DAZ-Editorial zum Lindner-Intervew

Unteilbare Honorierung

Süsel - 18.03.2020, 17:55 Uhr

FDP-Parteichef Christian Lindner will flexible Rx-Preise bei neuen Dienstleistungshonoraren. DAZ-Autor Dr. Thomas Müller-Bohn meint in einem DAZ-Editorial: Lindner hat nicht die Bedeutung der Rx-Preisbindung erfasst.  (Foto: Külker)

FDP-Parteichef Christian Lindner will flexible Rx-Preise bei neuen Dienstleistungshonoraren. DAZ-Autor Dr. Thomas Müller-Bohn meint in einem DAZ-Editorial: Lindner hat nicht die Bedeutung der Rx-Preisbindung erfasst.  (Foto: Külker)


Wie es mit der Rx-Preisbindung weitergeht, wird wesentlich von dem Gutachten abhängen, das das Bundesgesundheitsministerium dazu in Auftrag gegeben hatte. Dabei müssten besonders die Folgen der Doppelfunktion der Apotheker als Heilberufler und Kaufleute berücksichtigt werden, erläutert DAZ-Redakteur Dr. Thomas Müller-Bohn in einem Beitrag in der heutigen DAZ. Doch in der Politik werde der Zusammenhang zur Preisbindung häufig nicht gesehen, wie in der vorigen Woche auch das DAZ.online-Interview mit dem FDP-Vorsitzenden Lindner gezeigt habe. Wie dies alles zusammenhängt, beschreibt Müller-Bohn in einem Editorial.

Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner stellte sich in der vorigen Woche in einem Interview den Fragen von DAZ und DAZ.online. Nach den Ergebnissen der FDP bei den vorigen Wahlen bemühte er sich darum, seine Partei mit klassischen liberalen Werten zu verknüpfen und nicht mit bedingungslosem Streben nach freien Märkten oder mit Digitalisierung ohne „Bedenken“. Allzu offensichtlich versuchte er auch, Apotheker für die FDP zurückzugewinnen, blieb aber sehr im Allgemeinen und wich Fachfragen aus. Immerhin sicherte er den Apothekern zu, solange er Parteivorsitzender sei, werde sich die FDP nicht für Fremdbesitz bei Apotheken einsetzen. Er erkannte an, dass Fremdbesitz und Freiberuflichkeit „gar nicht“ zusammenpassen. 

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Doch er konnte nicht erklären, wie der Fremdbesitz-Vorschlag in der FDP überhaupt aufkommen konnte und warum der Parteivorstand sich nicht schon längst deutlich dagegen positioniert hat. So bleibt der Eindruck eines Wendemanövers ohne echten Sinneswandel. Das zeigt sich auch bei Lindners Idee, die Apotheken könnten ihre Umsätze durch eine Öffnung des Marktes erhöhen. Als einen möglichen Umsatzbringer nannte er Cannabis in Apotheken. Denn seine Partei wolle dafür nur einen Erwerb zulassen, bei dem die Konsumenten über die gesundheitlichen Folgen belehrt werden - also Apotheken als Coffeeshops mit erhobenem Zeigefinger. Was hat er wohl geraucht, das ihn vermuten lässt, die Apotheker damit für sich gewinnen zu können?

Doch Scherz beiseite - über einige Manöver zur Besänftigung der Apotheker hinaus offenbarte das Interview ein ernsthaftes Missverständnis, das grundlegende Bedeutung hat und das weit über die FDP hinaus verbreitet ist. Lindner regte an, die heilberufliche Leistung der Apotheker durch neue Vergütungen besser zu honorieren. Doch zugleich sieht er die Distribution als Handel, für den auch neue Umsatzquellen zu suchen seien. Außerdem will er den Versandhandel erhalten, der mit nur einem Prozent Rx-Umsatzanteil aus seiner Sicht kein Problem sein könne. Vor allem aber widersprach Lindner der These, dass der Rx-Festpreis praktisch die Honorarordnung der Apotheker sei. 



Dr. Thomas Müller-Bohn (tmb), Apotheker und Dipl.-Kaufmann
redaktion@daz.online


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3 Kommentare

Es geht ganz einfach

von Stefan Haydn am 19.03.2020 um 19:43 Uhr

Warum erklärt denn den Politikern keiner, dass ich bei einer Aufhebung der Preisbindung im Moment für schlecht lieferbare Arzneimittel den 3, 5 oder 10fachen Preis verlangen könnte.
Es gibt Patienten die bereit wären das zu bezahlen. Im Sinne des Patienten? Wohl kaum.
Aber ganz leicht zu verstehen, warum der Preis einheitlich sein sollte.

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Argumentation

von Holger am 19.03.2020 um 10:45 Uhr

Ich halte es verfehlt, die Preisbindung aus der Sicht der Apotheken verargumentieren zu wollen. Die Buchpreisbindung dient doch auch nicht in erster Linie dem Erhalt der flächendeckenden Buchhändlerversorgung, sondern schützt das Buch als Kulturgut und (okay, in lächerlichem Umfang) die Autoren. Daher muss man die Rx-Preisbindung aus der Sicht der Patienten begründen!

Ich sähe einerseits den Vergleich mit der nächtlichen Abzocke von Schlüsseldiensten. Andererseits würden die Krankenkassen ja rasch zu gedeckelter Erstattung übergehen was dem Patienten das Preisrisiko vollumfänglich aufbürdet. Beides halte ich in einer sozialen Gesellschaft für unvertretbar.

Aber auch wenn es mich selber betrifft - die Vorhaltung einer flächendeckenden Apothekenstruktur ist KEIN Selbstzweck an sich. Sie KANN ein Mittel sein, die flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Und es ist UNSER Job, dafür zu sorgen, dass sie von allen Protagonisten als die BESTE Möglichkeit angesehen wird. Dann wird die auch erhalten. Aber auf "beschützte Werkstatt" sollten wir nicht hoffen.

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Eine dynamisierte und unteilbare Honorierung u n d die dazu passenden Kosten ...

von Christian Timme am 18.03.2020 um 20:03 Uhr

... bilden die Grundlage für den Betrieb einer Apotheke in der Zukunft. Wer das als Politiker nicht versteht ... spielt mit der Letalität.

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