Umstellungen beim Testverfahren

COVID-19: Spahn will gezielter testen lassen

Düsseldorf - 17.04.2020, 16:45 Uhr

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat am heutigen Freitag mitgeteilt, dass er das Testverfahren auf COVID-19 umstellen will, um gezielter zu testen. (b/Foto: imago images / Xinhua)

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat am heutigen Freitag mitgeteilt, dass er das Testverfahren auf COVID-19 umstellen will, um gezielter zu testen. (b/Foto: imago images / Xinhua)


Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zog am heutigen Freitagvormittag auf einer Pressekonferenz in Berlin eine positive Zwischenbilanz zum Stand der Bekämpfung der COVID-19-Epidemie in Deutschland. Für die weitere Vorgehensweise bei den Tests auf das Virus wolle man aber zukünftig gezielter vorgehen. Das Robert-Koch-Institut soll außerdem Zahlen nahezu in Echtzeit für ein besseres Lagebild erheben und erfasst ab sofort auch die Wochentestkapazität der Labore.

Tests1.728.357 Labortests auf das Virus SARS CoV-2 haben 191 Labore in Deutschland bis einschließlich der 15. Kalenderwoche durchgeführt, vermeldet das Robert-Koch-Institut am Freitag. 132.766 davon waren positiv. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) sieht diese Zahlen gleichzeitig positiv wie negativ. Mit rund 10 Prozent sei die Quote der Positivtestungen relativ niedrig, heißt es vom Ministerium in einer Mitteilung vom 17. April. Das zeige zum einen eine hohe Verfügbarkeit für alle Verdachtsfälle.„Dies bedeutet allerdings, dass wir in Deutschland trotz der mehrfachen Anpassungen der Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) immer noch zu ungerichtet testen“, heißt es weiter. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn erklärte daher am Freitag in der Pressekonferenz gemeinsam mit RKI-Präsident Lothar Wieler, dass man, um die Corona-Pandemie weiter einzudämmen, Tests strategisch besser einsetzen wolle. Vermehrt will man zum Beispiel in Alten- und Pflegeheimen testen, um so zu verhindern, dass sich Patienten infizieren.

Kapazität für 730.156 Tests pro Woche

An der Testkapazität dürfte das nicht scheitern. Mit der Kalenderwoche 15 erfasst das Robert-Koch-Institut basierend auf einer Abfrage der täglichen Testkapazitäten und verrechnet mit der Anzahl der Wochenarbeitstage nun regelmäßig die deutsche Wochentestkapazität. Im jüngsten Epidemiologischen Bulletin 16/2020 gibt das RKI diese mit mindestens 730.156 durchführbaren PCR-Tests an.

Die Testkapazität sei flächendeckend über ganz Deutschland verteilt und werde auch laut BMG bundeslandübergreifend durchgeführt. Dadurch, dass man die Kostenübernahme der Tests durch die gesetzlichen Krankenversicherungen frühzeitig geregelt habe sowie für privat Versicherte und man frühzeitig und umfangreich getestet habe, habe man in Deutschland von Beginn an ein detailliertes Bild der Infektionsentwicklung. „Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Dunkelziffer, also die Zahl unentdeckter Infektionen, niedriger ist als in den meisten anderen Ländern“, heißt es vom BMG.

Man habe damit ausreichend Testkapazität für alle Fragestellungen und könne weiterhin breit angelegt testen. „Für die kommenden Monate wird es nun darauf ankommen, die auch im internationalen Vergleich führende Testkapazität nicht nur auf ‚Menge‘ auszurichten, sondern insbesondere auch gezielt einzusetzen“, so das BMG weiter.

Besseres und aktuelles Lagebild durch Daten fast in Echtzeit

Nichtsdestotrotz sei es für ein „aktuelleres und besseres Lagebild“ notwendig, die Zahl und Verteilung der positiv getesteten Menschen in Deutschland schneller und präziser zu erfassen, so die Strategie. „Daher sollen dem RKI Ergebnisse der Labore mittels digitaler Schnittstellen ab Mai direkt und nahezu in Echtzeit zur Verfügung stehen. Die Meldungen der Gesundheitsämter bleiben die verlässliche Säule der Erfassung“, heißt es. In der jüngsten Vergangenheit war öfter von verschiedenen Stellen kritisiert worden, dass die Zahlen des Robert-Koch-Instituts anderen wie denen der Johns-Hopkins-Universität Boston offenkundig hinterherhinkten. Das RKI bekommt seine Daten bislang von den Gesundheitsämtern in der Regel abends übermittelt und bildet sie jeweils mit Stand Mitternacht ab. Die Johns-Hopkins-Universität ermittelt ihre Zahlen dagegen nahezu in Echtzeit aus einer Vielzahl an Quellen.

Neben dieser angestrebten besseren Abbildung der Lage soll auch die Strategie der PCR-Tests, also der Nachweis von Virus-Erbinformation mittels Polymerase-Kettenreaktion, optimiert werden, um deutlich gezielter zu testen. Das BMG wolle zukünftig eine Fokus auf Einrichtungen wie Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Altenheime, Behinderteneinrichtungen und sonstige Einrichtungen für besonders empfängliche (Risiko)-gruppen legen. Vor jeder Aufnahme oder Wiederaufnahme einer Person beziehungsweise eines Patienten soll getestet werden, außerdem in bestimmten Abständen nach der Aufnahme und an den Tagen 3, 5 und 8 während der Inkubationszeit von COVID-19. Damit sollen Ausbrüche in Einrichtungen verhindert oder zumindest eingedämmt werden.

In jüngster Vergangenheit hatte es Endemien in Altenheimen etwa in Wolfsburg oder Würzburg gegeben. Schlagzeilen machte auch eine Fallhäufung in der Onkologie des Hamburger Universitätsklinikums. In Hamburg wird vermutet, der Erreger könnte durch eine Angestellte des Reinigungspersonals in die Station eingeschleppt worden sein.

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Schnelle Tests seien wünschenswert

Solchen Fällen will das BMG gerne in weiterer Zukunft entgegentreten und würde sich PCR-Tests „oder noch besser einen Antigen-Test“ mit sehr kurzer Analysedauer wünschen, mit dem Personen, die eine der besonders gefährdeten Einrichtungen betreten, kurzfristig „frei“ getestet werden könnten – jedesmal, wenn Sie die Einrichtung betreten wollen. Solche Tests sind allerdings noch in der Entwicklung und Validierung, sollen aber seitens des BMG gefördert werden.

Aktuell sei der PCR-Test der „Goldstandard“ heißt es auch weiterhin etwa vom Paul-Ehrlich-Institut. Antikörpertests und andere Schnelltests sind noch in der Entwicklung oder seien wegen zum Teil fehlender unabhängiger Überprüfung aus Sicht des Instituts bislang nicht valide.

Mittels des PCR-Tests sollen aber laut BMG weiterhin insbesondere nach den Empfehlungen des RKI symptomatische Personen, deren symptomatische Kontaktpersonen sowie jeder ärztlich begründete Verdachtsfall getestet werden. Regelmäßig sollen sich auch Mitarbeiter in Einrichtungen, die COVID-19-Patienten betreuen, am besten selbst testen. „Dieser Personenkreis kann den Rachenabstrich nach einmaliger Anleitung als Selbsttestung durchführen, heißt es vom Ministerium.

Derzeit prüfe man ferner eine Rechtsgrundlage für die Übernahme der Kosten durch die GKV bei einer vorsorglichen Testung in allen diesen Fällen sowie besonders in Epidemie-Risikoregionen mit einer hohen akuten Inzidenz. Dort soll möglichst die Gesamtbevölkerung innerhalb weniger Tage getestet werden, „bei gleichzeitiger Aufforderung zur weitestmöglichen Selbstisolation“.

Testzentren flächendeckend fördern, große Labore bevorzugt beliefern

Um Tests sicher durchzuführen, will das BMG flächendeckend in Deutschland Konzepte wie Drive-In-Testzentren, COVID-Ambulanzen oder mobile „Swabbing-Teams“ fördern, die Proben getrennt von einem normalen Praxisbetreib nehmen können

Um die Testkapazitäten aufrecht erhalten zu können, sollen ferner Maßnahmen ergriffen werden, um Lieferschwierigkeiten zu vermeiden, die angesichts der Weltlage für Reagenzien, Kits und mehr immer wieder auftreten. Daher sollen zukünftig Labore mit hoher Testkapazität, Mehrschichtbetrieb und der Möglichkeit der schnellen Datenübermittlung bevorzugt beliefert werden. Der Bund wolle darüber hinaus Testgeräte und Materialien kaufen und (im Falle der Geräte) vermieten sowie dreiseitige Verträge unter Beteiligung des Bundes als Abnahmegarant für Materialien abschließen.

Um die gewünschten schnelleren und flexibleren Testmöglichkeiten schneller einsetzen zu können, hat das BMG das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beauftragt, den Markt permanent nach neuen Testangeboten zu durchsuchen. Allerdings genügten bislang nur wenige Angebote den Anforderungen an eine ausreichende diagnostische Qualität, heißt es. „Sobald entsprechend gute Tests vorliegen, werden sie für entsprechende Testkonzepte und zur Abrechnung durch die Kassen zugelassen“, so das BMG. Ebenfalls noch zu unsicher seien Pooling-Verfahren, die noch zu oft falsch negative Ergebnisse liefern. Dort werde weiter an einer Erprobung vereinfachter Verfahren gearbeitet.

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RKI und BMG planen Untersuchungen zu Immunität und zufällige Tests

Für das bessere Lagebild indes planen RKI und BMG verschiedene breiter angelegte Studien in der Bevölkerung. Das RKI plane zeitnah drei serologische und sero-epidemiologische Untersuchungen, um die bereits bestehende Immunität gegen das SARS-CoV-2-Virus in verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu erheben und sie mit Auswertungen weiterer wissenschaftlicher Untersuchungen zu kombinieren. Erste Ergebnisse dazu soll es bereits Ende Mai geben.

Das BMG plant unterdessen regelmäßige „Sentinel-Testungen“ zufällig ausgewählter, repräsentativer Personengruppen, um ein besseres Bild der Ausbreitung des neuen Coronavirus in Deutschland zu erhalten.

Neben dem aktuellen Fokus auf COVID-19 dürfe aber die Versorgung mit „normalen“ Labortests nicht leiden. Das wolle man in Zusammenarbeit mit Kassenärztlicher Bundesvereinigung und den GKV sicherstellen.



Volker Budinger, Autor DAZ.online
redaktion@daz.online


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