Eil-Verordnung zur Arzneimittelversorgung

Weite Austauschmöglichkeiten und vergüteter Botendienst ab morgen in Kraft

Berlin - 21.04.2020, 16:43 Uhr

Die Apotheken haben in Kürze umfassende Austauschmöglichkeiten, wenn ein verordnetes Arzneimittel nicht vorrätig ist. ( r / Foto: imago images / Ralph Lueger)

Die Apotheken haben in Kürze umfassende Austauschmöglichkeiten, wenn ein verordnetes Arzneimittel nicht vorrätig ist. ( r / Foto: imago images / Ralph Lueger)


Die SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung ist am heutigen Dienstag im Bundesanzeiger veröffentlicht worden und tritt damit am morgigen Mittwoch in Kraft. Das bedeutet umfassende neue Austauschmöglichkeiten sowie einen vergüteten Botendienst für Apotheken während der Corona-Epidemie. Gegenüber dem Referentenentwurf wurden noch einige Änderungen vorgenommen – auch solche im Sinne der Apothekerschaft. Und so zeigt sich die ABDA-Spitze in einem ersten Statement hoch erfreut über die neuen Regelungen. 

Es hat nun doch ein paar Tage gedauert. Das Bundesgesundheitsministerium hat nochmals an seinem Verordnungsentwurf, der unter anderem Abweichungen vom Sozialgesetzbuch V, dem Apothekengesetz, der Apothekenbetriebsordnung und der Arzneimittelpreisverordnung während der „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ vorsieht, gefeilt. Dabei hat es durchaus Anregungen aus den Stellungnahmen der Verbände aufgegriffen. Zudem wurden offensichtliche redaktionelle Fehler behoben.

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Besonders bedeutsam für die öffentlichen Apotheken sind die Ausnahmen vom Rahmenvertrag beziehungsweise § 129 Abs. 1 SGB V. Sie ermöglichen Apotheken einen unbürokratischen Austausch, wenn das verordnete Arzneimittel nicht vorrätig ist. Dabei setzt man auch auf ihre pharmazeutische Kompetenz, so wird zum Beispiel in bestimmten Fällen auch ein Aut-simile-Austausch möglich. Zugleich werden Apotheken im Rahmen dieser Ausnahmeregelung vor Retaxationen geschützt. 

Wörtlich heißt es nun in § 1 der neuen Verordnung:

Auszug aus § 1 SARS-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung

(3)  Abweichend von § 129 Absatz 1 Satz 1 bis 5 und 8 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und dem Rahmenvertrag nach § 129 Absatz 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch dürfen Apotheken, wenn das auf der Grundlage der Verordnung abzugebende Arzneimittel in der Apotheke nicht vorrätig ist, an den Versicherten ein in der Apotheke vorrätiges wirkstoffgleiches Arzneimittel abgeben; ist kein wirkstoffgleiches Arzneimittel in der Apotheke vorrätig und ist das abzugebende Arzneimittel auch nicht lieferbar, darf ein lieferbares wirkstoffgleiches Arzneimittel abgegeben werden. Sofern weder das auf der Grundlage der Verordnung abzugebende noch ein wirkstoffgleiches Arzneimittel vorrätig oder lieferbar ist, dürfen Apotheken nach Rücksprache mit dem verordnenden Arzt ein pharmakologisch- therapeutisch vergleichbares Arzneimittel an den Versicherten abgeben; dies ist auf dem Arzneiverordnungsblatt zu dokumentieren. Satz 2 gilt entsprechend für den Fall, dass der verordnende Arzt den Austausch des Arzneimittels ausgeschlossen hat. Apotheken dürfen ohne Rücksprache mit dem verordnenden Arzt von der ärztlichen Verordnung im Hinblick auf Folgendes abweichen, sofern dadurch die verordnete Gesamtmenge des Wirkstoffs nicht überschritten wird:

1. die Packungsgröße, auch mit einer Überschreitung der nach der Packungsgrößenverordnung definierten Messzahl,

2. die Packungsanzahl,

3. die Entnahme von Teilmengen aus Fertigarzneimittelpackungen, soweit die abzugebende Packungsgröße nicht lieferbar ist, und

4. die Wirkstärke, sofern keine pharmazeutischen Bedenken bestehen.

Im Fall der Verschreibung von Substitutionsmitteln  nach § 5 Absatz 6 der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung findet Satz 4 Nummer 1, 2 und 4 keine Anwendung.

(4)  Abweichend von den Regelungen in dem Rahmenvertrag nach § 129 Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 4 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch findet in den Fällen des Absatzes 3 keine Beanstandung und Retaxation statt.

(Anmerkung der Redaktion: Fett hervorgehoben sind wesentliche Änderungen gegenüber dem Referentenentwurf)

Hier wurde insbesondere eine Forderung der ABDA berücksichtigt: Zuvor hatte es noch geheißen, dass Arzneimittel dürfe in der Apotheke nicht „verfügbar“ sein – nun steht hier „vorrätig“, was die Angelegenheit deutlich klarer macht. Aufgegriffen wurde auch die Anregung, im Zusammenhang mit den Abweichungsoptionen von einer nicht zu überschreitenden Gesamtmenge des „Wirkstoffs“ zu sprechen – zuvor war von der verordneten Gesamtmenge des „Arzneimittels“ die Rede.  

Allerdings ging das BMG nicht so weit, den Wunsch der ABDA aufzugreifen, dass die Liste der Fälle, in denen eine Rücksprache mit dem Arzt nicht erforderlich ist, um die Darreichungsform, das Anwendungsgebiet und die Substitutionsausschlussliste des Gemeinsamen Bundesausschusses ergänzt werden sollte.

5 Euro für den Botendienst – je Lieferort und Tag

Auch der vergütete Botendienst ist in der neuen Verordnung zu finden. Geregelt ist nun (die wichtigsten Änderungen sind fett hervorgehoben):

§ 4 Ergänzungen  der Arzneimittelpreisverordnung

(1)  Zusätzlich zu den in § 3 Absatz 1 Satz 1 der Arzneimittelpreisverordnung genannten Zuschlägen können Apotheken bei der Abgabe von Arzneimitteln im Wege des Botendienstes je Lieferort und Tag einen Zusatzbetrag von 5 Euro zuzüglich Umsatzsteuer erheben.

(2)  Zusätzlich zu den in § 3 Absatz 1 Satz 1 der Arzneimittelpreisverordnung genannten Zuschlägen können Apotheken einmalig einen Betrag zur Förderung von Botendiensten in Höhe von 250 Euro zuzüglich Umsatzsteuer zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung erheben. Das Nähere über die Aufbringung und Verteilung des Betrages vereinbaren die für die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen gebildete maßgebliche Spitzenorganisation der Apotheker und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen.

Das heißt allerdings auch: Die Details der Abrechnung müssen nun noch vom Deutschen Apothekerverband und dem GKV-Spitzenverband geklärt werden. 

Eine Änderung gab es auch bei der Vergütung von Teilmengen. Es bleibt dabei, dass Apotheken nur bei der erstmaligen Abgabe von Teilmengen aus einer Arzneimittelpackung die in § 3 Absatz 1 Satz 1 der Arzneimittelpreisverordnung enthaltenen Zuschläge erheben können. Bei jeder weiteren Abgabe von Teilmengen aus der Packung können die Apotheken aber nur noch 5,80 Euro erheben. Im Referentenentwurf war hier noch das Fixum von 8,35 Euro je Abgabe genannt. 

Gänzlich entfallen ist übrigens die im Referentenentwurf vorgesehene Regelung, die die erst jüngst erlaubten Wiederholungsrezepte für unzulässig erklärt hat. Damit gilt die mit dem Masernschutzgesetz eingeführte Regelung fort – soweit die Details hierzu seitens der Selbstverwaltung geklärt sind.

Die Verordnung tritt insgesamt außer Kraft, wenn die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite aufgehoben ist. Eine gesonderte Bestimmung gibt es allerdings zum vergüteten Botendienst (5,00 Euro): Diese Ausnahme von der Arzneimittelpreisverordnung tritt spätestens am 30. September 2020 außer Kraft. 

ABDA-Spitze hochzufrieden

ABDA-Präsident Friedemann Schmidt begrüßt die neue Verordnung: „Als Heilberufler kämpfen wir Apotheker Tag für Tag an vorderster Front gegen die Ausbreitung der Corona-Pandemie. Die neue Verordnung gibt uns Rechtssicherheit und Handlungsspielraum, so dass wir schneller entscheiden und die Patienten insgesamt besser versorgen können. Die Verordnung entspricht fast vollständig unseren Forderungen und Vorschlägen. Sie gibt uns die Möglichkeit, die Zahl der Patientenkontakte zu verringern und somit Risikogruppen zu schützen", sagt .

Der Präsident der Bundesapothekerkammer Dr. Andreas Kiefer fügt hinzu: „Mit dem Botendienst und der Aut-simile-Regelung können wir Apotheker einmal mehr beweisen, dass wir soziale und pharmazeutische Kompetenz vor Ort bündeln und verantwortungsvoll einsetzen. Viele Apotheken haben die Anzahl ihrer Botendienste im März bereits um mehr als fünfzig Prozent erhöht, um Risikogruppen oder Menschen in Quarantäne zuhause bedarfsgerecht zu versorgen. Wo bisher nur „aut idem“ möglich war, kann gemeinsam mit dem Arzt nun auch „aut simile“ versorgt werden – dabei können wir Apotheker unsere Fachkompetenz mit engagiertem Engpassmanagement verbinden."

Becker appelliert an Kassen: Schnelle Lösung für die Abrechnung des Botendiensts

Und auch der DAV-Vorsitzende Fritz Becker ist zufrieden: „Botendienste sind und bleiben Gemeinwohlaufgaben unserer Apotheken vor Ort. Bisher waren sie immer stark defizitär. Mit einer Grundausstattung von 250 Euro pro Apotheke und 5 Euro Zuschuss pro Botendienst wird die Versorgung in diesen schwierigen Zeiten jetzt aber sehr gut unterstützt. Das begrüßen wir Apotheker uneingeschränkt. Die Krankenkassen fordern wir auf, mit uns eine unbürokratische und schnelle Lösung für die Abrechnung des Zuschusses zu finden.“

Die gesamte Verordnung in ihrer veröffentlichten Fassung finden Sie hier zum Herunterladen. 



Kirsten Sucker-Sket (ks), Redakteurin Hauptstadtbüro
ksucker@daz.online


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6 Kommentare

Wer kommt für die Vergütung auf

von Monika S. am 25.04.2020 um 22:43 Uhr

Mich würde mal interessieren, wer im Endeffekt für die Kosten des Botendienstes aufkommt? Wer bezahlt die Boten? Laut den Rechenergebnissen auf dieser Seite: https://www.versicherungsriese.de/krankenversicherung/private-krankenversicherung/rechner/ müssten die Kosten von der PKV, bzw. von den Krankenkassen (bei gesetzlich Versicherten) übernommen werden. Ich hoffe, ich bin hier richtig informiert!

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Sonder-PZN Botendienst?

von CB am 22.04.2020 um 11:15 Uhr

Gibt es denn bereits eine Sonder-PZN für Botendienste, die auf dem Rezept aufgebracht werden kann (ähnlich der PZN, die es bereits in Baden-Württemberg gab), oder wie können die 5€ pro Botengang verrechnet werden?

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Ok

von Karl Friedrich Müller am 22.04.2020 um 7:51 Uhr

Ich will ja nicht schon wieder maulen. Aber mir ist es zu nebulös.
Wo sollen die vielen Sonderkennzeichen hin? Wir haben eigentlich nur 3 Zeilen.
Dann sind mir die Austauschmöglichkeiten zu extrem. Da wird wegen jedem Quark pharmazeutische Bedenken angemeldet und nun das. Ja, es ist hilfreich, wenn es so gar nichts gibt. Das ist selten wirklich der Fall. Extrem war es bei Venlafaxin, im Moment bei Doxepin.
Man kann nicht wild substituieren, bloß weil mal eben in der Apotheke was nicht vorrätig ist. Wird der verantwortungsvolle Kollege auch nicht machen ....
Was passiert da auch im Versand? In der Tagesschau: Zuwachs im März um 88%? Wie ethisch wird da gearbeitet? Oder zählt nur der Umsatz? (Nicht der Gewinn! Was für sich schon ein Unding ist. Diese Rabatte!)
Ist der Versand ein abrechenbarer Botengang? Wer wird wirklich gefördert?

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Botendienst

von Conny am 21.04.2020 um 17:21 Uhr

Bei mehreren Rezepten in ein Altenheim werden wir immer das AOK Rezept nehmen , gefolgt von der DAK

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AW: Botendienst in Altenheime

von RB am 22.04.2020 um 9:07 Uhr

Wenn Sie korrekterweise einen Heimversorgungsvertrag nach §12a ApoG haben, sind Sie demnach doch zur Lieferung verpflichtet oder? Ich denke, dass da nix ist mit extra Botendienst abrechnen.

AW: Botendienst

von Heiko Barz am 22.04.2020 um 10:39 Uhr

@ Botendienst in Altenheime.
Ich bin in keiner Weise erstaunt, diesen Beitrag zu lesen. Der Botenzuschuss ist noch nicht einmal verhandelt, da wird schon von verschiedenen Protagonisten ein hörbares Veto laut.

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