Studien zum Coronavirus

Virologen-Gesellschaft kritisiert mediale Berichterstattung

Berlin - 04.06.2020, 17:44 Uhr

Die Veröffentlichungen des Virologen Professor Christian Drosten (links, hier mit Jens Spahn) finden besondere Beachtung. Doch die mediale Berichterstattung und wissenschaftliche Auseinandersetzung müssen sachlich und fair bleiben, findet die Deutsche Gesellschaft für Virologie. (s / Foto: imago images / Reiner Zensen)

Die Veröffentlichungen des Virologen Professor Christian Drosten (links, hier mit Jens Spahn) finden besondere Beachtung. Doch die mediale Berichterstattung und wissenschaftliche Auseinandersetzung müssen sachlich und fair bleiben, findet die Deutsche Gesellschaft für Virologie. (s / Foto: imago images / Reiner Zensen)


Die Wissenschaftswelt steht derzeit vor unzähligen Herausforderungen: Nicht nur, dass mit Blick auf die Coronavirus-Pandemie ein ungewohnt hohes Tempo bei Forschung und Veröffentlichung gefragt ist, auch das mediale Interesse an den Studienergebnissen und dem zugehörigen wissenschaftlichen Diskurs dürfte vielen neu sein. Die Deutsche Gesellschaft für Virologie (DGV) bemängelt jetzt die aus ihrer Sicht teilweise unsachliche Darstellung in den Medien.

Vergangene Woche sorgte die „Bild“-Zeitung mit einem vernichtenden Bericht über eine Studie des Berliner Virologen Professor Christian Drosten für Aufsehen: Drosten und sein Team hatten Ende April eine Auswertung zur SARS-CoV-2-Viruslast bei Kindern vorgelegt. Den Ergebnissen zufolge könnten Kinder ähnlich infektiös sein wie Erwachsene. Da die Forscher zumindest nicht das Gegenteil belegen konnten, warnten sie davor, sämtliche Einrichtungen wie Kitas und Schulen unkontrolliert wiederzueröffnen, um die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus nicht weiter zu begünstigen. Die Studie hat noch nicht das sonst vor dem Publizieren übliche Peer-Review-Verfahren durchlaufen, sondern ist bis dato als Vorveröffentlichung auf der Website der Charité Berlin einsehbar (mittlerweile in einer überarbeiteten Version, Stand 2. Juni 2020).

Die „Bild“-Zeitung bezeichnete die Studienergebnisse als „grob falsch“ und zitierte mehrere Wissenschaftler, die Drostens Auswertung kritisierten. Einige von ihnen distanzierten sich jedoch kurze Zeit später öffentlich von dem Bericht und erklärten, ihre Aussagen seien aus dem Zusammenhang gerissen oder falsch interpretiert worden.

Diese öffentliche Schlammschlacht zwischen Drosten und der „Bild“ nimmt die Deutsche Gesellschaft für Virologie (DGV) offenbar zum Anlass, um an die grundlegenden Regeln beim Umgang mit wissenschaftlichen Publikationen zu erinnern. „In der aktuellen Diskussion um ein geeignetes Vorgehen bei der Lockerung der Eindämmungsmaßnahmen gegen die SARS-CoV-2- Ausbreitung in Deutschland, spielen wissenschaftliche Untersuchungen zur Virusübertragung, zum Infektionsrisiko in verschiedenen Bevölkerungsgruppen und zum Nachweis von Antikörpern eine sehr wichtige Rolle“, betont die Fachgesellschaft in einer Mitteilung. Politik und Medien nutzten diese Daten zu Recht für Handlungsempfehlungen und politische Entscheidungen.

Berichterstattung schwächt Vertrauen der Menschen in die Wissenschaft

Die Berichterstattung bestimmter Medien betrachten die Experten jedoch mit Sorge. „Die Gesellschaft für Virologie findet es sehr bedauerlich, dass Teile der deutschen Presse sowie einige wenige Diskutanten auf öffentlichen Internetforen die sachliche Auseinandersetzung zwischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern nutzen konnten, um persönlich erscheinende Konflikte hervorzurufen und diese für eigene Zwecke, wie etwa die Steigerung von Zugriffszahlen, zu instrumentalisieren“, schreiben sie in ihrer Stellungnahme. „Dadurch wird der Eindruck einer zerstrittenen Wissenschaftsgemeinschaft erweckt und das Vertrauen in die Seriosität wissenschaftlichen Arbeitens geschmälert.“



Christina Müller, Apothekerin und Redakteurin, Deutsche Apotheker Zeitung (cm)
redaktion@daz.online


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2 Kommentare

Von unverbindlichen wissenschaftlichen Preprints zu realpolitisch verantwortungslosen Entscheidungen?

von Christian Timme am 05.06.2020 um 7:12 Uhr

Die "vorbereitende Entscheidungshilfe" ist nicht mitverantwortlich für die folgende politische Entscheidung ... da auf diesen Zusammenhang im Vorfeld nicht hingewiesen wurde ...

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Wo bleibt die Selbstkritik?

von Prof. Dr. Med. Harald HHW Schmidt am 05.06.2020 um 6:23 Uhr

Zu viele Virologen erliegen im Moment der Versuchung Veröffentlichung mit Öffentlichkeit und Medienpräsenz bis hin zu Medienruhm zu verwechseln. Also bei nicht nur die Presse belehren sondern Selbstkritik üben.

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