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Unterdosierte Krebsmittel
BGH bestätigt Haftstrafe für Bottroper Zyto-Apotheker
Vor zwei Jahren sprach das Landgericht Essen eine zwölfjährige Haftstrafe aus – nun bestätigt der Bundesgerichtshof nach Informationen von DAZ.online das Urteil. Die Bundesrichter haben die Revision des angeklagten Pharmazeuten weitestgehend als unbegründet verworfen. Nach Auskunft von Nebenklagevertretern wurden auch alle sonstigen Revisionen verworfen, sodass das Urteil damit rechtskräftig ist.
Der Ende 2016 inhaftierte Bottroper Apotheker Peter Stadtmann muss noch Jahre in Haft: Nach Informationen von DAZ.online hat der Bundesgerichtshof (BGH) den Revisionsantrag seiner Verteidiger zurückgewiesen – wie schon vom Bundesgeneralanwalt beantragt. Das Landgericht Essen hatte Stadtmann wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz in 14.537 Fällen zu zwölf Jahren Haft verurteilt – sowie wegen Betrugs in 59 Fällen, nämlich durch monatliche Abrechnungen der unterdosierten Arzneimittel. Außerdem hatten die Richter ein lebenslanges Berufsverbot und die Einziehung eines Wertersatzbetrages in Höhe von 17 Millionen Euro angeordnet.
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Die Verteidiger von Stadtmann hatten eine Vielzahl von Gründen für ihren Revisionsantrag angeführt und beantragt, das Urteil gegen den Apotheker aufzuheben: Sie hatten im gesamten Verfahren das Ziel eines Freispruchs verfolgt. Vor dem Landgericht hatten sie etwa argumentiert, Fehlmengen zwischen eingekauftem und verkauftem Wirkstoff seien auf anderen Wegen zu erklären. Für ihre Revision hatten sie den Strafrechtsprofessor Ralf Neuhaus engagiert: Sie hatten etwa argumentiert, dass die Auswechslung einer Schöffin, die an einem Hauptverhandlungstag eine Operation hatte, nicht rechtmäßig lief.
Dies hatte schon der Bundesgeneralanwalt als nicht überzeugend angesehen – wie auch das Argument, die Richter hätten das Verfahren unzulässig abgekürzt. Es bestand aus über 40 Verhandlungstagen. Die Verteidigung sah sich um die Möglichkeit beraubt, entlastende Zeugen zu laden und Beweise vorzubringen.
Fast kein Rechtsfehler
Die „sachlich-rechtliche Nachprüfung“ des Urteils habe fast keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, schreiben die Bundesrichter in ihrem Beschluss. Rechtliche Bedenken haben sie bei der Bewertung der Kollegen vom Landgericht, dass es einen Vermögensvorteil großen Ausmaßes gegeben habe: Bei einzelnen Rezepturen sei dies nicht unbedingt der Fall. Der Strafausspruch würde hierdurch aber nicht berührt.
An anderer Stelle kommen die Bundesrichter allerdings zu einer anderen Einschätzung – was die Einziehung des Wertersatzes betrifft, den das Landgericht auf 17 Millionen Euro beziffert hatte. Vermögensgegenstände, die der Täter durch oder für eine rechtswidrige Tat erlangt hat, werden eingezogen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts seien die von Peter Stadtmann vereinnahmten Gelder ihm nicht aufgrund der Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz zugeflossen, sondern erst in Folge der betrügerischen Abrechnungen der unterdosierten Arzneimittelzubereitungen. Doch verurteilt wurde er nur in Bezug auf die zum Nachteil der Krankenkassen und sonstiger öffentlich-rechtlicher Kostenträger betrügerisch abgerechneten Mittel. Daher könne sich die Einziehung auch nur auf deren Gesamtwert beziehen, entschied der BGH nun. Dessen vierter Strafsenat änderte die Einziehungsanordnung auf Grundlage der laut dem Senat rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts entsprechend auf 13,6 Millionen Euro.
Kein Mord: Revisionen der Nebenkläger ebenfalls verworfen
Der lediglich geringfügige Teilerfolg der Revision rechtfertige es nicht, den Angeklagten teilweise von den durch seine Revision veranlassten Kosten und Auslagen freizustellen, entschieden die Bundesrichter. Stadtmann hat so die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägern dadurch im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Nach Angaben von Nebenklagevertretern hat der BGH auch alle sonstigen Revisionen verworfen. Mehrere Betroffene oder deren Angehörigen hatten in ihren Anträgen unter anderem argumentiert, Stadtmann gehöre auch wegen Morddelikten verurteilt. Doch dies hatte gleichfalls schon der Bundesgeneralanwalt zurückgewiesen. Eine Anfrage von DAZ.online an die Strafverteidiger von Stadtmann blieb zunächst unbeantwortet.
Whistleblower erleichtert über den Schlussstrich unter ein „fast perfektes Verbrechen“
„Der Kreis schließt sich endlich“, erklärt der ehemalige kaufmännische Leiter der früheren „Alten Apotheke“, Martin Porwoll, auf Nachfrage. „Nach über vier Jahren ist das Kapitel endlich abgeschlossen, und mit dem nun rechtskräftigen Urteil hat ein beispielloses Verbrechen eine in meinen Augen hohe und gerechtfertigte Strafe bekommen.“ Dass der Strafrahmen fast vollkommen ausgenutzt wurde, sei für Straftaten im Gesundheitswesen nicht selbstverständlich. „Auch wenn in den Augen der Betroffenen nicht das ‚richtige‘ Verbrechen angeklagt wurde, so muss man am Ende des Tages doch sagen: Immerhin konnte dieses fast perfekte Verbrechen überführt und auch entsprechend hart abgeurteilt werden.“
Porwoll hatte zusammen mit einer PTA das Verbrechen aufgedeckt: Er hatte den Ein- und Verkauf von Wirkstoffmengen verglichen, nachdem er von Ungereimtheiten bei der Herstellung der Zytostatika gehört hatte. Die PTA und der Kaufmann waren fristlos gekündigt worden – das Landesarbeitsgericht in Hamm hatte dies aber als unzulässig erachtet. Ein zwischen Stadtmann und Porwoll geschlossener Vergleich wurde von dem Apotheker bislang nicht beglichen. Hier gibt es weiterhin laufende Rechtsstreitigkeiten – wie auch mit zahlreichen früheren Patienten, die von Stadtmann beliefert wurden. Gegen den Apotheker läuft ein Insolvenzverfahren.
Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 10. Juni 2020, Az. 4 StR 503/19
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