Rote-Hand-Brief

Hersteller informiert über Anwendungsbeschränkungen bei Lemtrada

Stuttgart - 29.01.2020, 11:40 Uhr

Alemtuzumab in Lemtrada soll nur bei hochaktiven RRMS-Patienten eingesetzt werden, die auf mindestens eine krankheitsmodifizierende Therapie nicht angesprochen haben oder bei denen die Erkrankung rasch voranschreitet. ( r / Foto: Genzyme)

Alemtuzumab in Lemtrada soll nur bei hochaktiven RRMS-Patienten eingesetzt werden, die auf mindestens eine krankheitsmodifizierende Therapie nicht angesprochen haben oder bei denen die Erkrankung rasch voranschreitet. ( r / Foto: Genzyme)


Im Herbst hatte der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich Pharmakovigilanz (PRAC) bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA bekannt gegeben, die Anwendungsgebiete des MS-Antikörpers Alemtuzumab (Lemtrada) einzuschränken sowie zusätzliche Gegenanzeigen und risikominimierende Maßnahmen einzuführen.  Mittels Rote-Hand-Brief informiert nun Hersteller Sanofi über die Änderungen.

Bereits im April des vergangenen Jahres hatte der PRAC temporäre risikominimierende Maßnahmen zum bei MS eingesetzten Antikörper Alemtuzumab angeordnet. Im November wurden diese dann durch die finale PRAC-Entscheidung abgelöst, wobei die dann beschlossenen finalen Einschränkungen weniger streng sind als die temporären. Die Maßnahmen sind das abschließende Ergebnis eines am 10. April 2019 begonnenen Sicherheitsverfahrens zu dem MS-Arzneimittel. Schwere unerwünschte Wirkungen, wie immunvermittelte Erkrankungen und kardiovaskuläre Komplikationen, die teilweise tödlich endeten, hatten den PRAC zu diesem Schritt veranlasst. 

Unter anderem kam es unter Alemtuzumab offenbar zu schweren Schlaganfällen und Rissen in der inneren Gefäßwand von Kopf- und Halsarterien. Diese Nebenwirkungen traten während oder innerhalb weniger Tage nach der Infusion von Lemtrada® auf. Immunvermittelte Erkrankungen traten mit einer bis zu mehrere Monate dauernden Latenz nach der Infusion mit Lemtrada® auf.

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Einsatz beschränkt auf bestimmte Patientengruppen

Per Rote-Hand-Brief informiert nun Hersteller Sanofi über die Änderungen. Künftig ist der Einsatz von Alemtuzumab beschränkt auf folgende Patientengruppen.

  • Erwachsene mit hochaktiver RRMS (remittierend schubförmige MS) trotz angemessener Behandlung mit mindestens einer krankheitsmodifizierenden Therapie,
  • Patienten mit rasch fortschreitender RRMS (definiert durch zwei oder mehr Schübe mit Behinderungsprogression in einem Jahr) und mit einer oder mehr Gadolinium-anreichernden Läsion(en) im MRT oder mit einer signifikanten Erhöhung der T2-Läsionen im Vergleich zu einer kürzlich durchgeführten MRT.

Wie wirkt Alemtuzumab?

Alemtuzumab ist ein humanisierter monoklonaler IgG-Antikörper mit der Zielstruktur CD52. Der exakte Wirkmechanismus des humanisierten CD52-Antikörpers bei MS ist nicht vollständig geklärt. Vor allem CD3-T-Lymphozyten und CD19-B-Lymphozyten exprimieren das Glykoprotein. Durch Bindung von Alemtuzumab an die CD52-positiven Lymphozyten lösen sie eine komplementvermittelte Zytolyse aus. Die Forschung weist „in Richtung immunmodulatorischer Wirkung“, schreibt die Fachinformation zu Lemtrada®. Hierdurch kommt es wohl zu einer Senkung der zirkulierenden B- und T-Zellen und einer sich anschließenden Repopulation, was die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Schubs bei Multipler Sklerose verringert.

Die initiale Behandlung mit Alemtuzumab umfasst zwei Behandlungsphasen: In der ersten erhalten die MS-Patienten je 12 mg Alemtuzumab an fünf aufeinanderfolgenden Tagen. Die zweite Behandlungsphase mit je 12 mg Alemtuzumab, nun nur noch an drei aufeinanderfolgenden Tagen, schließt sich ein Jahr später an. Laut Fachinformation können weitere Behandlungsphasen, drei und vier, jeweils weitere zwölf Monate später erfolgen. Auch im dritten und vierten Zyklus erhält der Patient Alemtuzumab je nur an drei Tagen.

Neue Kontraindikation

Nicht angewendet werden soll Alemtuzumab hingegen bei Patienten mit:

  • schweren aktiven Infektionen,
  • unkontrollierter Hypertonie,
  • Dissektionen zervikozephaler Arterien, Schlaganfall, Angina pectoris oder Myokardinfarkt,
  • Koagulopathie, unter Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmern oder Antikoagulanzien,
  • bestehenden Autoimmunerkrankungen, außer Multiple Sklerose.

Nebenwirkungen können auch Jahre später auftreten

Außerdem soll der Antikörper ausschließlich in Krankenhäusern mit der Möglichkeit einer sofortigen intensivmedizinischen Behandlung verabreicht werden, weil nämlich potenziell schwerwiegende Nebenwirkungen können während oder kurz nach der Infusion auftreten, zum Beispiel Myokardischämie, Myokardinfarkt, zerebrale oder pulmonale Blutungen. Deswegen wird angeraten, Patienten, die Alemtuzumab erhalten haben, während oder kurz nach der Infusion zu kontrollieren. Zudem soll über einen Zeitraum von mindestens vier Jahren nach der letzten Infusion auf Autoimmunerkrankungen überwacht werden, und zwar mittels klinischer Untersuchungen und Laboruntersuchungen. Zudem sollten die Patienten darüber in Kenntnis gesetzt werden, dass diese Erkrankungen auch noch später nach der letzten Infusion auftreten können.

Laut Sanofi wurden die Produktinformationen sowie das Schulungsmaterial für Ärzte und Patienten werden bezüglich genannter Risiken bereits aktualisiert. Detaillierte Informationen dazu welche Untersuchungen vor, nach und während der Infusion durchzuführen sind, finden sich im Rote-Hand-Brief.



Julia Borsch, Apothekerin, Chefredakteurin DAZ
jborsch@daz.online


Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online
redaktion@daz.online


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