Künstliche Intelligenz in der Pharmaforschung

Erster per KI generierter Wirkstoff in klinischer Studie

Remagen - 20.02.2020, 10:10 Uhr

So sieht künstliche Intelligenz in der Pharmaforschung wohl nicht aus. Doch auf dem Einsatz der künstlichen Intelligenz in der Pharmaforschung sollen große Hoffnungen ruhen. ( r / Foto: besjunior / stock.adobe.com)

So sieht künstliche Intelligenz in der Pharmaforschung wohl nicht aus. Doch auf dem Einsatz der künstlichen Intelligenz in der Pharmaforschung sollen große Hoffnungen ruhen. ( r / Foto: besjunior / stock.adobe.com)


Erstmals wird ein Wirkstoff am Menschen getestet, der durch künstliche Intelligenz gefunden wurde. Er heißt DSP-1181 und soll gegen Zwangsstörungen wirksam sein. Wissenschaftler aus Japan und Großbritannien haben ihn in weniger als einem Jahr entwickelt.

Sumitomo Dainippon Pharma, Osaka, und Exscientia mit Sitz in Oxford haben gemeinsam einen Wirkstoffkandidaten mit Hilfe der künstlichen Intelligenz (KI) hervorgebracht. DSP-1181 ist ein langwirksamer, potenter Serotonin-5-HT1A-Rezeptoragonist. Die angestrebte Indikation, die jetzt in der ersten klinische Phase-I-Studie in Japan erprobt wird, ist die Behandlung von Zwangsstörungen. Die Psychiatrie und Neurologie gehören zu den drei Forschungsschwerpunkten des japanischen Partners. Sumitomo Dainippon hat für das Projekt seine Erfahrung und sein Wissen in der Monoamin-GPCR-Wirkstoffforschung zur Verfügung gestellt. 

Endogene Liganden von GPCR (G-Protein-gekoppelten Rezeptoren) sind  Monoamin-Neurotransmitter wie Serotonin, Dopamin und Noradrenalin. Zwangsstörungen sind psychiatrische Störungen mit Obsessionen (sich wiederholende und anhaltende Gedanken, Bilder oder Triebe) und/oder Zwängen (sich wiederholende Verhaltensweisen oder geistige Handlungen). Die Mechanismen, die zu den schweren Beeinträchtigungen führen, sind bislang nicht geklärt.

Weniger als ein Jahr bis zum optimalen Wirkstoffkandidaten

Exscientia hat für das Projekt seine effiziente Plattform für künstliche Intelligenz (KI) zur Wirkstoffforschung mit Namen „Centaur Chemist“ beigesteuert. Neuartige Substanzen werden von den KI-Systemen mit Hilfe von Algorithmen automatisch für die Synthese entworfen und priorisiert. So können Verbindungen mit den gewünschten Kriterien schnell identifiziert werden. 

Die Explorationsforschungsphase zu DSP-1181 hat weniger als ein Jahr gedauert. Dies ist nur ein Bruchteil des typischen Durchschnitts von 4,5 Jahren bei Verwendung herkömmlicher Forschungstechniken. Der Wirkstoff soll aus lediglich 350 statt typischerweise 2.500 synthetisierten Substanzen herausgefiltert worden sein.

Stolz bei den Unternehmen

„Wir sind sehr erfreut über die Ergebnisse der gemeinsamen Forschung, die in kürzester Zeit zur Entwicklung von Wirkstoffkandidaten geführt hat“, sagt Toru Kimura, Senior Executive Officer und Senior Executive Research Director von Sumitomo Dainippon Pharma. „Wir werden weiterhin hart daran arbeiten, diese klinische Studie zu einem Erfolg zu machen.“ Andrew Hopkins, CEO von Exscientia, spricht von einem „entscheidenden Meilenstein in der Wirkstofffindung“ und sagt: „Wir sind stolz darauf, dass unsere AI-Wirkstoffforschungsplattform Centaur Chemist dazu beigetragen hat, DSP-1181 zu generieren, und freuen uns auf den Fortschritt bei der Behandlung von Zwangsstörungen.“

5,2 Milliarden Dollar für KI in der Arzneimittelentwicklung

Auf dem Einsatz der künstlichen Intelligenz in der Pharmaforschung ruhen große Hoffnungen. Im Jahr 2019 sollen die Investitionen für die Nutzung von KI 5,2 Milliarden US-Dollar erreicht haben. Allerdings soll sich die Begeisterung etwas gelegt haben (23 Prozent gegenüber 2018). Dies zeigt eine Studie, die von Signify Research durchgeführt wurde. Sie konzentrierte sich auf KI in drei Bereichen: Informationssynthese, Arzneimitteldesign und klinische Studien. KI in der Informationssynthese bezieht sich auf Anwendungen, die direkt an der Optimierung der Arzneimittelentwicklung beteiligt sind, und analysiert klinisch relevante Daten, um die Entdeckung neuer potenzieller Ziele zu steuern. Im Arzneimitteldesign kann KI bei der Erstellung und Optimierung der molekularen Struktur potenzieller Wirkstoffe helfen. Schließlich wird KI für klinische Studien genutzt, um Patienten für Studien zu organisieren, zu optimieren, zu betreuen und zu rekrutieren. 

Die größten Investitionen sollen in das Arzneimitteldesign geflossen sein, auf das sich 54 Prozent der Unternehmen konzentrieren. 32 Prozent fokussierten sich auf die Informationssynthese, während 14 Prozent den Schwerpunkt auf klinische Studien legten.

Forschung verhält sich abwartend

Zwar seien die Investitionen in KI bisher enorm gewesen, meint Signify Research, aber laut Aussagen der Forscher entspreche die reale Anwendung der Technologie nicht unbedingt den Erwartungen. Um die Ursache von Krankheiten zu verstehen, benötigen KI-Anwendungen beispielsweise riesige Datenmengen, die oft nicht zugänglich oder nicht vorhanden seien. Investoren und potenzielle neue Pharmapartner könnten sich deshalb abwartend verhalten, bevor sie weiter investieren.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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