Coronavirus als Türöffner

Schweiz lockert den Heimlieferservice für OTC-Arzneimittel

Remagen - 09.06.2020, 11:00 Uhr

Die Schweiz hat im Zuge der Coronavirus-Pandemie die Heimlieferung von OTC-Arzneien gelockert. ( r / Foto: imago images / Geisser)

Die Schweiz hat im Zuge der Coronavirus-Pandemie die Heimlieferung von OTC-Arzneien gelockert. ( r / Foto: imago images / Geisser)


Während die Coronakrise für die Menschen in Europa insgesamt zahlreiche Beschränkungen mit sich bringt, führt sie in den Apotheken eher zu Lockerungen. Vielerorts wurden Heimlieferservices erleichtert, so jetzt auch in der Schweiz. Dort dürfen Kunden OTC-Arzneimittel jetzt telefonisch bestellen und bekommen diese dann nach Hause gebracht – und zwar ohne Rezept. Das könnte ein Indiz dafür sein, dass die strengen Regeln zum OTC-Versand bald gekippt werden.

„Jetzt kannst du dir Aspirin und Voltaren nach Hause liefern lassen“, schreibt das Schweizer online-Portal „20min.ch“. Brechen damit alle Dämme für den freien Versandhandel mit OTC-Arzneimitteln? Wohl eher nicht, jedenfalls nicht sofort. Zwar dürfen Apotheken und Drogerien im Alpenland jetzt rezeptfreie Arzneimittel nach telefonischer Fachberatung auch an Menschen nach Hause liefern, die sie nicht kennen, aber das gilt nur während der Coronakrise. Bisher durften lediglich Stammkunden den Heimlieferservice in Anspruch nehmen. Nun hat die Kantonsapothekervereinigung (KAV) das Konzept eines „erweiterten Hauslieferdiensts während der Corona-Pandemie“ genehmigt. Näheres dazu erläutern der Apothekerverband pharmaSuisse und der schweizerische Drogistenverband (SDV) in einer gemeinsamen Pressemitteilung.

Hauptsächlich für Corona-Gefährdete

Den neuen Hauslieferdienst darf jeder in Anspruch nehmen. Gedacht ist er aber vornehmlich für die rund 2,3 Millionen Menschen im Land, für die eine Ansteckung mit dem Coronavirus aufgrund von Vorerkrankungen oder wegen ihres Alters mit höheren Risiken verbunden ist. Ihnen soll nun der Gang in die Apotheke wegen eines rezeptfreien Medikaments erspart werden. „Damit kann sichergestellt werden, dass alle Menschen, auch solche mit Vorerkrankungen oder in Quarantäne, rasch Zugang zu rezeptfreien Arzneimitteln erhalten, inklusive Fachberatung, aber ohne Ansteckungsrisiko“, begründet Apothekerpräsident Fabian Vaucher den Service.

PharmaSuisse und der Drogistenverband haben hierfür gemeinsam ein Konzept erarbeitet. Es beinhaltet die Rahmenbedingungen, die eingehalten werden müssen, um den Dienst anbieten zu dürfen. Dazu gehört vor allem eine umfassende telefonische Fachberatung. Außerdem soll über eine persönliche Aushändigung der bestellten Medikamente sichergestellt werden, dass kein Medikamentenmissbrauch stattfindet. „Mit diesem Konzept kann die Person in Quarantäne durch den Kontakt vor der Haustür eindeutig identifiziert werden“, erläutert der Präsident des Drogistenverbands, Jürg Stahl. „So ist die Hauslieferung durch Apotheken und Drogerien schnell und dennoch sicher.“

Wie der Dienst funktioniert

Auf der eigens eingerichteten Website www.rezeptfreie-medikamente.ch werden alle Apotheken und Drogerien aufgeführt, die die Dienstleistung des „erweiterten Hauslieferdiensts“ anbieten. Das geht also nicht automatisch bei jeder Verkaufsstelle. Über einen sogenannten Fachhandels-Finder mit Geolokalisation können die Kunden sich die nächstgelegene heraussuchen und dort anrufen. Eine Fachperson führt mit Ihnen ein Beratungsgespräch und nimmt die notwendigen Angaben zur Bestellung auf. Bestellt werden können alle rezeptfreien Arzneimittel, jedoch generell nicht in größeren Mengen.

Außerdem muss die bestehende Kontingentierung berücksichtigt werden. Das heißt, bei fiebersenkenden, schmerzlindernden und entzündungshemmenden Medikamenten gibt es nur eine Packung. Es können auch mehrere Medikamente gleichzeitig bestellt werden, aber nur, wenn bei der Fachberatung keine gefährlichen Wechselwirkungen oder Nebenwirkungen feststellt werden. Bei chronisch Kranken muss sich die beratende Fachpersonen möglichst umfassend über die die bestehenden Behandlungen informieren. Betroffene sollten sich vielleicht besser an die Hausapotheke oder den Arzt wenden, so die Empfehlung. Bestellungen rezeptfreier Präparate für eine andere Person sind nicht möglich. Lieferbedingungen wie Zeitpunkt der Lieferung und Kosten müssen mit der Apotheke oder Drogerie individuell abgesprochen werden.

Wie steht es um Dokumentation und dem Datenschutz?

Wenn eine Person eine Apotheke oder Drogerie anruft, bei der sie bisher nicht Kunde war, muss sie sich spezifische Fragen bezüglich der Gesundheit gefallen lassen, damit die beratende Fachperson ein geeignetes Medikament auswählen kann. Die Dokumentation der Fachberatung soll sicherstellen, dass Rückfragen jederzeit möglich sind, etwa bei Symptomveränderungen. Sie wird im EDV-System der kontaktierten Apotheke oder Drogerie gespeichert, aber es werden keine Gespräche aufgezeichnet. Dabei sollen die Datenschutzbestimmungen strikt eingehalten werden. Die erfassten persönlichen Daten werden weder an Dritte weitergegeben noch für Werbezwecke verwendet.

Online-Handel nur eine Frage der Zeit?

Mit der Ausnahmegenehmigung in Coronazeiten wird die Diskussion um den Versandhandel mit Arzneimitteln in der Schweiz erneut befeuert. Denn im Alpenland ist der Onlineverkauf von Rx- und rezeptfreien Medikamenten ohne Vorliegen einer ärztlichen Verschreibung verboten. Schon seit geraumer Zeit wird heftig daran gerüttelt, bislang jedoch ohne Erfolg. Zuletzt hatte erneut die Schweizer DocMorris-Mutter Zur Rose wegen der Coronakrise um Ausnahmen von den OTC-Versandregeln gebeten.

Notfall-, Erkältungs- und Grippearzneimittel

Schweiz: Zur Rose will Ausnahmegenehmigung für OTC-Versand

Laut „20 Minuten“ ist der Gesundheitsökonom Tilman Slembeck von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) nicht begeistert von diesem Lieferdienst. Er hält diesen nur für eine Zwischenlösung. Es sei nur eine Frage der Zeit, bis rezeptfreie Arzneimittel in der Schweiz online bestellt werden können, meint Slembeck. Aus seiner Sicht braucht es dafür außer bei Personen, die viele Medikamente einnehmen, auch nicht unbedingt eine Fachberatung. Dafür gebe es die Packungsbeilage.

Erst vor wenigen Tagen hatte die Krankenversicherung KPT vor dem Hintergrund der Coronakrise vorübergehend einen neuen Online-OTC-Medikamentenservice lanciert und dafür den Telemedizin-Provider medi24 und die Versandapotheke Zur Rose mit ins Boot geholt. Man darf gespannt sein, ob das Coronavirus nicht letztlich zum Türöffner für den OTC-Versandhandel in der Schweiz wird.



Dr. Helga Blasius (hb), Apothekerin
redaktion@daz.online


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1 Kommentar

Zur Rose Heimsieg für den Heimlieferservice für OTC-Arzneimittel in der Schweiz ...

von Christian Timme am 10.06.2020 um 8:16 Uhr

"Türöffner" Corona nimmt gleich den Haupteingang ... das ist wie "Schweizer Käse mit größeren Löchern" damit der Versand "leichter" wird ...

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