptet, das Problem sei, dass in China oder Indien produziert werde. Aber Ausfälle gebe es auch in europäischen Produktionen. Broich sieht dabei die Preise als einen „wesentlichen Faktor“. 

Zwar will auch er die Rabattverträge nicht verteufeln – sie seien grundsätzlich als Sparinstrument sinnvoll. „Aber es führt zu Fehlanreizen, wenn die Medikamente zu billig sind“. Als Beispiel nennt er Antibiotika, die für „ein paar Euro“ zu haben seien. Das führe dazu, dass mancher Arzt lieber günstig verordne, statt mittels aufwendiger Diagnostik zu prüfen, ob der Patient überhaupt eine bakterielle Infektion hat.

Broich: Fehlanreize beseitigen, ohne mehr auszugeben

Müssen Arzneimittel also teurer werden? Das findet Broich tatsächlich: Die billigsten Medikamente müssten mehr kosten, um die Lieferketten sicherer zu machen. „Im Gegenzug könnte man darüber reden, ob besonders teure Arzneimittel diesen hohen Preis immer wert sind“. Der BfArM-Präsident meint: „So könnte man Fehlanreize beseitigen, ohne in der Summe mehr für Arzneimittel auszugeben“.

Die derzeit ebenfalls heiß diskutierte Frage einer verstärkten Lagerhaltung sieht Broich differenziert: Bei bestimmten Arzneimitteln könne das hilfreich sein. So könne man etwa bei besonders kritischen Arzneimitteln, etwa gegen Krebs, Zeit gewinnen, um Alternativen zu entwickeln. Aber eine Reserve als Regelfall hält er für wenig sinnvoll: Es gebe rund 103.000 Arzneimittel in Deutschland. Sie alle auf Vorrat zu halten, wäre nicht zu machen. „Das wäre extrem teuer und würde das Problem nicht lösen“.



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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1 Kommentar

zum Interview von Herrn Broich

von Joachim Sievers am 20.12.2019 um 8:51 Uhr

Es gibt nicht nur die Wirklichkeit, die Herr Broich berechtigt in Krankenhäusern mit Schwerstkranken sieht, sondern auch die tausendfache Wirklichkeit in der typischen Apotheke:

Die Liste der Defekte (= nicht lieferbar, ohne verbindliche Zusage des Zugangs) in unser Apotheke umfasst heute 250 Produkte.

Jeder - auch medizinisch nicht als gravierend beschriebener - Versorgungsmangel bewirkt beim Verbraucher einen erheblichen Vertrauensverlust.

Wer bezahlt die Mehrarbeit in den Apotheken?

Es fehlt das Verständnis, dass Arzneimittel Ware besondere Art darstellen, die die regulatorischen Kräfte des Marktes (über den Preis) in Konflkt mit einer qualifizierten Gesundheitsvorsorge bringen. Der Kunde kauft billig, unberaten, unnötiges, nicht überwachtes. Jahrhunderte lang war man sich sicher, dass dieser Weg zum Nachteil des Verbrauchers führt.

Die Valsartan Krise wurde nicht gelöst; das Problem der Verunreinigung mit Nitrosaminen beginnt erst, Fahrt auf zu nehmen (Ranitidin, Metformin?)

Die heutige Candesartan Krise scheint eine unmittelbare Folge der Valsartan Krise zu sein:Patienten, die auf Candesartan umgestellt werden mussten, können heute nicht zuverlässig versorgt werden. Wie soll Vertrauen bewahrt werden?

Die Bevölkerung wurde nicht darüber aufgeklärt, wie äußerst problematisch die dauerhafte Zufuhr der stark wirksamen Karzinogene N-Nitrosamine ist (Zitat: Aktories, Allgemeine und spezielle Pharmakologie und Toxikologie, 12. Auflage S.951).

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