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Thüringen
Apothekenmitarbeiter nicht in höchster Kategorie zur Kindernotbetreuung
Grundschulen und Kindergärten sind in ganz Deutschland aufgrund des Coronavirus schon länger als einen Monat geschlossen. Eltern, die in den entsprechenden Verordnungen der Bundesländer nicht als „systemrelevant“ gelten, müssen ihre Kinder – neben der Arbeit – selbst betreuen. Dass die Bundesländer dabei höchst unterschiedliche Wege gehen, zeigt nun das Beispiel Thüringen: Hier wurden Apotheker und ihre Mitarbeiter nicht in die höchste Kategorie zur Kindernotbetreuung eingestuft. Ein Recht auf Betreuung besteht nur, wenn der andere Elternteil auch „systemrelevant“ ist. Die Kammer ist erzürnt. Das Bildungsministerium verteidigt sich.
Mitte März haben die ersten Bundesländer damit begonnen, ihre Schulen und Kindergärten zu schließen. Die Bundesregierung und die Bundesländer haben dazu festgelegt, dass nur Kinder von Eltern mit „systemrelevanten“ Berufen einen Platz für eine Notbetreuung bekommen, sodass die Eltern ihrer Arbeit weiterhin nachgehen können. Genaue Vorgaben machte die Bundesregierung dazu allerdings nicht. Da die Regelungen im Bildungsbereich ohnehin auf Länderebene getroffen werden, haben die Bundesländer teils unterschiedliche Verordnungen dazu erlassen, welche Berufe systemrelevant sind und welche nicht. So sind beispielsweise Journalisten in einigen Bundesländern systemrelevant, in anderen nicht.
Im Laufe der vergangenen Wochen haben einige Bundesländer diese Regelungen allerdings gelockert. In Brandenburg können beispielsweise Familien mit nur einem „systemrelevanten“ Elternteil auch Notbetreuung beantragen – wenn das andere Elternteil nicht im Homeoffice arbeiten kann. Und Mitte April beschlossen die Bundesregierung und die Bundesländer in ihrem Lockerungsplan, dass die Angebote zur Kindernotbetreuung weiter ausgebaut werden sollen, sodass mehr Familien Anspruch haben.
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Aber auch bei diesen Lockerungen gehen die Länder höchst unterschiedlich vor. Ein für Apotheker und ihre Mitarbeiter negatives Beispiel ist der Freistaat Thüringen. Thüringen hat die Berufe der Eltern in „Kategorien“ eingeteilt – je höher die Kategorie, desto unbeschränkter ist der Anspruch auf Notbetreuung. Die höchste Kategorie ist die mit dem Namen „A+“. Vor den Lockerungen Mitte April hieß es zu dieser Kategorie: „Kinder, bei denen ein Elternteil unmittelbar mit der Versorgung von Kranken oder pflegebedürftigen Personen betraut ist.“ Nach den Lockerungen wurde nun noch der Halbsatz „oder Kinder von erwerbstätigen Alleinerziehenden“ hinzugefügt.
Dass Apotheker „unmittelbar mit der Versorgung von Kranken“ beschäftigt sind, dürfte wohl klar sein. Die Thüringer Landesregierung sieht dies offenbar anders. Denn Apotheker wurden von vorn herein in die zweithöchste Kategorie „A“ eingestuft, für die die Definition gilt: „Kinder von Eltern, die im medizinischen, pflegerischen Bereich oder in Bereichen mit Verantwortung für die öffentliche Sicherheit arbeiten, wenn auch der 2. Elternteil zur Notbetreuung berechtigt ist.“ Heißt konkret: Nur wenn die Ehepartner eines Apothekenpartners auch systemrelevant ist, besteht Anspruch auf Notbetreuung in Thüringen. Die Landesapothekerkammer kämpfte in den vergangenen Wochen für die Höherstufung der Pharmazeuten und deren Teams. Vergeblich. Denn auch nach der nun erfolgten Lockerung wurde der Kammer mitgeteilt, dass die Apotheker und ihre Beschäftigten weiterhin nicht zur Kategorie „A+“ gehören.
Ministerium: Apotheken nicht mit unmittelbarer Krankenversorgung betraut
Das Bildungsministerium verteidigte die Einstufung auf Nachfrage von DAZ.online. Apotheker spielten in der Corona-Pandemie „eine sehr wichtige Rolle zur Aufrechterhaltung dieses wichtigen Sektors“ und gehörten somit zur Kategorie „A“. So müssten sie keine speziellen Nachweise führen, es gelte aber die Zwei-Eltern-Regel. Die Gruppe A+ sei geschaffen worden, „um vor allem den Betrieb von Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, insbesondere die unmittelbare Betreuung und Versorgung von Kranken und Pflegebedürftigen noch einmal besser absichern zu können“. Deswegen gelte hier die Ein-Eltern-Regel.
DAZ.online fragte das Bildungsministerium von Linken-Politiker Helmut Holter auch, warum die Apotheker aus Sicht der Landesregierung nicht „unmittelbar mit der Versorgung von Kranken“ beschäftigt seien – denn so wird schließlich die Kategorie „A+“ definiert. Der Ministeriumssprecher erklärte dazu:
Mit unmittelbarer Betreuung und Versorgung von Kranken und Pflegebedürftigen kann das Apothekenwesen aus unserer Sicht in der Tat nicht gemeint sein, so wie es auch für andere Bereiche im Gesundheitswesen nicht zutrifft. Es bleibt bei der schon im Vergleich zu anderen Berufsgruppen und Wirtschaftszweigen sehr hohen Priorität bei der Notbetreuung, die sich in Gruppe A ausdrückt. Insofern bitte ich Sie um Verständnis, dass hier, auch um den Kreis der notbetreuten Kinder weiterhin so eng begrenzt wie möglich zu halten, bis auf Weiteres keine andere Eingruppierung möglich ist.
Apotheken und ihre Angestellten müssen mit einem - im Vergleich zu anderen Berufsgruppen schon sehr geringen - Maß an Anpassung auf die pandemiebedingte Sondersituation leben und sich darauf einstellen. Das kann über verlagerte Arbeitszeiten, Schichtmodelle oder die bessere Abstimmung mit den jeweiligen Partnerinnen und Partnern bei der Kinderbetreuung geschehen, so wie es auch viele andere Eltern in Thüringen und deutschlandweit praktizieren müssen. Insofern Apothekerinnen und Apotheker bzw. ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erwerbstätige Alleinerziehende sind, steht Ihnen die Notbetreuung unter A+ zur Verfügung.“
Kammer: Wertschätzung und Respekt sehen anders aus
Die Kammer ist enttäuscht. Auf ihrer Internetseite hat sie die Entscheidungen der Landesregierung heftig kritisiert. Die Entscheidung des Thüringer Bildungsministeriums, sei „falsch und in dieser Form nicht nachvollziehbar“, heißt es dort. Und weiter:
Wertschätzung und Respekt sehen anders aus. Kein normal denkender Mensch würde behaupten, dass Apotheken nicht unmittelbar mit der Versorgung von Kranken und pflegebedürftigen Menschen betraut wären. In den beiden Thüringer Ministerien für Bildung und Gesundheit würde dies öffentlich sicher auch niemand bestreiten. Allein aus politischem Kalkül handeln sie jedoch entgegengesetzt und haben dann nicht einmal den Mut, zu diesem Handeln offiziell zu stehen. Es ist offensichtlich und letztlich traurig, wie sehr sich die Wertschätzung der Thüringer Regierung für die Arbeit in den Apotheken, von der des Gesundheitsministers absetzt.“
5 Kommentare
genau so...
von apotheker63 am 29.04.2020 um 8:28 Uhr
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Systemrelevanz vs. Gier nach Umsatz
von Hans-Dieter Rosenbaum am 28.04.2020 um 18:51 Uhr
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Keine Ahnung
von Torben Schreiner am 28.04.2020 um 13:05 Uhr
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WARUM NUR?
von Wolfgang Müller am 28.04.2020 um 12:48 Uhr
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AW: Na ja
von Stefan Haydn am 28.04.2020 um 19:39 Uhr
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