Trotz Rekordeinnahmen

Wegen teurer Gesetze: Gesetzliche Krankenkassen klagen über Milliarden-Minus

27.12.2019, 09:45 Uhr

Erstmals seit 2015 schließen die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) dieses Jahr wieder mit einem großen Verlust ab. (Foto: imago images / Steinach)

Erstmals seit 2015 schließen die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) dieses Jahr wieder mit einem großen Verlust ab. (Foto: imago images / Steinach)


Laut GKV-Spitzenverband haben die gesetzlichen Krankenkassen erstmalig seit 2015 ein großes Defizit zu verzeichnen – und das obwohl sie im laufenden Jahr Rekordeinnahmen erzielt haben. Als Grund wird der medizinische Fortschritt genannt - aber auch teure Gesetzesvorhaben der Bundesregierung. Die Beiträge bleiben aber zunächst stabil, weil die meisten Kassen über große Rücklagen verfügen.

Erstmals seit 2015 schließen die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) dieses Jahr wieder mit einem großen Verlust ab. „Das Defizit für 2019 wird über eine Milliarde Euro betragen“, sagte die Chefin des GKV-Spitzenverbands, Doris Pfeiffer, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Als Grund führte sie unter anderem teure Gesetzesvorhaben der Regierung an. Die meisten Krankenkassen werden Pfeiffer zufolge ihren Zusatzbeitrag 2020 noch nicht erhöhen müssen. Erst ab 2021 werde es wohl zu höheren Beiträgen kommen, sagte sie.

Nach dem ersten Halbjahr 2019 betrug das Minus 544 Millionen Euro, nach den ersten neun Monaten waren es 741 Millionen Euro. Auf Jahressicht ist es der erste Verlust seit 2015. Im Jahr 2018 hatte der Einnahmeüberschuss der Kassen dem Bundesgesundheitsministerium zufolge noch zwei Milliarden Euro betragen.

Nach Angaben des Ministeriums lagen die Finanzrücklagen der Kassen Ende September 2019 bei rund 20,6 Milliarden Euro - etwa dem Vierfachen der gesetzlich vorgeschriebenen Mindestreserve. Minister Jens Spahn (CDU) nannte das Minus in den Bilanzen der Kassen Anfang Dezember „ein unechtes Defizit“, das durch Rücklagen-Abbau entstehe. Auf Geheiß der Politik sind die Kassen dazu angehalten. GKV-Chefin Pfeiffer kritisierte damals die Verpflichtung, Reserven „stärker abzubauen, als für eine nachhaltige Finanzplanung geboten wäre“.

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„Alarmierend“, weil auch Rekordeinnahmen den Verlust nicht hätten verhindern konnten

Pfeiffer nannte die Entwicklung nun „alarmierend“, weil auch Rekordeinnahmen den Verlust nicht hätten verhindern können. Der Grund dafür seien stark steigende Ausgaben. Die Entwicklung habe sich im Jahresverlauf sogar noch beschleunigt. Dies liege einerseits am medizinischen Fortschritt, andererseits an den teuren Gesetzen der Bundesregierung. „Allein durch das Termin-Servicegesetz und das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz kommen auf die Krankenkassen im nächsten Jahr rund fünf Milliarden Euro an Mehrausgaben zu“, sagte Pfeiffer. Weil die meisten Kassen einen Teil ihrer Rücklagen auflösen würden, könnten sie aber ihre Zusatzbeiträge 2020 stabil halten.

Prognose: 2040 fast 50 Milliarden Euro Minus

„Dass die gesetzlichen Krankenkassen das Jahr mit einem Milliardendefizit abschließen, muss die Alarmglocken schrillen lassen“, erklärte FDP-Fraktionsvize Michael Theurer. Die große Koalition und allen voran Spahn hätten die Leistungen massiv ausgeweitet und die Kosten in die Zukunft verschoben. „Das rächt sich nun und wird bald zu steigenden Beiträgen und damit zusätzlichen Belastungen führen.“

Bärbel Bas, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, erklärte dagegen: „Krankenkassen sind keine Sparkassen, sondern bieten Service-Leistungen für ihre Versicherten.“ Im letzten Jahr habe es zahlreiche Verbesserungen für Versicherte gegeben: „Mittels Terminservice-Gesetz werden Facharzttermine zeitnah vermittelt und Pflegeeinrichtungen bekommen mehr Personal - das kostet Geld. Es ist daher richtig, dass Rücklagen in Höhe von rund 21 Milliarden abgebaut und für gute Versorgung ausgegeben werden.“

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 Demografische Entwicklung wesentlicher Treiber

Nach einer im Oktober veröffentlichten Prognose im Auftrag der Bertelsmann Stiftung droht den gesetzlichen Krankenversicherungen im Jahr 2040 ein Minus von fast 50 Milliarden Euro, wenn die Politik nicht frühzeitig gegensteuert. Der Beitragssatz müsste demnach von derzeit 14,6 Prozent bis zum Jahr 2040 schrittweise auf 16,9 Prozent erhöht werden, um erwartete Ausgabensteigerungen abzudecken. Wie die Autoren vom Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (Iges) weiter schrieben, ist ein wesentlicher Treiber die demografische Entwicklung - mit einem steigenden Anteil älterer Menschen, die eher Gesundheitsleistungen in Anspruch nehmen. Vor allem aber sinke mit dem Eintritt der geburtenstarken Jahrgänge ins Rentenalter deren Beitrag zu den GKV-Einnahmen. Auf wichtige Einflussfaktoren für die Finanzsituation der GKV - Entwicklung der Beschäftigung und der Einkommen oder die Preisentwicklung in Gesundheitswesen - habe die Politik keinen direkten Einfluss, sagte damals Stiftungsexperte Stefan Etgeton. Es gebe aber wirkungsvolle politische Instrumente, um einem Defizit entgegenzuwirken: So könnten etwa Überkapazitäten im Klinikbereich abgebaut werden, um Kosten zu sparen.



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4 Kommentare

Milliarden für die Telematik-Infrastruktur

von Maghein am 31.12.2019 um 0:22 Uhr

Der Zwangsanschlusss der kassenärztlich tätigen Ärzt*innen an die Telematikinfrasttruktur und die Vorbereitung der elektronischen Patientenakte haben bereits Milliarden (kein Schreibfehler!) im zweistelligen Bereich verschlungen, ohne dass das Projekt gesetzeskonform weitergeführt werden kann (Verstosss gegen das im Grundgesetz verankerte Recht auf informationelle Selbstbestimmung, gegen die DSGVO und gegen die ärztliche Schweigepflicht nach Paragraph 203 StGB). Geld, dass woanders hätte sinnvoller und legaler angelegt werden können. Noch bis zum 16.1.2020 kann folgende Online-Petition beim Bundestag gezeichnet und geteilt werden. Bei mehr als 50.000 Unterschriften MUSS sich der Petitionsausschuss mit dem Anliegen befassen.

epetitionen.bundes...etition_98780.html

Text der Petition: Der Bundestag möge beschließen, dass Patienten keine Nachteile erleiden dürfen, die ihre Daten nicht in elektronischen Patientenakten (ePA) auf zentralen Servern außerhalb der Praxen speichern lassen wollen. Die Telematik-Infrastruktur (TI) für Ärzte und Psychotherapeuten sowie die Nutzung der ePA für Ärzte und Patienten müssen freiwillig sein. Strafen gegen Ärzte und Psychotherapeuten, die sich nicht an die TI anschließen lassen, dürfen nicht verschärft, sondern müssen abgeschafft werden.


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„ Alamierende“ Kostenexplosion bei den KKassen und deren über 20 Milliarden Finanzbackground

von Heiko Barz am 29.12.2019 um 13:07 Uhr

Das hat schon immer bei den KKassen geklappt, rechtzeitig dramatisch an die Klagemauer klopfen, dann werden die Arzneimittel wieder als zu teuer bewertett und dann wird bei den Apotheken wieder der Rotstift angesetzt.

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Gesetzliche Krankenverrechnung aus der Kristallkugel für 2040 ...

von Christian Timme am 28.12.2019 um 1:20 Uhr

Seit 136 Jahren rechnet sich diese Sozialverrechnungsstelle sich auf dem Rücken der Zwangsversicherten von ungesund bis gesund ... diesmal braucht es 20 Jahre ...

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Kosten

von Conny am 27.12.2019 um 10:06 Uhr

Hauptsponsor Handballnationalmanschaft : AOk. , Bandenwerbung Fussball : AOK, wer lächelt mich von grossen Werbeplakaten an : AOK

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