Westfalen-Lippe

Ärzte und Apotheker zoffen sich wegen Apotheken-Impfungen

Berlin - 10.06.2020, 16:50 Uhr

Die Ärztekammer Westfalen-Lippe regt sich gemeinsam mit der KV der Region über die Apothekerkammer Westfalen-Lippe auf, weil diese zu den im Masernschutzgesetz vorgesehenen Modellprojekten zu Grippeschutzimpfungen in Apotheken steht. (Foto: ÄKWL)

Die Ärztekammer Westfalen-Lippe regt sich gemeinsam mit der KV der Region über die Apothekerkammer Westfalen-Lippe auf, weil diese zu den im Masernschutzgesetz vorgesehenen Modellprojekten zu Grippeschutzimpfungen in Apotheken steht. (Foto: ÄKWL)


Die Apotheker wurden erst kürzlich vom Gesetzgeber dazu ermächtigt, Modellprojekte zu Grippeschutzimpfungen in Apotheken durchzuführen. Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe mit ihrer Präsidentin Gabriele Regina Overwiening will hier vorangehen und freut sich über die neue Möglichkeit. Die Ärzteschaft in der Region reagiert verärgert. In einer gemeinsamen Mitteilung warnen die Ärztekammer und die KV davor, dass die Patientensicherheit leiden könnte, wenn Apotheker impfen.

Auch wegen des Coronavirus könnte die nächste Grippesaison und der präventive Umgang damit unter besonderer Beobachtung stehen. Zu erwarten ist, dass in der kommenden Saison besonders viele Menschen eine Grippeschutzimpfung haben wollen, um bei einer möglichen gleichzeitigen Infektion mit dem Coronavirus Komplikationen zu vermeiden. Um die Impfquoten bei der Grippeimpfung zu erhöhen, hat der Bundestag erst vor wenigen Monaten das Masernschutzgesetz beschlossen, in dem den Apothekern Modellprojekte eingeräumt werden. Im Rahmen dieser Modellprojekte sollen die Apotheker, die vorher geschult werden müssen, Impfungen verabreichen.

Hört man sich im Apothekenmarkt um, wird schon an mehreren Stellen an solchen Modellprojekten gebastelt. Nach Informationen von DAZ.online gibt es sowohl Apothekenkooperationen als auch -verbände, aber auch Krankenkassen, die an solchen Projekten arbeiten. Die Apothekerkammer Westfalen-Lippe hatte dazu in der vergangenen Woche ihre Berufsordnung geändert, damit sich Apotheker an den Projekten beteiligen können. Die AKWL befragte bei ihrer Online-Versammlung auch die Mitglieder, wie sie zu den Impfungen stehen. Das Ergebnis: Satte 70 Prozent gaben an, Grippeimpfungen anbieten zu wollen. Knapp 20 Prozent sind demnach noch unentschlossen, lediglich 10 Prozent erteilten dem Impfen in ihrer Apotheke eine Absage.

Bei den Ärzten aus Westfalen-Lippe kommt das überhaupt nicht gut an. In einer gemeinsamen Pressemitteilung wendeten sich die Kammer und die KV der Region heute an die Öffentlichkeit. Für die beiden Organisationen stellen die Impf-Pläne der Apotheker „eine Gefahr für die Patientensicherheit dar“. Dr. Hans-Albert Gehle, Präsident der Kammer, erklärte: „Die Ausübung der Heilkunde ist Nicht-Ärzten ausdrücklich und aus gutem Grund verboten.“ Gehle verwies auf einen Vorstandsbeschluss der Kammer aus dem vergangenen Jahr, in dem sich der ÄKWL-Vorstand gegen Grippeschutzimpfungen in Apotheken im Rahmen von Modellprojekten ausgesprochen hat.

KV: Die Diskussion ist unangebracht

Gehle weiter: „Die Ärztekammer bleibt bei ihrer Position: Impfen ist eine invasive ärztliche Tätigkeit und stellt einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar. Beim Impfen kann es zu Komplikationen wie etwa allergischen Reaktionen kommen, dann ist schnelles ärztliches Notfallhandeln erforderlich. Impfen ohne Arzt gefährdet die Patientensicherheit. Einen höheren Impfschutz der Bevölkerung kann man nicht auf Kosten der Versorgungsqualität erreichen. Für das Impfen sind neben den unbedingt erforderlichen ärztlichen Fähigkeiten und ärztlichem Wissen auch geeignete Räumlichkeiten sowie das Einhalten von Hygienebestimmungen und Ausrüstungsstandards nötig. Es darf kein Impfen am Verkaufstresen geben.“

Gehle warnt zudem wegen möglicher Akutgefahren und Langzeitschäden eindringlich davor, später einmal mögliche Corona-Impfungen von Nicht-Ärzten durchführen zu lassen. „Hier ist ärztliche Kontrolle unerlässlich.“

Dr. Volker Schrage, zweiter Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL), ergänzte:


Ärzte verfügen nicht nur über die medizinische Qualifikation, die es zur Durchführung einer Impfung benötigt, sie kennen auch die Krankheitsgeschichte ihrer Patienten und können sie kompetent und individuell zur Grippeschutzimpfung und zum Impfen im Allgemeinen beraten. Auch können in den Praxen die nötigen Hygienevorschriften sowie die Privatsphäre der Patienten eingehalten werden – wie steht es um diese Aspekte in den Apotheken? Die von der Apothekerkammer Westfalen-Lippe erneut angestoßene Diskussion über die Zuständigkeiten beim Thema Impfen ist für mich völlig unangebracht – Impfen ist und bleibt eine ärztliche Tätigkeit!“

Dr. Volker Schrage, Vize-KV-Vorsitzender in Westfalen-Lippe




Benjamin Rohrer, Chefredakteur DAZ.online
brohrer@daz.online


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2 Kommentare

Vakzine in der Apotheke

von Christian Eriksen am 12.06.2020 um 10:13 Uhr

Impfen machen wir in norwegischen Apotheken schon seit Jahren! Und gerade jetzt in der Pandemiekrise, können sich die Ärzte glücklich loben,das die Apotheken Grippe-, Pneumovax,- und andere Vakzinen setzen.
Das hätten die nicht geschaft ohne die Apotheken! Dank den Apotheken für diese Leistung!
Allerdings hatten wir auch diskussionen am Anfang, aber das lässt sich alles gut lösen. Viel glück mit dieser wichtigen Aufgabe in der Zukunft, liebe Kollegen in Deutschland!

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Haftung?

von Uwe Hansmann am 11.06.2020 um 8:43 Uhr

Der Konflikt war vorprogrammiert. Der alte Spruch "Schuster bleib bei deinen Leisten" hat noch immer seine Berechtigung.
Eine ganz andere und wichtige Frage ist in diesem Zusammenhang im Übrigen immer noch offen:
Wie sieht es denn im Fall der Fälle mit der Haftung aus?
Sind die Apotheken hierfür hinreichend versichert?

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