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Corona: die vielversprechendsten Ansätze
WHO startet weltweite Studie zu Arzneimitteln gegen COVID-19
Die Weltgesundheitsorganisation verwendet in ihrer Krisenkommunikation rund um das neue Coronavirus derzeit ein Wort besonders häufig: „Solidarität“, die jetzt weltweit dringend benötigt werde. Unter eben diesem Titel „Solidarity“ und in diesem Sinne hat die WHO nun eine weltweite Studie eingeleitet, in der die aktuell bereits verfügbaren Behandlungsansätze gegen COVID-19 miteinander verglichen werden sollen.
Wie die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) am 23. März mitteilte, lässt das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) jetzt Arzneimittel zur Therapie schwerwiegender Verläufe COVID-19-infizierter Patienten für Deutschland zentral beschaffen. Dabei geht es um chloroquinhaltige Arzneimittel, das antiviral wirksame HIV-Therapeutikum Kaletra® (Lopinavir, Ritonavir) sowie zwei in Japan zugelassene Arzneimittel – Avigan® (Favipiravir) und Foipan® (Camostat). Es kommt also Bewegung in die potenziellen Therapiemöglichkeiten einer Infektion mit dem neuen Coronavirus. Auch zum Wirkstoff Remdesivir sind in Deutschland mittlerweile Studien gestartet. Ursprünglich sollte das Arzneimittel mal gegen Ebola zum Einsatz kommen. Doch was weiß man eigentlich wirklich über all diese Wirkstoffe?
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So hoffnungsvoll die Berichte über mögliche Therapien klingen mögen – ob all diese Maßnahmen schließlich zum Erfolg führen werden, bleibt offen. Am 18. März teilte die WHO (Weltgesundheitsorganisation) schließlich mit, dass die vielen bereits laufenden kleinen, unterschiedlichen Studien wahrscheinlich nicht für die klare Evidenz sorgen werden, die die Welt im Kampf gegen COVID-19 benötigt. Welche Therapien können wirklich Leben retten? Um dieser Frage nachzugehen, organisiere die WHO nun mit ihren Partnern in vielen Ländern eine Studie, in der einige der bisher vielversprechendsten Arzneimittel miteinander verglichen werden sollen. Diese internationale Studie sei einerseits so aufgestellt, dass sie die benötigte Evidenz liefern könne. Andererseits sollen in der Studie vereinfachte Abläufe dafür sorgen, dass selbst die Krankenhäuser mitmachen könnten, die durch die Coronakrise überlastet sind.
Die WHO hat der Studie den Namen „Solidarity“ gegeben. Bislang sollen Argentinien, Bahrain, Kanada, Frankreich, Iran, Norwegen, Südafrika, Spanien, Schweiz und Thailand ihre Teilnahme an der „Solidarity“-Studie bestätigt haben. Die WHO erwartet, dass noch viele weitere folgen werden.
Diese Arzneimittel werden in „Solidarity“ getestet
Insgesamt sollen vier verschiedene Therapien getestet werden:
- Remdesivir
- Lopinavir + Ritonavir
- Lopinavir + Ritonavir + Interferon Beta
- Chloroquin
Ihre Effektivität soll mit den aktuellen Maßnahmen verglichen werden, mit denen an COVID-19 Erkrankte aktuell im Krankenhäusern behandelt werden.
In ihrem Statement vom 23. März betont die WHO den Nutzen einer solchen internationalen Studie. Denn der Einsatz von Arzneimitteln ohne Evidenz könne zu falschen Hoffnungen führen – und mehr Schaden als Nutzen bringen. So könnten auch Engpässe bei Arzneimitteln entstehen, die zur Behandlung anderer Krankheiten essenziell sind.
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Die DAZ 10/2020 hatte bereits am 5. März ausführlich über die „fieberhafte Suche nach Impfstoffen und antiviralen Therapien“ berichtet und einen Überblick über die einzelnen laufenden Studien geboten. Über die neue WHO-Studie hat nun am 22. März am ausführlichsten Sciencemag.org berichtet. Dort werden auch einige Schwächen der Studie deutlich (z. B. ist sie nicht doppelblind). Doch das nimmt man in Kauf, die WHO wollte bzw. musste schnell sein, heißt es – die Idee zu „Solidarity“ sei vor weniger als zwei Wochen entstanden. Die Gruppe an Arzneimitteln, die nun ausgewählt wurde, bestehe aus den Wirkstoffen, die nicht nur am wahrscheinlichsten helfen werden, sondern über die auch am meisten zur Sicherheit bekannt ist und die in ausreichender Menge zur Verfügung gestellt werden könnten.
Chancen bergen auch Gefahren
Doch selbst in der kleinen Auswahl der WHO-Studie sind nicht alle Wirkstoffe große Hoffnungsbringer. Laut Science hätten Chloroquin und Hydroxychlorquin gar nicht in die „Solidarity“-Studie aufgenommen werden sollen. Aufgrund des großen öffentlichen Interesses in einigen Ländern soll man die beiden Wirkstoffe aber schließlich doch mit in die Studie eingeschlossen haben. Allerdings soll es bei den beiden Wirkstoffen (in hohen Dosen) durchaus Sicherheitsbedenken geben.
Wie komplex die Situation ist, mit der sich gerade die Wissenschaft konfrontiert sieht, zeigt außerdem eine weitere Liste der WHO über alle Wirkstoffe, die gerade im Rahmen von COVID-19 in Studien untersucht werden. Das sind weit mehr als die vier im Rahmen von „Solidarity“.
Offenbar versucht die WHO insofern der Komplexität der Lage gerecht zu werden, indem sie die Möglichkeit geschaffen hat, das Design der „Solidarity“-Studie ständig verändern zu können – die Ergebnisse zu den einzelnen Therapien sollen also ständig evaluiert und die Therapien entsprechend angepasst werden. Auch könnten andere Wirkstoffe, wie etwa das japanische Influenza-Arzneimittel Favipiravir (s.o.) mit in die Studie aufgenommen werden.
„Discovery“: das europäische Pendant
Das französische „Institut national de la santé et de la recherche médicale“ (Inserm) hat am 22. März in einer Pressemitteilung bekannt gegeben, von nun an ebenfalls vier experimentelle Therapien gegen COVID-19 in einer europaweiten Studie zu erproben. Mindestens 800 Patienten aus Frankreich mit schweren COVID-19-Symptomen sollen darin untersucht werden. Das Vorgehen dabei ähnelt stark dem der WHO. Einziger Unterschied ist der Einsatz von Hydroxychloroquin statt Chloroquin. Wie die „Solidarity“-Studie der WHO soll aber auch diese europäische Studie unter dem Namen „Discovery“ dynamisch an die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse angepasst werden. Man plant 3200 europäische Patienten aus Belgien, Frankreich, Deutschland, Luxemburg, den Niederlanden, Spanien, Schweden und Großbritannien innerhalb der Studie zu behandeln.
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