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Neues zum Schlüssel-Schloss-Prinzip
Wirkstoffentwicklung: Die Entropie austricksen
Forscher der Universität Wien wollen mit neuen Syntheseansätzen der Thermodynamik ein Schnippchen schlagen und neue Wirkstoffe entwickeln. Dazu eröffnete jetzt dort das Christian Doppler Labor für Entropieorientiertes Drug Design.
Viele Wirkstoffe in Arzneimitteln funktionieren nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip. Beispiele dafür gibt es etliche, bei denen Wirkstoff-Moleküle spezifisch an Proteine wie etwa Rezeptoren binden – sei es, um als Analoga für natürliche Liganden diese zu triggern oder auch mit einer festen irreversiblen Bindung, diese zu blockieren. Die Gruppe der Beta-Blocker etwa sei da als eine von vielen genannt.
Die Forscher um Professor Nuno Maulide, Vorstand des Instituts für organische Chemie an der Universität Wien und seit Ende Januar dort auch Leiter des „Christian Doppler (CD) Labors für Entropieorientiertes Drug Design“, haben sich nun vorgenommen, Schlüssel für bislang unknackbare Schlösser mit einem neuen Ansatz zu finden. „Unser Ziel sind Protein-Familien, welche seit Jahrzehnten als ‚undruggable‘ gelten. Das bedeutet, Schlösser, die man schon lange kennt, aber für die bisher kein passender Schlüssel gefunden wurde. Das eröffnet die – langfristige – Perspektive, bisher unbehandelbare Erkrankungen in Zukunft doch behandeln zu können“, sagt Maulide, der im Jahr 2019 „Wissenschaftler des Jahres“ in Österreich war.
Flexibilität der Moleküle – Hürde beim Drug Design
Mit dem neu eingerichteten Labor, das von der nach dem österreichischen Physiker benannten Christian-Doppler-Forschungsgesellschaft in Zusammenarbeit mit dem Pharmaunternehmen Boehringer Ingelheim unterstützt wird, verfolgen die Forscher einen neuen Ansatz. Sie wollen der Entropie „entkommen“. Entropie – vereinfacht der „Grad der Unordnung“ nimmt nach dem zweiten Hauptsatz der Thermodynamik in einem geschlossenen System in der Regel zu – im Alltag beobachtbar etwa am Zustand von Kinderzimmern oder Schreibtischen. Ein unordentlicherer Zustand ist energetisch begünstigt, alles strebt darauf zu. Um Ordnung zu schaffen, muss dagegen Energie investiert werden.
„Es ist bei den kleinsten Teilchen in unserer Welt, also den Atomen und Molekülen, genauso. Moleküle sind sehr beweglich und können sich leicht verformen, da jede Bindung zwischen zwei Atomen Flexibilität besitzt. Und genau dieser Grad an Flexibilität stellt eine Hürde dar beim Design neuer Arzneimittel. Wenn man Wirkstoffe nach dem alten anschaulichen Schlüssel-Schloss-Prinzip betrachtet, wird die Suche nach dem passgenauen Schlüssel zum gewünschten Rezeptor in vielen Fällen eben durch diese Flexibilität schwierig. Wir versuchen im neuen CD-Labor Moleküle nun so starr wie möglich von vorneherein zu erschaffen, damit sie so gut wie möglich ins Schloss passen“, erklärt Maulide.
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