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Ausnahmegenehmigung gemäß Biozidverordnung
Apotheken in Schleswig-Holstein dürfen Desinfektionsmittel herstellen
In Schleswig-Holstein dürfen Apotheken seit Montag Desinfektionsmittel mit Isopropanol oder Ethanol zur Hände- und auch zur Flächendesinfektion herstellen. Eine Ausnahmegenehmigung des Landessozial- und -gesundheitsministeriums gemäß Biozid-Verordnung macht dies möglich. Damit konnte die vorherige Rechtsunsicherheit in den Apotheken beseitigt werden.
Die rechtliche Grundlage für die Herstellung alkoholhaltiger Desinfektionsmittel in Apotheken ist komplex. Nach überwiegender Auffassung können Händedesinfektionsmittel als Arzneimittel eingestuft werden und fallen dann nicht unter die Biozid-Verordnung. Vereinzelt gibt es aber auch andere Stimmen. Die Herstellung von Flächendesinfektionsmittel erfordert normalerweise eine Genehmigung gemäß Biozid-Verordnung, die mit sehr hohem bürokratischem Aufwand verbunden ist.
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Doch das schleswig-holsteinische Sozial- und Gesundheitsministerium hat den Apotheken im Land nun die Herstellung von Desinfektionsmitteln gestattet. Darüber informierte die Apothekerkammer Schleswig-Holstein am vergangenen Montag in einem Rundfax an die Apotheken. Die Genehmigung bezieht sich auf Desinfektionsmittel unter Verwendung von Isopropanol oder Ethanol sowie auf zwei von der WHO empfohlene Rezepturen, bei denen zusätzlich Wasserstoffperoxid und Glycerol zugesetzt werden. Die Kammer weist ausdrücklich darauf hin, dass die Herstellungsmöglichkeit nun auch über die 100er Regelung hinausgeht, die für Defekturarzneimittel gilt.
Die Ausnahmeregelung bezieht sich auf Artikel 55 der Biozid-Verordnung. Danach kann eine zuständige Behörde befristet für höchstens 180 Tage die Bereitstellung oder Verwendung eines Biozidprodukts für eine beschränkte und kontrollierte Verwendung gestatten, wenn dies aufgrund einer Gefahr für die öffentliche Gesundheit notwendig ist. Ergänzend hat das Ministerium die Apothekerkammer gebeten, die Apotheker darauf hinzuweisen, dass prioritär Arztpraxen und Gesundheitseinrichtungen mit Desinfektionsmitteln zu beliefern seien, um eine ausreichende Gesundheitsversorgung sicherzustellen. Denn Ärzte würden zunehmend den Mangel an Desinfektionsmitteln beklagen.
Unklare Rechtslage in Schleswig-Holstein beseitigt
Das Ministerium weist darauf hin, dass bei der Herstellung die gefahrstoff- und arbeitsschutzrechtlichen Vorschriften einzuhalten seien. Damit sei eine Herstellung im 10-Liter-Maßstab grundsätzlich möglich. Dazu sei eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen. Isopropanol und Ethanol sind entzündliche Flüssigkeiten der Kategorie 2, also „leicht entzündbar“. Das Ministerium verweist dazu auf die Vorschriften der TRGS 510 zur „Lagerung von Gefahrstoffen in ortsbeweglichen Behältern“. Sofern keine Lagerräume im Sinne der TRGS 510 vorhanden seien, gelte für Verkaufs- und Vorratsräume bis 200 Quadratmeter Grundfläche eine maximale Lagermenge leicht entzündbarer Flüssigkeiten von 10 Kilogramm in zerbrechlichen Behältern oder 60 Kilogramm in sonstigen Behältern. Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung sei insbesondere die Funktionsfähigkeit des Abzugs zu prüfen. Weitere relevante Bestimmungen seien die TRGS 500 („Schutzmaßnahmen“) und TRGS 800 („Brandschutzmaßnahmen“).
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Zum Hintergrund für die Ausnahmegenehmigung erklärte Frank Jaschkowski, Geschäftsführer der Apothekerkammer Schleswig-Holstein, gegenüber DAZ.online, dass die Rechtsgrundlage für die Apotheken im Land zuvor unklar gewesen sei. Es sei zwischen verschiedenen Behörden des Landes umstritten, ob die Biozidverordnung auch für Händedesinfektionsmittel gilt. Außerdem bräuchten Arztpraxen auch Mittel zur Flächendesinfektion, die nicht als Arzneimittel gelten. Auf diese Unsicherheit für die Apotheken habe Jaschkowski bereits am Samstagabend in einer Sendung des „Schleswig-Holstein-Magazins“ im NDR-Regionalfernsehen aufmerksam gemacht. Am Montag habe das Ministerium die Ausnahmegenehmigung erteilt. Daraufhin hätten die Apotheken jetzt Rechtssicherheit für die Herstellung.
Beschaffung bleibt problematisch
Allerdings bleibt das Problem, Isopropanol oder Ethanol zu beschaffen. Insbesondere in Arzneibuchqualität sind diese derzeit kaum zu erhalten. DAZ.online fragte daher, ob in diesem Fall auch Isopropanol oder Ethanol ohne Arzneibuchqualität verwendet werden könnten, da kein Arzneimittel, sondern ein Desinfektionsmittel hergestellt werden soll. Nach Einschätzung von Jaschkowski sei dies in diesem Fall möglich.
Angesichts dieser Entwicklung in Schleswig-Holstein darf man nun gespannt sein, wie andere Bundesländer mit diesen Fragen umgehen.
2 Kommentare
toll
von Karl Friedrich Müller am 04.03.2020 um 12:10 Uhr
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