CHMP versagt Zulassungsempfehlung

Vorerst kein Galcanezumab bei Clusterkopfschmerz

Stuttgart - 09.03.2020, 12:45 Uhr

Keine Zulassungsempfehlung für Emgality bei episodischem Clusterkopfschmerz: Anders als die FDA, sieht der CHMP der EMA nicht, dass der Nutzen von Galcanezumab in der Prävention von Clusterkopfschmerz überwiegt. ( t / Foto: imago images / Science Photo Library)

Keine Zulassungsempfehlung für Emgality bei episodischem Clusterkopfschmerz: Anders als die FDA, sieht der CHMP der EMA nicht, dass der Nutzen von Galcanezumab in der Prävention von Clusterkopfschmerz überwiegt. ( t / Foto: imago images / Science Photo Library)


Der CHMP ist nicht überzeugt: Der Humanarzneimittelausschuss der EMA versagte Lilly die Zulassungsempfehlung für Galcanezumab zur Prävention bei Erwachsenen mit Clusterkopfschmerz. Die Europäische Arzneimittel-Agentur weicht mit dieser Einschätzung von der Bewertung der FDA ab – in den USA darf Emgality sowohl vorbeugend bei Migräne- als auch Clusterkopfschmerzen eingesetzt werden. Was stört den CHMP an Galcanezumab zur Prophylaxe von Clusterkopfschmerzen?

Vorerst kein Galcanezumab zur Behandlung von episodischem Clusterkopfschmerz in der EU: Der Humanarzneimittelausschuss der EMA (CHMP) sprach sich in seiner letzten Sitzung Ende Februar gegen eine Zulassungserweiterung des CGRP-Antikörpers aus. Clusterkopfschmerzen verursachen heftige Schmerzen, typischerweise einseitig und um ein Auge herum. Die Attacken treten während sogenannter Cluster-Perioden auf, diese können Wochen bis Monate dauern (Näheres zu Clusterkopfschmerzen auf Seite 2).
Emgality® ist bereits zur Migräne-Prophylaxe bei Erwachsenen mit mindestens vier Migränetagen pro Monat zugelassen, seit einem knappen Jahr vermarktet Lilly Emgality® in dieser Indikation in der EU.

USA: Emgality auch bei Clusterkopfschmerz erlaubt

In den Vereinigten Staaten darf Galcanezumab zusätzlich zur Migräne auch in der Prävention von Clusterkopfschmerzen eingesetzt werden. Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde ebnete dieser Indikationserweiterung bereits im Juni 2019 den Weg. „Emgality® ist das erste von der FDA zugelassene Medikament, das die Häufigkeit episodischer Clusterkopfschmerz-Attacken reduziert, einem extrem schmerzhaften und oft lähmenden Zustand“, erklärt Eric Bastings, stellvertretender Direktor der Abteilung für Neurologie im Bereich Arzneimittelentwicklung und -bewertung bei der FDA anlässlich der Indikationserweiterung im vergangenen Jahr. Die FDA trieb die Zulassung von Galcanezumab sogar voran und hatte dem CGRP-Antikörper im Zulassungsverfahren in der Indikation Clusterkopfschmerzen den Status „Priority Review“ und „Breakthrough Therapy“ gewährt.

Die Europäische Arzneimittel-Agentur sieht das bislang anders. Was stört den CHMP an Emgality® bei Cluster-Kopfschmerz?

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Galcanezumab auch bei episodischem Clusterkopfschmerz

Der CHMP begründet seine Entscheidung damit, dass die Ergebnisse der von Lilly vorgelegten Studie nicht eindeutig zeigten, dass Galcanezumab Cluster-Attacken wirksam verhindert. Der CHMP ist daher der Meinung, dass die Vorteile von Galcanezumab in der Prävention von Attacken bei Patienten mit episodischen Clusterkopfschmerzen die Risiken der Behandlung nicht überwiegen.

Clusterkopfschmerz: deutlich höhere Dosierung als bei Migräne

Die klinische Phase-III-Studie – A Study Of Galcanezumab In Participants With Episodic Cluster Headache – untersuchte Galcanezumab an insgesamt 106 Clusterkopfschmerzpatienten, 57 Patienten erhielten über zwei Monate einmal monatlich subkutan Placebo, sie litten zu Studienbeginn durchschnittlich an 17,3 Cluster-Attacken pro Woche. Die Verumgruppe, 49 Clusterkopfschmerzpatienten, litten zu Studienbeginn an 17,82 Cluster-Attacken pro Woche. Therapiert wurden sie einmal monatlich mit 300 mg Galcanezumab subkutan.

Als primären Endpunkt der Studie definierte Lilly die Änderung der mittleren Anzahl an wöchentlichen Clusterkopfschmerzattacken. Dies wurde bereits nach drei Wochen, sprich nach einer Gabe von Placebo beziehungsweise 300 mg Galcanezumab, überprüft. Placebo reduzierte die Anzahl wöchentlicher Cluster-Attacken um 5,22 Anfälle, die mit Galcanezumab therapierten litten durchschnittlich an 8,69 Attacken weniger in der Woche.

Zu den häufigsten unerwünschten Arzneimittelwirkungen während der Therapiephase zählten Reaktionen an der Injektionsstelle (Galcanezumab: 8,16 Prozent; Placebo: 0 Prozent), Nasopharyngitis (Galcanezumab: 6,12 Prozent; Placebo: 1,75 Prozent) und Rückenschmerzen (Galcanezumab: 0 Prozent; Placebo: 5,26 Prozent).

Höhere Dosierung bei Cluster als bei Migräne

Galcanezumab wird in der Migräneprophylaxe anders dosiert als bei Clusterkopfschmerz. Die Migräneprophylaxe startet mit einer Loading-Dose von 240 mg Galcanezumab (zwei Injektionen à 120 mg Galcanezumab), in der weiteren Behandlung erhalten die Migräniker nur noch eine Injektion monatlich mit 120 mg Wirkstoff. Die Injektionen können Patienten in Eigenregie durchführen, das Device bei Emgality® ist in Deutschland ein Fertigpen.

Die empfohlene Dosis für episodischen Clusterkopfschmerz liegt hingegen mit 300 mg deutlich höher. Diese 300 mg Galcanezumab werden am Tag des Beginns der Cluster-Episode appliziert, und zwar über drei vorgefüllte Fertigspritzen à 100 mg. Danach erfolgt die Gabe in der gleichen Dosierung monatlich und zwar so lange, bis die Cluster-Episode zu Ende ist.

Fremanezumab: auch Teva forscht bei Clusterkopfschmerz

Neben Lilly forscht laut „clinicaltrials“ auch Teva mit Fremanezumab an Clusterkopfschmerzen, zugelassen ist bislang jedoch nur Galcanezumab (USA).

Was ist Clusterkopfschmerz?

Clusterkopfschmerz

„Der Clusterkopfschmerz ist klinisch definiert als ein attackenartig auftretender, streng einseitiger, extrem heftiger Kopfschmerz mit retroorbitalem Punctum maximum, der Männer und Frauen im Verhältnis 3:1 betrifft“, definiert die aktuelle Leitlinie „Clusterkopfschmerz und trigeminoautonome Kopfschmerzen“ die Kopfschmerzform. Obligat bei Clusterkopfschmerzen ist zusätzlich das Auftreten von autonomen Symptomen: Horner-Syndrom [Trias aus: Pupillenverengung (Miosis), Herabhängen des Oberlids (Ptosis) und einem gering in die Augenhöhle eingesunkenen Augapfel (Enophthalmus)], Lakrimation, Rhinorrhoe. Diese Symptome treten gleichzeitig auf und sind auf der gleichen Körperseite des Kopfschmerzes lokalisiert. Zusätzlich können blutunterlaufene Augen und pathologisches Schwitzen oder eine Rötung im Bereich von Stirn oder Gesicht auftreten, auch ein Völlegefühl im Ohr wird beschrieben.

Attacken meist nachts

Clusterkopfschmerzattacken treten bis zu achtmal täglich auf, meist nachts, und dauern zwischen 15 Minuten und drei Stunden. Patienten berichten von einer ausgeprägten Bewegungsunruhe (pacing around) während der Attacken, was inzwischen in die diagnostischen Kriterien aufgenommen wurde. Etwa die Hälfte der Patienten leidet zusätzlich zum Clusterkopfschmerz an einem Begleitkopfschmerz, der meist einseitig und stetig ist. Auch migräneartige Symptome wie Aura, Übelkeit, Phono- und Photophobie können vorkommen.

Episodischer Clusterkopfschmerz

Clusterkopfschmerzen treten bei 80 Prozent der Patienten episodisch auf. Das bedeutet, dass symptomatische Episoden (bout) von wenigen Wochen bis Monaten von symptomfreien Zeitspannen von Monaten bis Jahren unterbrochen werden. Dauert die Clusterperiode ohne spontane Remission über ein Jahr oder sind die Remissionsphasen kürzer als ein Monat, sprechen die Experten von chronischem Clusterkopfschmerz.

Clusterkopfschmerzen scheinen einem biologischen Rhythmus zu folgen. Meist kommen die Attacken zur gleichen Stunde im Tagesverlauf, gehäuft ein bis zwei Stunden nach dem Einschlafen, oder bei über 50 Prozent der Patienten in den frühen Morgenstunden. Dass eine biologische Rhythmusstörung vorliegt, zeigt sich nach Ansicht der Experten auch in der gehäuften Frequenz von Clusterepisoden im Frühjahr und Herbst sowie Störungen der zirkadianen Ausschüttung vieler Hormone.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


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