Jetzt noch gegen Grippe impfen?

Prof. Drosten: „Es ist nie schädlich, sich gegen die Grippe impfen zu lassen“

Berlin - 13.03.2020, 17:45 Uhr

Auch jetzt ergibt eine Grippeimpfung noch Sinn. Die Grippewelle ist in vollem Gang und man habe „eine sehr gute Reaktion auf die Impfung für die dann kommende Saison, wenn das pandemische SARS-2-Coronavirus mit der Grippesaison zusammenfallen wird“, so Christian Drosten. (m / Foto: imago images / Christian Ohde)

Auch jetzt ergibt eine Grippeimpfung noch Sinn. Die Grippewelle ist in vollem Gang und man habe „eine sehr gute Reaktion auf die Impfung für die dann kommende Saison, wenn das pandemische SARS-2-Coronavirus mit der Grippesaison zusammenfallen wird“, so Christian Drosten. (m / Foto: imago images / Christian Ohde)


Die Grippewelle 2019/20 legt nochmals zu – mit 23.000 Neuinfektionen in der letzten Woche erreicht sie vorerst ihren Höhepunkt. Doch: Mitte März noch grippeimpfen – ergibt das überhaupt Sinn? Christian Drosten, Chef-Virologe an der Berliner Charité und gefragter Corona-Experte, äußert sich klar: „Es ist nie schädlich, sich gegen Grippe impfen zu lassen“, auch um in einer guten Startsituation im kommenden Herbst zu sein, wenn die Grippesaison mit SARS-CoV-2 zusammenfällt. Doch: Gibt es überhaupt noch Grippeimpfstoffe?

Vor zwei Wochen noch war das Robert Koch-Institut (RKI) optimistisch, dass der Höhepunkt der Grippewelle überschritten ist: Die Zahl der labordiagnostisch bestätigten Influenza-Neuinfektionen war im Vergleich zur Vorwoche gesunken. Nun haben die jüngsten Daten der Arbeitsgemeinschaft Influenza am RKI jedoch gezeigt, dass die Grippewelle nochmals an Aktivität zulegt, gestern meldeten die Influenza-Experten mit knapp 23.000 Neuinfektionen sogar den vorläufigen Höchststand der Grippewelle. Ein Abschwellen der Influenzawelle wäre auch hinsichtlich COVID-19 willkommen gewesen. 

Gut, wer bereits jetzt durch eine Grippeimpfung zumindest vor Influenza geschützt ist – doch auch für die Ungeimpften ergibt eine Grippeimpfung zum jetzigen Zeitpunkt noch Sinn. 

Mehr zum Thema

Influenzasaison 2019/20

Neuer Höhepunkt der Grippewelle

Denn: Wie lange die Grippewelle noch andauert und wie schwer sie am Ende verlaufen wird, kann man nicht vorhersagen. Und bis ein Körper nach Impfung einen Grippeschutz aufbaut, dauert es gerade einmal zehn bis 14 Tage.

Guter Start für die nächste Saison, wenn SARS-CoV-2 und Grippesaison zusammenfallen

In der zwölften Folge des NDR-Podcast „Coronavirus-Update“ erklärt der derzeit wohl gefragteste Virologe, Professor Christian Drosten von der Berliner Charité: „Es ist nie schädlich sich gegen Grippe impfen zu lassen“. Zumal man dann in einer „guten Startsituation“ sei, wenn man sich im nächsten Herbst (mit dem verfügbaren und neuen saisonalen Impfstoff) gegen Grippe impfen lasse. Man habe sodann „eine sehr gute Reaktion auf die Impfung für die dann kommende Saison, wenn das pandemische SARS-2-Coronavirus mit der Grippesaison zusammenfallen wird“.

In Zeiten übergroßer Unsicherheit helfen solch klare Aussagen.

Regelmäßige Grippeimpfung erhöht Impfwirksamkeit

Worauf Drosten mit dieser Empfehlung wahrscheinlich abzielt: Menschen mit regelmäßiger Grippeimpfung profitieren hinsichtlich der Impfwirksamkeit. Das Influenzavirus ist bekanntermaßen hochvariabel, was auch die saisonale Anpassung der Grippeimpfstoffe begründet. Es scheint jedoch so, dass „Wiederholungstäter“ bei Influenzaimpfungen mit einem besseren Impfschutz belohnt werden. So erklärte Susanne Glasmacher, Sprecherin des RKI, während der besonders schweren Influenzasaison 2017/18, als es schien, dass eventuell Kreuzimmunitäten aufgrund früherer Grippeimpfungen bestehen könnten, im Gespräch mit DAZ.online: „Öfter impfen ist gut, oder öfter krank werden ist gut: Die Impfwirkung ist besser, wenn man regelmäßig impft“. Sinn ergibt das allemal, da der Körper dadurch mit vielen Grippevirusvarianten konfrontiert wird und das Immunsystem diese kennt.

RKI: Risikopatienten jetzt noch impfen

Das Robert Koch-Institut empfiehlt die Impfung derzeit noch für Risikogruppen, es hält sich mit klaren Deadlines für den spätesten Impfzeitpunkt jedoch stets zurück, da Schwere und Verlauf einer Grippewelle sich nie vorhersagen lassen. Sie hängen von vielen verschiedenen Faktoren ab. „Grippewellen verlaufen von Saison zu Saison und auch von Region zu Region sehr unterschiedlich; wie heftig eine Welle tatsächlich war, weiß man erst am Ende der Welle“, erklärte das RKI vor geraumer Zeit gegenüber DAZ.online. 

„Man ist nach einer Grippeimpfung nicht anfälliger für Viren“

Noch immer geistert offenbar die Sorge durch die Bevölkerung, dass eine Grippeimpfung zunächst anfälliger für Viren macht. Das ist schlichtweg falsch. Auch Drosten entkräftet dieses Vorurteil vehement: „Es ist nicht so, dass man nach einer Influenzaimpfung anfälliger für Viren ist – das stimmt einfach nicht.“ Man wolle zwar in bestehende Virusinfektionen nicht hineinimpfen, dafür gebe es auch Gründe. Diese seien allerdings häufig nicht, dass die Impfung dann schlechter vertragen wird, so Drosten. Sondern: „Bei manchen Impfstoffen wirkt die Impfung dann nicht so gut.“

Es gibt noch Grippeimpfstoffe

Doch wie sieht es eigentlich mit Grippeimpfstoffen aus – haben die Hersteller noch ausreichend vorrätig? DAZ.online hat nachgefragt: An der Versorgungsfront sieht es gut aus. Eine Sprecherin von Sanofi Pasteur, Hersteller von Vaxigrip® Tetra, erklärt im Gespräch mit DAZ.online: „Wir haben noch jede Menge Grippeimpfstoffe, und auch Glaxo Smith Kline kann Influsplit® Tetra weiterhin liefern. GSK-Sprecherin Dr. Anke Helten meint: „Es sind noch Grippe-Impfstoffe verfügbar. Wer sich diese Saison noch nicht hat impfen lassen, der kann sicher noch von einer Influenzaimpfung profitieren.“ Und weiter: „Im Herbst müsste man sich dann allerdings wieder mit dem neuen Impfstoff impfen lassen.“ 
Seqirus, Hersteller des zellkulturbasierten Grippeimpfstoffes Flucelvax® Tetra, bestätigt ebenfalls die Verfügbarkeit: Die Firma beziehungsweise der Großhandel habe aktuell noch einen Restbestand an Grippeimpfstoff für die Saison 2019/20 vorliegen.



Celine Müller, Apothekerin, Redakteurin DAZ.online (cel)
redaktion@daz.online


Diesen Artikel teilen:


3 Kommentare

Grippeimpfung

von Susanne Preuss am 15.03.2020 um 17:30 Uhr

Schlimm, es sieht so aus also wenn hier noch schnell "Restbestände" für die Grippeimpfung an den Mann gebracht werden sollen. Wie eine Werbecampagne. Weil "Im Herbst muss man sich dann gleich nochmal mit dem neu entwickelten Impfstoff imfpen lassen.
Ich kann mich nicht gegen das Gefühl wehren, daß hier mit der Angst vor dem Coronavirus gespielt wird. Auch noch eine Grippeimpfung, vielleicht hilft das ja auch gegen den Coronavirus.
Alles nur Geldmacherei der Pharmaindustrie!!!

» Auf diesen Kommentar antworten | 1 Antwort

AW: Grippeimpfung

von Brigitte Hillner am 15.03.2020 um 20:29 Uhr

Natürlich hilft eine Grippeimpfung nicht gegen den Coronavirus, sonst wäre es ja eine Coronaimpfung. Aber es sollte jedem einleuchten, dass es durchaus Sinn macht sich wenigsten vor den Erkrankungen zu schützen, vor denen man sich zum Glück schützen KANN! Und wer bitte soll „die Pharmaindustrie“ sein? Meinen Sie das z.B. Bionorica oder vielleicht Pascoe? Oder Merck? Oder wen bitte?

Grippeimpfung

von Martina Seifert am 15.03.2020 um 8:33 Uhr

Ich hatte vor 4 Jahren eine Meningitis vermutlich nach einer Grippeschutzimpfung. Habe mich zuvor 15 Jahre lang impfen lassen ohne Komplikationen. Wenn ich mich jetzt impfen lassen würde und dann zeitgleich am Coronavirus erkranke hätte das gefährliche Folgen?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.